TEXT: Nik Linder
Kaltwasser-Gewöhnung wurde bereits mehrfach von mir beschrieben. Denn ich bin ein großer Fan von kaltem Wasser. Warum? Um die Saison so weit auszudehnen, dass man irgendwann die beglückende Erfahrung macht, die Sonne scheint wieder länger und das Wasser wird langsam wieder wärmer.
Wer nicht aufhört zu tauchen, registriert nur am Rande, dass die Wassertemperatur jede Woche nur um einige wenige Grad sinkt. Schwuppdiwupp ist die Wassertemperatur einstellig. Dabei Schnorchelt man noch immer. Dann am besten in einem dicken Neoprenanzug.
Ich nutze einen Sieben-Millimeter-Apnoeanzug und Fünf-Millimeter-Socken und -Handschuhe. Während im Sommer aufgrund der höheren Sonnenaktivität die Apnoe- oder Schnorchel-Übungen einige Stunden dauern können, fallen diese im Winter erheblich kürzer aus.
Wichtig dabei ist, man versucht, vor dem Einstieg ins Kaltwasser warm zu bleiben, indem man den Anzug, sofern möglich, schon zu Hause anzieht oder aber im warmen Auto, um nicht schon von Beginn an zu frieren.
Ein Poncho-Überzieher sorgt dafür, dass man nach dem Tauchen im kalten Wind nicht festfriert. Aus eigener Erfahrung zudem folgender Rat: Der Autoschlüssel sollte schnell auffindbar und einfach zugänglich sein, damit man nach dem Tauchen und mit steifen Fingern zügig an seine warmen Sachen kommt. Kaltwassertauchen hat den großen Vorteil, man muss das Gewässer nicht mit anderen Unterwassersportlern teilen. Denn Tauchen im Winter »geben« sich nur ganz wenige.
Pooltraining
Die meisten ziehen als Übungsterrain jedoch das Schwimmbad vor. Ja okay, es ist langweilig und vorhersehbar, und Kacheln zählen wirklich nicht so prickelnd. Aber gerade darin liegt doch der Reiz.
Wer strickt, joggt, einen Sack Kartoffeln schält, kennt das Gefühl: eine monotone Tätigkeit führt dazu, dass man etwas tut und gleichzeitig zum Nachdenken verleitet wird.
Dazu kommt, wir spüren zwar einen Widerstand beim Gedanken daran, ins Schwimmbad zu fahren, unter der kalten Dusche zu stehen um dann ins »unbarmherzig kalte« Wasser von 26 Grad zu springen. Doch sobald wir die erste Bahn schwimmend hinter uns haben, stellt es sich ein – das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben!
Es ist besser, danach mit gesundem Appetit und gutem Gewissen zu essen, als sich stattdessen mit übrig gebliebenem Glühwein und Lebkuchen vollzustopfen und mit schlechtem Gewissen einen Film auf Netflix zu schauen.
Eine Apnoetrainingsgruppe hilft übrigens ungemein. Wer in einer Gruppe trainiert, kann Apnoeübungen machen und wird dabei durch den Rest der Gruppe gepusht. Gruppenzwang kann auch etwas Gutes haben.
Weltklasse-Athleten wie zum Beispiel William Truebridge bauen ihre Topform für das Tieftauchen durch Pooltraining auf.
Highlights sind natürlich die Ausflüge in ein Indoor-Tauchcenter wie beispielsweise Monte Mare in Rheinbach, Dive4Life in Siegburg, Y40 in Italien, Nemo33 in Belgien, Deepspot in Polen und viele mehr.
Tauchen in wirklich warmem Wasser und sich dabei auf Themen wie Druckausgleich und Basics wie eine energiesparende Abtauchtechnik und viele andere Skills zu konzentrieren, ist zwar theoretischer als bunte Fische gucken, aber nicht minder sinnvoll. Das Pooltraining sorgt dafür, perfekt vorbereitet in die neue Saison zu starten.
Ausdauersport
Tauchen mit einem Atemzug gehört zu den sogenannten Ausdauer-Sportarten. Selbstverständlich sollte die im Winter oft arg vernachlässigte spezifische Muskulatur für das Apnoetauchen trainiert werden.
Das beinhaltet auch ein Krafttraining der Arme und Beine. Hauptsächlich aber gehört ein begleitendes Ausdauertraining und damit einhergehend ein Training der Atemmuskulatur dazu, also Joggen an der anaeroben Schwelle, ein Intervall-Lauf oder auch nur bequeme Waldläufe in einem niedrigen Pulsbereich.
Auch das trainiert die Beine. Und wenn man dabei durch die Nase atmet, wird die einströmende Luft befeuchtet, temperiert und gefiltert. Das Atmen durch diesen engeren Kanal lässt unsere Atemmuskulatur mehr arbeiten.
Wer zusätzlich etwas für seine Atemmuskulatur tun möchte, ist mit Atemübungen aus dem Atemyoga (Pranayama) sehr gut beraten.
Sehr effektiv für das Training der CO2-Toleranz sind übrigens Apnoe-Walks: Dabei läuft man zum Beispiel 50, 75 oder 100 Schritte mit angehaltenem Atem, und anschließend wieder 50 Schritte atmend. Das Ganze wird mehrfach wiederholt.
Aber bitte nur im bequemen »Spazier«-Gang und nicht auf dem Fahrrad oder, wie es einige schlichte Gemüter machen, im Auto: »Wie viel Kilometer schaffe ich in drei Minuten?« Es heißt nicht umsonst unmissverständlich Apnoe Walks und nicht Drives oder Rides oder Runs, was die Unfallgefahr auf ein erträgliches Maß reduziert.
Auf dem Sofa
Ich kenne Sie. Denn ich kenne mich selbst. Und wenn ich den Artikel bis jetzt gelesen hätte, würde ich – das Fleisch ist schwach – auch denken: »Ja, mein Gott! Sofa, Netflix und Glühwein, was kann denn daran schlecht sein?«
Um sich mental auf die neue Saison vorzubereiten, ist dagegen natürlich nichts einzuwenden. Folgende Filme sind dafür klasse: »Octopussteacher« (Netflix), »Jacques«, »Die Tiefseetaucher« (beide auf Amazon), zum 100. Mal »Im Rausch der Tiefe« (Youtube) und vieles mehr.
Natürlich gibt es auch Bücher wie zum Beispiel »Apnoe«, »Apnoe und Meditation« oder »Gesund atmen – fit bleiben« von Bianka und Nik Linder und Phil Simha und Nik Linder. Und schließlich auch das Buch »Apnoetauchen« meiner geschätzten Kollegin Dagmar Andres Brümmer, um nicht nur schamlos nur für mich Werbung zu machen.
Wie Sie wissen, kann man auf dem Sofa noch viel mehr machen, was uns Freude und Wärme in diesen kalten Tagen beschert. Das allererste, was uns dabei einfallen sollte, sind Tauchtabellen. Entweder CO2-Tabellen, bei denen wir zum Beispiel 1:20 Minuten den Atem anhalten und danach einen Atemzug machen.
Das ganze zehn Durchgänge, und nach ungefähr der Hälfte, also dem fünften Durchgang, sollten Kontraktionen entstehen. Kommen diese früher, sollten Sie die Tauchzeit verkürzen. Kommen sie später, entsprechend verlängern.
Wird diese Tabelle mehrmals pro Woche trainiert und mit steigendem Erfolg stetig angepasst, steigt die CO2-Toleranz, und Sie kehren in das Freiwassertraining als unglaubliche(r) CO2-Protz zurück. Ebenso empfehlenswert sind O2-Tabellen, bei denen Sie mit einer moderaten Apnoezeit von zum Beispiel einer Minute beginnen.
Dazwischen immer zwei Minuten atmen und die Apnoezeit jedes Mal um 15 bis 30 Sekunden steigern. »Challengen« Sie sich! Schaffe ich diesen Winter die zwei, drei, vier oder fünf Minuten Apnoe auf der Couch? Wie man zwischen den Tauchgängen richtig atmet, sehen Sie auf.
Die Schmetterlingsübung
War für Sie bisher nichts Passendes dabei? Dann empfehle ich Ihnen die Schmetterlingsübung. Sie müssen dabei nichts tun. Mummeln Sie sich mit möglichst vielen Decken zuhause ein, beenden Sie jegliche Interaktion und Kommunikation mit der Außenwelt.
Verharren Sie in dieser Position und warten Sie, bis der Winter vorbei ist. Wie durch ein Wunder werden Sie dann im Frühling alles von sich werfen und als neues, strahlendes und viel besseres »Ich« erscheinen. Ob das funktioniert, weiß ich nicht. Aber bevor man im Winter nichts macht. >