Abenteuer und Meeresforschung
Meeresforschung hat häufig auch etwas mit Abenteuer zu tun, denn auf den Weltmeeren gibt es noch viel zu entdecken. Bei der Expedition OceanChange 2021 von Arved Fuchs verbinden sich Abenteuer und Forschung auf ganz besondere Weise. Fuchs brach am 17. Juni 2021 mit seinem Segelschiff Dagmar Aaen von Kiel aus in den nördlichen Nordatlantik auf. Während der dreimonatigen Expedition, mit der Arved Fuchs insbesondere auch auf den Klimawandel aufmerksam machen will, wird er kontinuierlich Messungen für das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel durchführen. Über die am GEOMAR entwickelte Onlineplattform Beluga können die Expedition, aber auch die Messdaten live verfolgt werden.
»Der Nordatlantik zählt in Hinblick auf die Klimaerwärmung zu den besonders kritischen Regionen«, sagt Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des GEOMAR. »Hier kann es bei weiterer Erwärmung rasch zu Veränderungen der Meeresströmungen, insbesondere des Golfstroms, einem der Kippelemente des Klimasystems, kommen«, so Matthes weiter. Um diese Prozesse rechtzeitig zu erkennen und bessere Vorhersagen für die Zukunft zu erhalten, sind insbesondere Ozeanbeobachtungen notwendig. Davon gibt es immer noch viel zu wenige.
Schottisches Bier aus Schiffswrack untersucht
1895 sank der Frachter »Wallachia«. Mit an Bord: unzählige Flaschen Bier. Eine Genanalyse des Inhalts hat nun gezeigt: Beim Brauprozess kamen ungewöhnliche Hefen zum Einsatz statt der heute meist üblichen Bierhefe. Das berichtet eine Arbeitsgruppe um Keith Thomas vom Forschungsunternehmen Brewlabs, das mit Hilfe der PCR (polymerase chain reaction) das Erbgut der Mikroorganismen in den Flaschen verschiedenen Arten zuordnete. Wie das Team im »Journal of the Institute of Brewing«
schreibt, identifizierte es die Arten Brettanomyces bruxellensis und Debaryomyces hansenii in den Heferückständen dreier Flaschen aus dem Wrack der vor 126 Jahren vor der schottischen Küste gesunkenen »Wallachia«. Während Brettanomyces eine bekannte Brauerhefe ist, die auch heute noch in speziellen Bieren zum Einsatz kommt, ist Debaryomyces in Bier sehr ungewöhnlich. Der Organismus sei nur in einigen spontan vergorenen belgischen Bieren zu finden. Die Fachleute hoffen nun, mit diesen klassischen Hefestämmen auch das Repertoire moderner Biere zu erweitern. Heutige untergärige Biere werden meist mit reinen Kulturen der Bierhefe Saccharomyces pastorianus ssp. carlsbergensis gebraut, um den Brauprozess und damit Eigenschaften und Geschmack des Bieres besser zu kontrollieren. Dieser Hefestamm, entwickelt 1888 im Labor der Brauerei Carlsberg, verbreitete sich schnell in der Bierindustrie und verdrängte viele zuvor eingesetzte Hefekulturen. Allerdings bestimmt die Hefe einen großen Teil des Biergeschmacks, so dass Fachleute heute mit anderen Hefen experimentieren, um mehr Aromenvielfalt zu erhalten. Die Hefekulturen aus dem Wrack der Wallachia und anderen ähnlich alten Bierproben sind dafür besonders interessant, weil sie zwar aus der Vor-Saccharomyces-Ära stammen, aber schon Teil einer modernen industriellen Bierproduktion waren.
Geisternetzsuche in der Nordsee
Zehn Tage waren Wissenschaftler des WWF, des Umweltbundesamts (UBA) sowie der Forschungstauchergruppe Submaris in der Nordsee unterwegs, um mit Hilfe eines Sidescan-Sonars Geisternetze zu identifizieren. Die Pilotstudie führte von Cuxhaven nach Thyborøn und in den Limfjord in Dänemark über das Sylter Außenriff bis nach Helgoland. Über 60 Stunden wurde das Sidescan-Sonar fünf Meter über Grund hinter dem Schiff hergezogen, um hochaufgelöste Bilder des
Meeresbodens zu gewinnen. So ist eine Identifizierung von Bleileinen in Stellnetzen und großen Haufen von Schleppnetzen bzw. Schleppnetzteilen oder Hummerkörben möglich. Bereits seit einigen Jahren wird diese Methode in der Ostsee erprobt, die sich als die effektivste bei der Suche nach verlorengegangenem Fischereigerät erwiesen hat.
Kurz notiert
Korallen in der Kälte
Die weitverbreitete Korallenbleiche und die damit meist verbundene Sterblichkeit werden hauptsächlich mit dem durch den Klimawandel verursachten Anstieg der Meeresoberflächentemperaturen in Verbindung gebracht. Doch auch die La-Niña-Ereignisse, die immer häufiger auftreten und für kaltes Wasser sorgen, stressen tropische Korallen. Laura Fernandes de Barros Marangoni vom Wissenschaftszentrum in Monaco konnte jetzt erstmals zeigen, dass bei Kältestress ebenfalls die Symbionten, also die in ihren Zellen lebenden Einzeller, die mit Hilfe des Sonnenlichtes Nährstoffe produzieren, aus der Korallenart Stylophora pistillata vertrieben werden. Das ist als eine Anpassung an das kalte Wasser zu verstehen, um ein noch stärkeres Ausbleichen zu verhindern.
Kammerlinge im Klimacheck
Foraminiferen, auch Kammerlinge genannt, sind fast überall in den Meeren zu finden und leben dort am Meeresboden oder treiben als Plankton im Wasser. Die winzigen Meerestiere, die schon als Fossilien aus dem Kambrium (vor rund 560 Millionen Jahren) bekannt sind, produzieren Kalkgehäuse, die so zur Entstehung der weißen Sandstrände in den Tropen beitragen. Marleen Stuhr und ihr Team vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen hat untersucht, wie die Großforaminifere Amphistegina lobifera aus dem nördlichen Roten Meer auf den Klimawandel reagiert. Dabei zeigte sich, dass sie nicht nur relativ resistent gegen eine Ozeanerwärmung auf 31 Grad Celsius ist, sondern auch gegenüber hohen CO2-Werten.
Fotos: Laura Fernandes de Barros Marangoni, Marleen Stuhr (2), Florian Huber (2), Brewlab, Ágúst Dan