TEXT: Nikolay Linder
Der Vortrag ist vorüber, die fachlichen Fragen sind gestellt. In meinen Händen, ebenso wie in den Händen der umstehenden Ärzte: ein Feierabendbier oder ein Glas Wein.
Mein Job heute? Einen Vortrag für eine Arzneimittelfirma halten. Auf der Agenda zunächst der Pneumologe, der etwas zu Atemwegserkrankungen und deren Behandlung erklärt.
Und dann ich. Mein Anteil an der Abendgestaltung ist ziemlich dankbar, denn ich kann erzählen, was ich möchte. Ein paar schöne Videos mit Haien und Walen, ein Bezug zu unserem Atemsystem, und die anwesenden Ärzte sind beeindruckt.
Und mir fällt der größte Teil der Aufmerksamkeit zu. »Und was machen Sie sonst so?« kommt irgendwann die Frage in dieser lockeren Anschlussrunde. »Ich bin hauptberuflich Apnoetaucher«, lautet meine in den letzten sechs Jahren tausendfach wiederholte Antwort.
»Kann man davon leben?« So die ebenso tausendfach gehörte und wenn nicht gehörte, dann doch im Gesicht meines Gegenübers abgelesene Frage.
Wie kann man mit Apnoetauchen Geld verdienen ?
Meine »atemlose Selbständigkeit« startete 2016, als ich meinem Partner die Anteile am gemeinsamen Tauchladen und Schmuckstück Tauchcenter Freiburg GmbH verkaufte. Dort war ich bereits seit 2003 Mitarbeiter. Und seit 2005 Geschäftsführer dieses für einen Tauchladen großen Sportgeschäfts mit 600 Quadratmetern Verkaufsfläche.
Die Nervosität unmittelbar vor meinem Ausstieg aus dem Tauchcenter war da, denn ich war ja nicht nur für mich, sondern auch meine Familie verantwortlich. Mit meiner Entscheidung, meine Tauchcenter-Anteile zu verkaufen, endete auch das Angestelltenverhältnis meiner Frau, die dort für Buchhaltung, Warenbestellung und Versand verantwortlich war.
So waren wir nun vollständig von meinen Einkünften als Apnoetaucher abhängig. Vorteilhaft war, dass ich für den Verkauf ein paar Euro bekommen hatte und ich mir in den letzten Jahren bereits einen Namen in der Apnoe-Szene gemacht hatte. Doch wie geht das – sich einen Namen machen?
Den Bekanntheitsgrad erhöhen
In früheren Jahren habe ich Rekorde gebrochen, die sportlich toll waren und in der Apnoeszene auch Beachtung fanden, wie einige deutsche Rekorde im See. Diese haben aber wenig dazu beigetragen, mir abseits dieser kleinen Szene einen Namen zu machen.
Auch wenn mir das Apnoe-Tauchen damals unglaublich cool vorkam, hatte es in der Außenwahrnehmung einen ähnlichen Stellenwert wie Finswimming oder Unterwasser-Rugby. Da ich damals mit meinem Tauchladen von April bis Oktober Saison hatte und sechs bis sieben Tage die Woche meist bis spätabends für meinen Tauchladen arbeiten musste, kam ich erst in den Monaten danach richtig zum Trainieren.
Fit war ich somit erst im Januar oder Februar. Wettkämpfe gab es zu der Zeit keine, aber Eis gab es in den Bergseen der nahegelegenen Schweiz. Und dort waren wir und haben Bilder gemacht. Und irgendwann habe ich dort meinen ersten Apnoe-Rekord gebrochen.
Das Presse-Echo war riesig, und meine Bekanntheit stieg. Die kleine Apnoe-Szene, der ich mich verbunden fühlte, denn hier kannte damals jeder jeden, reagierte zum großen Teil weniger erfreut.
»Warum sich so in den Mittelpunkt drängen mit diesen eigenartigen Rekorden, die mit den klassischen Rekorden, wie sie AIDA definiert, nichts zu tun haben?« Ja, warum eigentlich? Wenn es nur um die eigene Challenge geht, warum sich dann »in die Medien drängen«? Oder überhaupt auf Wettkämpfe gehen? Vielleicht erklärt der zweite Tipp das besser.
Wie erreichst Du Leute, die Du sonst nicht erreichen würdest?
Meine Kunden in meiner Selbstständigkeit kamen zu Beginn aus dem Kundenstamm des Tauchcenters Freiburg. Nach und nach hatte ich einige Interessierte, die meine Apnoe-Tauchkurse, -Events und -Workshops besuchten. Ein kleiner Kreis, der stetig wuchs.
Aber er gab mir nie die Aussicht, irgendwann so groß zu werden, dass man allein davon leben könnte. Dazu kam das Problem, dass sich die gleichen Leute auch Abwechslung wünschten, und man ihnen immer wieder etwas Neues bieten musste.
Es war sehr angenehm, Partner zu finden, die zusätzlich ihren eigenen Kundenkreis ansprachen. Das konnten Tauchshops, Tauchvereine und Fitnesscenter sein, die mich engagierten, um für ihre Kunden Workshops zu geben.
Auch Sponsoren und Partner wie Reiseveranstalter oder Kooperationspartner helfen gut, die Bekanntheit zu erhöhen. Da es leider zu selten Sponsoren gibt, die einen mit Geld »zuschütten«, sind solche strategischen Partnerschaften eine beinahe ebenso gute Lösung.
Dieser Gedanke, »wie erreiche ich Leute, die ich sonst nicht erreiche« beginnt dabei schon bei kleinen Events wie zum Beispiel Yoga und Freediving. In diesem Beispiel bringt die Yogalehrerin ihre Yogis, die schon immer mal was zum Thema Freediving lernen wollten, mit, und ich bringe meine Freediver mit, die etwas über Yoga lernen möchten.
So lernte ich jede Menge interessierte Menschen kennen, mit denen ich dann Kurse und Reisen machte. Meine AIDA-Rekorde im Streckentauchen im See brachten mir zwar Anerkennung in der kleinen Apnoe-Szene, dort aber kannten mich ja bereits alle.
Mit den Guinness-Weltrekorden im Streckentauchen unter Eis haben mich dann sehr viel mehr Menschen außerhalb dieser Szene wahrgenommen. Und die waren und sind noch wichtiger, denn diesen konnte ich das Apnoe-Tauchen in Kursen und Workshops beibringen, während es die meisten in der Szene ja schon beherrschten.
Was macht Dich besonders?
Zu Beginn meiner Apnoe-Laufbahn war alles recht einfach. Es gab nur wenige Instruktoren, und die wenigen wollten ihre Kurse offensichtlich nicht verkaufen. Sie hatten keine Webseite, keinen Social Media-Auftritt und haben so auch keine Kurstermine veröffentlicht.
So wusste niemand von ihnen. Wenn man fast allein auf dem Markt steht, genügt es, einfach gute Apnoe-Ausbildung anzubieten. Ich habe nie verbissen danach geschaut, was ich Besonderes bieten könnte, oder womit sich am meisten Geld verdienen lässt.
Ich habe mit dem Apnoe-Tauchen nach vielen Jahren, in denen ich vor allem wusste, was ich beruflich nicht machen wollte, nun endlich einen Beruf und damit auch eine Berufung gefunden. Ich wusste endlich, was mich interessiert. Und ich habe vor allem das gemacht, was den größten Spaß versprach.
Ich glaube, man arbeitet härter und ausdauernder, wenn man Freude am eigenen Tun hat, weil es sich dann nicht so anstrengend anfühlt. Natürlich freut man sich irgendwann auch über die gut bezahlten Vortragsjobs. Aber Geld allein war nie mein Antrieb. Ich habe mich immer für alle Facetten des Apnoe-Tauchens interessiert: das Naturerlebnis, die Atmung und Entspannung und natürlich die sportliche Herausforderung.
All das habe ich bewusst oder unbewusst immer weiter ausgebaut. Und biete nun ein breites Spektrum an Stressreduktions- und Entspannungskursen in meiner eigenen »Relaqua«-Ausbildungsschiene an, die die Fertigkeiten aus dem Apnoe-Tauchen als Grundlage hat, aber nicht der Leistungssteigerung dient, sondern Tiefenentspannung und Meditation nutzt.
Zudem habe ich großen Spaß am Seatrekking, dem Wandern im und am Wasser. Durch die über die Jahre gestiegene Aufmerksamkeit und die Möglichkeit, darüber zu schreiben, kann ich heute viele Menschen ansprechen. Für mich ist es das Größte, das eigene Wissen und die eigenen Erlebnisse mit anderen in Kursen, Artikeln, Blogs und Büchern zu teilen.
Versuche, glaubwürdig zu sein
In einer Sportart wie Apnoe-Tauchen ist es wichtig, selbst fit und leistungsfähig zu sein. Heute tauche ich nicht mehr auf dem Niveau wie zu meiner aktiven Zeit als Athlet. Aber durch die Reisen und Kurse verbringe ich erheblich mehr Zeit im Wasser als früher.
Das ist nur mit einer gesunden Ernährung, genug Ruhezeiten und einer guten Fitness möglich, was in der Folge auch positive Auswirkungen auf mein Wohlbefinden und mein Immunsystem hat.
In den meisten Tauchverbänden muss man eine einmal gezeigte Leistung, um Instruktor zu werden, nie wieder überprüfen lassen. Wenn ich selbst Instruktoren im Freediving ausbilde, ist es mir wichtig, dass meine Leistungen und meine Fitness nicht nachlassen.
Ich möchte nicht etwas von den Instructor-Kandidaten verlangen, was ich nicht selbst schaffen kann. Nachhaltigkeit ist im Apnoe-Tauchen ebenfalls wichtig. War es früher ein gutes Zeichen, viel in der Welt umherzureisen, bin ich mir meines nicht besonders nachhaltigen CO2-Abdrucks bewusst und versuche heute, nicht mehr so viel umherzureisen, sondern mehr im Nahbereich zu machen.
Mein Bestreben ist es, für das Apnoe-Tauchen und dessen Facetten zu stehen, weshalb ich nicht mehr mit Tauchgerät tauche, obwohl ich auch Tauchlehrer für Scubadiving bin.
Lerne, nein zu sagen
Anfangs erscheint es nicht nur Außenstehenden unglaublich, dass man seinen Tag mit »Luft anhalten« füllen und davon auch noch einigermaßen leben kann. Tatsächlich ist es inzwischen so, dass ich einige Jobs gar nicht mehr annehmen kann, weil sich nicht mehr alle Anfragen bewältigen lassen.
Manchmal bin ich sogar am Überlegen, ob ich mich vielleicht verzettele und mich nur noch auf »Relaqua« konzentrieren sollte. Und gelegentlich muss ich auch den einen oder anderen Traumjob an einem Top-Tauchziel in der Ferne sausen lassen, weil ich ja auch noch eine Familie habe, die mich zwischendurch mal sehen möchte.
Das wichtigste ist aber, dass ich immer noch jeden Tag glücklich aufstehe und mich darüber freue, dass ich gesund bin und eine tolle Möglichkeit gefunden habe, meinen Tag zu verbringen.