TEXT: Roland Pfänder
Häufig wurde das Thema Angst beim Tauchen in dieser Rubrik thematisiert. Ich kann dazu eine Geschichte erzählen, die wir vor vielen Jahren erlebten, die aber bis heute nichts an Aktualität verloren hat.
Wir waren eine kleine Clique und noch jung, als wir das Tauchen für uns entdeckten. Die Begeisterung und Faszination für die Unterwasserwelt waren riesig. Wir tauchten viel, hatten in wenigen Jahren einige hundert Abstiege angesammelt und wurden sehr »selbstsicher«.
Unsere Tauchgänge wurden extremer. Wir hielten uns für unverwundbar. Die Steilwände im westlichen Teil des Bodensees waren für uns ein beliebtes Tauchausflugsziel.
Dann fragte eines Tages Manfred, ein Tauchanfänger mit vielleicht zehn Tauchgängen, ob er einmal mit uns dort tauchen könne. Wir sagten zu, und so gingen mein Tauchkumpel Robert und ich mit Manfred vor Überlingen ins Wasser (Fehler 1).
Die Absprache war simpel: einfach runter, und Manfred sollte uns signalisieren, bis zu welcher Tiefe er gehen wollte (Fehler 2). Wir tauchten die schräge Halde entlang, bis im relativ trüben Wasser in 15 Meter Tiefe die Abbruchkante auftauchte.
Die Sicht wurde jetzt besser, und wir waren an der senkrechten Felswand rasch auf 33 Meter Tiefe. Wir hatten auch noch vereinbart, regelmäßig das OK-Zeichen auszutauschen, was bis zu jenem Zeitpunkt auch gut funktionierte.
Als ich mich aber kurz danach wieder nach Manfred umdrehte, war alles anders (Fehler 3). Seine weit aufgerissenen Augen starrten ins Leere, sein total hektischer Atem war deutlich zu hören, und es war unverkennbar, dass er so schnell wie möglich nach oben wollte.
Endlich machten wir dann etwas richtig: Ich klammerte mich an den um sich schlagenden Manfred, um einen unkontrollierten Aufstieg zu verhindern. Ganz langsam tauchten wir dann nach oben, während Robert unsere Jackets entlüftete.
Manfred beruhigte sich wieder, und wir brachten ihn heil an die Wasseroberfläche. Der ganze Tauchgang dauerte keine 15 Minuten.
Schockiert wie wir waren, wurde uns dann langsam klar, dass wir soeben durch Leichtfertigkeit und Missachtung aller Sicherheitsregeln das Leben unseres Tauchpartners Manfred aufs Spiel gesetzt hatten. Es war eigentlich nur pures Glück, dass wir ihn noch rechtzeitig zu fassen bekamen.
Danach änderte sich unser taucherisches Leben. Wir absolvierten zuerst einen Rescue-Kurs, bei dem großes Augenmerk auf die Unfallvermeidung gelegt wird. Eigentlich wurden wir erst dann zu richtigen Tauchern.
Manfred hat bis heute keine Erinnerung an die Schreckensminuten von damals. Er hatte eine intakte Tauchausrüstung und solide Tauchausbildung. Aber durch seine geringe Erfahrung war ihm wahrscheinlich schon beim Erreichen der Abbruchkante mulmig. Bei schlechter Sicht ist es dort im Bodensee ganz schön duster.
Der Blick die Steilwand entlang in die Tiefe machte ihm Angst. Er wusste aus unseren Erzählungen nur zu gut, wie weit es da runtergeht. Und von Angst hin zum panischen Kontrollverlust ist es oft nur ein kleiner Schritt. Doch warum hat Manfred uns sein Unwohlsein nicht mitgeteilt?
Nun, es gibt allgemein eine Hemmschwelle, Angstgefühle beim Tauchpartner anzuzeigen, weil der Betroffene nicht als vermeintlicher Schwächling oder Spaßbremse gelten will. Und irgendwann ist es dann zu spät.
Die meisten Tauchunfälle sind nicht etwa auf die Ausrüstung, Tiere oder Strömungen zurückzuführen. Sondern auf solche Angst- und Panikattacken, die durch falsche Selbsteinschätzung oder wie in diesem Fall durch verantwortungslose erfahrene Tauchpartner verursacht werden.
Fehleranalyse
FEHLER 1:
Unternimmt man als erfahrener Taucher einen ersten Tauchgang mit einem Tauchanfänger, sollte das im Rahmen der Erfahrungs- und Ausbildungsgrenzen des Tauchanfängers stattfinden. Das bringt nicht nur den Vorteil, dass der Anfänger nicht überfordert wird, sondern auch, dass man sich gegenseitig auch unter Wasser kennenlernt. Gerade im Hinblick darauf, dass man sich vielleicht auch traut, gegenüber dem anderen einen Tauchgangsabbruch einzufordern, ist das gegenseitige »Kennen« wünschenswert.
FEHLER 2:
Auch wenn es in der Praxis immer wieder nicht der Fall ist, sollten vor dem Tauchgang die grundlegenden Parameter für die Tauchpartner feststehen oder klar festgelegt werden. Wie tief? Wie lang? Verhalten bei Verlust? Drei kleine Parameter, die das Mindestmaß an Absprache beim Buddyteam darstellen sollten.
FEHLER 3:
Bei solchen »Experimenten« sollte man nach demselben Prinzip verfahren, das auch Eltern mit Kindern beim Radfahren im Straßenverkehr empfohlen wird: Die Kids sollten vorneweg fahren und das im kürzestmöglichen Abstand zu den Eltern. Sprich: Das schwächste Glied in der Kette gibt Richtung/Tempo/Tiefe an. Das hat zusätzlich den Vorteil, dass man beim Tauchen als erfahrener Buddy den Newbie immer im Blick hat und schnell zu Hilfe eilen kann.
SHORTCUT ZUR REDAKTION: SCHREIBE UNS DEINE GESCHICHTE!