TEXT: Prof. Dr. Claus-Martin Muth & Prof. PD Dr. Tim Piepho
Die Nieren sind nur sehr selten im Zusammenhang mit dem Tauchen Gegenstand der Betrachtung, völlig unberechtigt. Tatsächlich kommen den Nieren beim Tauchen bedeutende Funktionen zu. Deren Kenntnis ist wichtig, um bestimmte tauchbedingte Probleme zu vermeiden.
Die Nieren sind eines der wichtigsten Ausscheidungsorgane des Körpers. Durch die Produktion von Urin steuern sie maßgeblich den Wasser- und Elektrolythaushalt, entsorgen aber auch eine Reihe von Abfallstoffen. Sie tragen so bei normaler Nierenfunktion zum stabilen Gleichgewicht der Stoffwechselprozesse im Körper bei. Eine gestörte Nierenfunktion hat dementsprechend immer, je nach Ausmaß der Funktionsstörung, gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit.
Immer ein Störfall
Beim Tauchen kommt es übrigens immer, also bei jedem Abstieg in die Unterwasserwelt, zu einer vorübergehenden Störung der Nierenfunktion. Diese ist aber weder grundsätzlich gefährlich noch von Dauer. Sie führt aber während des Tauchens zu einer deutlich vermehrten Urinproduktion mit nachfolgendem starken Harnreiz, was zum Flüssigkeitsverlust führt.
Die meisten Taucherinnen und Taucher kennen wohl diesen starken Harndrang, der meist im letzten Viertel des Tauchgangs massiv einsetzt und durch die Entleerung der Blase in den Tauchanzug ein kurzzeitiges Wärmegefühl zur Folge hat. Daher auch die Bezeichnung »Taucherheizung«.
Ursache für dieses korrekt »Taucherdiurese« genannte Phänomen ist eine Fehlinformation an die Regelstellen für das Blutvolumen, hervorgerufen durch vermehrten Blutrückstrom in die Gefäße im Brustkorb durch die besonderen Bedingungen beim Ein- und Untertauchen im Wasser.
Auf diese Weise werden die Nieren stimuliert, überschießend Urin zu produzieren, so dass pro Tauchgang um die 1,5 Liter Flüssigkeit über die Harnausscheidung verloren gehen, was dann als Harnreiz beim oder unmittelbar nach dem Tauchen bemerkt wird.
Blutvolumen sinkt
Jeder Taucher hat daher nach dem Tauchen einen relativen Volumenmangel. Die Taucherdiurese ist also ein wichtiger Grund für den Flüssigkeitsverlust während des Tauchens und der Abnahme des Blutvolumens. Blut, vor allem die Blutflüssigkeit, ist aber das wichtigste Transportmedium für den während des Tauchgangs vermehrt aufgenommenen Stickstoff, der aus den Geweben freigesetzt wird und zur Lunge transportiert werden muss.
Eine Abnahme des Blutvolumens führt dazu, dass weniger Blutflüssigkeit zur Verfügung steht und dadurch nur vermindert Stickstoff transportiert werden kann. Dadurch können schneller kritische Überspannungen entstehen. Sie führen zu einer vermehrten Blasenbildung und damit die Entstehung eines Dekompressionsunfalls begünstigen können.
Die Nieren selbst sind übrigens so gut wie nie unmittelbar von einem Dekompressionsunfall betroffen, können aber durch einen solchen vorübergehend oder sogar dauerhaft geschädigt werden. Allerdings sind es dann keine Gasbläschen, die den Schaden verursachen, sondern die Abbauprodukte von besonders stark von einem Deko-Unfall betroffener und geschädigter Muskulatur bei massiven Bends in großen Muskelgruppen wie zum Beispiel der Oberschenkelmuskulatur, sodass in solchen Fällen sogar eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich sein kann.
Dialysepflicht verbietet Tauchen
Problematisch beim Tauchen können auch vorbestehende Erkrankungen oder Schädigungen der Niere sein, abhängig jeweils vom Grad der jeweiligen Funktionseinschränkung der Niere. Hier kommt es sehr darauf an, wie gut die Niere noch in der Lage ist, Flüssigkeit auszuscheiden.
Ist diese Funktion bereits deutlich eingeschränkt, kann es beim Tauchen durch das oben Beschriebene zur Katastrophe bis hin zum Kreislaufversagen kommen. Eine dialysepflichtige Einschränkung der Nierenfunktion ist ohne jedes Wenn und Aber mit dem Tauchen nicht vereinbar.
Ist die Nierenfunktion, aus welchem Grund auch immer, aber so stark eingeschränkt oder aufgehoben, dass die Dialyse notwendig wird, ist eine mögliche Therapieoption die Nierentransplantation. Und hier kann es nach erfolgreicher Transplantation tatsächlich möglich sein, wieder zu tauchen.
Es gilt in diesen Fällen, dass eine Tauchtauglichkeit frühestens ein Jahr nach erfolgreicher Transplantation erteilt werden kann, wenn der Allgemeinzustand des Patienten und vor allem auch die Funktion der transplantierten Niere dies erlauben. Daher muss in solchen Fällen eine regelmäßige nephrologische/transplantationsmedizinische Kontrolle in kurzen Intervallen erfolgen.
Nierensteine
Auch Nierensteine können beim Tauchen zu einem Problem werden: Vor allem dann, wenn sie unter Wasser Nierenkoliken auslösen und so zu einer massiven Gefährdung führen. Bei einem bekannten Steinleiden ist daher besondere Vorsicht angebracht. Sind symptomatische Nierensteine bekannt, und ist es schon zu Koliken gekommen, gilt so lange Tauchverbot, bis die Nierensteine entfernt sind, und die urologische Untersuchung die Unbedenklichkeit und den ungehinderten Harnabfluss bestätigt.