Orca and Grindwal
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Schwertwal betreut Grindwalbaby

Erstmals vor Island beobachtet: eine Orcakuh schwimmt Seite an Seite mit einem Grindwalkalb. Die Wissenschaft kann das Verhalten nicht genau erklären.

Shutterstock; Marie-Thérèse Mrusczok et. al.

Eine Gruppe Forscher*innen des West Iceland Nature Research Centre hat einen Artikel im Canadian Journal of Zoology veröffentlicht. Dort beschreiben sie, wie sie 2021 eine Gruppe von drei Schwertwalen (Orcinus orca) und eine Gruppe Grindwale (Globicephala melas)  beobachten. Dabei dokumentieren sie, wie ein Grindwalkalb von einer erwachsenen Orca-Walkuh begleitet wird.

Die Begegnung ereignete sich vor der Küste Islands. Die leitenden Forscherin Marie-Thérèse Mrusczok bemerkte, dass eines der Orcaweibchen mit Namen Sædís von einem Kalb begleitet wurde, dem die markante, weiße »Augenklappe« der Orcas fehlte.

Das Kalb wurde anhand der Form seines Kopfes und seiner Rückenflosse als Langflossen-Grindwal identifiziert. Das Orca-Weibchen schwamm mit dem Kalb in der schützenden »Echelon-Position«. Einer Position hinter der Rückenflosse des größeren Erwachsenen. So wird das Kalb effektiv auf der Druckwelle mit sich geführt, die durch die Bewegung des Schwanzes des Erwachsenen erzeugt wird.

Grindwal mit Baby
©Shutterstock; Symbolbild eines Grindwalkalbs

In der Vergangenheit wurden Interaktionen zwischen Schwertwalen und Grindwalen in der Umgebung von Island dokumentiert. Dabei verfolgten die Grindwale die Orcas oft. Vermutlich um sie zu vertreiben, was wahrscheinlich auf den Wettbewerb um Nahrung zurückzuführen ist.

Räuberische Angriffe von Orcas auf Grindwale wurden dokumentiert, sind aber sehr selten. Nur ein einziger Fall wurde in isländischen Gewässern verzeichnet. Die Frage, warum das Orca-Weibchen das Grindwal-Kalb in seine Obhut genommen hat, bleibt unbeantwortet. Da Sædís seit ihrer ersten Beobachtung im Jahr 2012 noch nie mit einem eigenen Kalb gesehen wurde, ist es unwahrscheinlich, dass sie in der Lage gewesen wäre, das Grindwal-Kalb zu säugen. Das Kalb wurde von den Wissenschaftlern beschrieben als Neugeborenes dessen Körperzustand »abgemagert« sei. Nichtsdestotrotz sagte Mrusczok, dass Sædís »ein schützendes… und fürsorgliches Verhalten gegenüber dem Kalb zeigte«.

Eine Gruppe Orcas
© Shutterstock; Symbolbild einer Gruppe Orcas

Die Orcagruppe, zu der Sædís gehört, wurde erst im Juli 2022 wieder gesehen. Eine Gruppe von 10 Orcas interagierte mit einer »etwa 40-köpfigen« Gruppe von Grindwalen. Das Grindwal-Kalb, um das sich Sædís gekümmert hatte, war nicht mehr anwesend und – angesichts seines schlechten Zustands – vermutlich gestorben.

Die Grindwale – mit einer Reihe von Kälbern im Schlepptau – wurden dabei beobachtet, wie sie die Orcagruppe in der zuvor beobachteten Weise verfolgten. Bei der Begegnung im Juli 2022 drehten die Orcas jedoch nach Beendigung der Verfolgung um und begannen, langsam zu den Walen zurückzuschwimmen.

Alloparentale Fürsorge – bei der sich ein Erwachsener einer Art um den Nachwuchs einer anderen Art kümmert – ist im Tierreich gut dokumentiert. Buckelwale und mehrere Delfinarten wurden bei der Betreuung des Nachwuchses anderer Arten beobachtet.

Die neue Studie ist jedoch die erste, die das Verhalten zwischen Orcas und Grindwalen dokumentiert. Sie legt nahe, dass die bekannten Interaktionen zwischen den Arten weitaus komplizierter sein könnten als bisher beobachtet.