TEXT: Nik Linder
»I don‘t like Pooltraining«, sagte Lotta Ericson, Mitinhaberin von Freedive Dahab, einmal zu mir, als ich vor vielen Jahren bei ihr meinen SSI-Instructorkurs meistern durfte. Direkt am Tauchplatz Lighthouse schien sie meine Begeisterung für ein schönes deutsches Sportbecken nicht wirklich zu teilen. Selbstredend lag der Schwerpunkt des Kurses hauptsächlich auf dem Tieftauchen.
Gut für mich, denn mein Schwerpunkt lag immer im Streckentauchen, und vor allem im Tieftauchen hatte ich damals noch einiges zu lernen. Je besser die Leistungen der Topathleten wurden, desto mehr gewann auch das Pooltraining bei den besten Tieftauchern an Bedeutung. Denn die Grundlagenfitness holt man sich im Pool.
Ein Athlet, der schon immer sehr diszipliniert und wissenschaftlich an sein Training herangeht, ist William Truebridge. Mit seinem Weltrekord über 102 Meter im Tieftauchen ohne Flossen im Jahr 2016 schaffte er scheinbar einen Rekord für die Ewigkeit. In seinem Buch »Oxygen« beschreibt der auf den Bahamas lebende Neuseeländer, wie er jährlich für sein Aufbautraining nach Europa zum Schwimmbadtraining reiste, bevor ihm ein Sponsor einen Pool hinter das Haus baute.
Intensität erhöhen
In einer Trainingsgruppe ist die Herausforderung, dass es sowohl fortgeschrittene Taucher als auch Beginner gibt. Damit sich die einen nicht langweilen und die anderen nicht überfordert sind, kann die Intensität bei gleicher Strecke auch dadurch erhöht werden, dass man entweder die Erholungszeit verkürzt, was die CO2-Toleranz erhöht, weil die Atmung nicht ausreicht, um das entstandene CO2 wieder abzuatmen.
Die Tauchgeschwindigkeit wird beschleunigt, was ebenfalls die CO2-Toleranz, aber auch die Laktat-Toleranz erhöht. Mit halb ausgeatmeter Lunge tauchen führt dazu, dass sich die Atemreize unangenehmer anfühlen als mit voller Lunge, und man in der Folge die Atemreize, vollständig eingeatmet, komfortabler wahrnimmt.
Was man allein trainieren kann
Für das Apnoetauchen gilt: »Never freedive alone«, sodass im Fall einer Sauerstoff-Unterversorgung ein Sicherungstaucher zur Stelle ist, der die Atemwege über Wasser hält. Doch für das Apnoetauchen gibt es auch Trainingseinheiten, die allein absolviert werden können. Denn nicht wenigen Freedivern fehlen entweder Traininggruppe oder Tauchpartner, sodass sie andere Wege gehen müssen, um regelmäßig zu trainieren.
Flossenschlag, Wende, Gleitfähigkeit und mehr kann schwimmend an der Wasseroberfläche und somit allein trainiert werden. So manch Schwimmbad-Personal will keine langen Flossen im normalen Schwimmbetrieb. Shortfins aber sind in Schwimmbädern erlaubt und trainieren Muskulatur und Flossenschlag.
Mit langen Apnoe-Flossen kommt man auch mit einem verbesserungswürdigen Stil gut voran. Beim Einsatz von Kurzflossen sieht man eher, ob der eigene Beinschlag einen effektiven Vortrieb ermöglicht.
Aber nicht alles kann an der Wasseroberfläche trainiert werden. So muss zum Beispiel bei der Tarierungskontrolle oder der Wende auch kurz abgetaucht werden. Bei diesen kurzen Ausflügen für einige Sekunden unter Wasser besteht keine erhöhte »Blackout«-Gefahr. Es entspricht dem Eintauchen beim Kopfsprung oder der Tauchphase nach der Wende bei den Schwimmern.
Statik und Zeittauchen
Eine gute Leistung setzt keinen austrainierten Athleten voraus. Wer körperlich und mental gut loslassen kann, ist hier ganz weit vorne. Eine Möglichkeit, Körper und Geist zu entspannen, ist der Bodyscan aus der Achtsamkeitsmeditation. Der Kopf ist damit beschäftigt, den Körper Muskel für Muskel wahrzunehmen und zu entspannen. Automatisches Denken hat dann keinen Platz mehr.
Die Tabelle (s.u.) sollte 8 bis 10 Runden durchgehalten werden können. Nach der Hälfte sollten Kontraktionen/Atemreize entstehen. Kommen sie später – Apnoezeit erhöhen. Kommen sie früher – verkürzen.
Beispiel für eine Warm up/O2-Tabelle
30 Sekunden Apnoe
2 Minuten atmen
60 Sekunden Apnoe
2 Minuten atmen
u.s.w. Diese Tabelle kann so lange
gesteigert werden, wie man kann.
Oder man führt sie bis zu 2/3 der persönlichen Bestleistung, macht vier Minuten Pause und hält danach die Luft an, so lange es geht – Maximalversuch.
Beispiel für eine CO2-Tabelle
1 Minute Apnoe
2 Atemzüge
1 Minute Apnoe
2 Atemzüge
u.s.w. – insgesamt 10 Durchgänge
Auch bei Statik kann der Trainingseffekt verstärkt werden, wenn man die Tabellen nicht voll eingeatmet absolviert. Statik-Training ist zeitaufwändig, und eigentlich ist die Poolzeit zu schade dafür. Daher können diese Tabellen auch allein im Trockenen, zum Beispiel auf dem Sofa gemacht werden.
Je nach Vorliebe kann die Zeit mit Mobiltelefon oder Stoppuhr genommen werden. Zudem gibt es Apps, die die Zeit ansagen. Alternatives Trockentraining sind Apnoe Walks: Bei diesen Spaziergängen wird die Luft für eine bestimmte Anzahl von Schritten angehalten und danach für eine fest definierte Schrittzahl geatmet: zum Beispiel 50 Schritte Apnoe, 50 Schritte atmen und so weiter. Viel hilft hier viel. Körper und Geist lernen Apnoe in Bewegung – ein sehr gutes Training für Strecken- und Tieftauchen.
Pooltraining für das Tieftauchen
Im Winter ist die Verlockung, im See trainieren zu gehen, eher gering. Nicht nur deswegen sind Indoor-Tauchbecken wie das Dive4Life, Deepspot, Y40 oder das Monte Mare in der kalten Jahreszeit gut gefüllt. Doch einige Basics lassen sich auch im Springerbecken eines Schwimmbads in vier bis fünf Meter Tiefe trainieren.
Eine Boje mit Grundgewicht ermöglicht es, den Duckdive und die Orientierung zum Seil zu optimieren. Arbeitet man wieder mit leicht ausgeatmeter Lunge, so simuliert dieses Training einen gefühlt tieferen Tauchgang. Eine beliebte Übung ist das Tieftauchen im Flachwasser:
1. Duckdive mit Orientierung zum Seil – passiv ausgeatmet.
2. Hang/Verweilen auf dem Beckenboden auf fünf Metern Tiefe.
3. Dort wird bis zur gewünschten Tiefe weitergezählt: »sechs, sieben, acht, neun, zehn, elf, zwölf« und dann wieder zurück »elf, zehn, neun, acht, sieben, sechs«.
4. Wenn wir wieder auf fünf Metern angekommen sind, tauchen wir wieder auf. An der Boje erfolgt das Recovery Breathing – dreimalige Ausatmung gegen die Lippenbremse.
Gerade in diesem Setup lassen sich auch Rettungsübungen inklusive Bergung aus dem Becken trainieren, um so im Sommer auch auf »Worst Case«-Szenarien gut vorbereitet zu sein.
Tieftauchen ohne Flossen im Pool
Die folgende Übung simuliert das Tieftauchen ohne Flossen: Taucher 1 taucht ab – Taucher 2 hält sich an dessen Fußfesseln fest. Taucher 1 macht nur den Armschwung und taucht 25 Meter mit dem »Ballast-Taucher 2«. Bei der Wende lässt Taucher 2 los und schwimmt als Safety an der Oberfläche mit.
Taucher 1 kann nun befreit die folgenden 25 Meter tauchen. In dieser Tauchstrecke von 50 Metern simuliert der Taucher 2 auf den ersten 25 Metern den Widerstand, der beim wirklichen Tieftauchen zu Beginn im Bereich des positiven Auftriebs zu überwinden ist.
Ein bisschen Spaß muss sein
Eine Art »Reise nach Jerusalem«: Mehrere Hula-Hoop-Reifen liegen an der Wasseroberfläche. Sie stehen für »Eislöcher« – nur in diesen Reifen darf aufgetaucht werden. Nach und nach werden immer mehr Reifen herausgenommen, sodass man immer weiter tauchen muss, um Luft zu holen. Wichtig ist, dass niemand länger als für ein paar Atemzüge das »Eisloch« blockieren darf.
Plane den Tauchgang – tauche den Plan
Hier ein Wettbewerb im Zeittauchen, in dem nicht automatisch die fortgeschrittenen Taucher gewinnen. Die Teilnehmer sagen, wie lang sie tauchen möchten. Diese angesagte Zeit müssen sie anschließend erreichen. Uhren und Coach-Unterstützunsind dabei verboten.
Die Mindestzeit, die angesagt werden muss, beträgt 50 Prozent der persönlichen Bestleistung. Das heißt: Wer zwei Minuten die Luft anhalten kann, muss mindestens eine Minute + x ansagen. Wer sechs Minuten die Luft anhalten kann, mindestens drei Minuten + x. Wer am nächsten an seine angesagte Performance herankommt, gewinnt.
Zeittauchen mit Störung
Wer auf den Punkt entspannen kann und sich von der Umgebung und deren Geräuschen unabhängig macht, gehört zu den fortgeschrittenen Freedivern. In diesem Statik-Wettbewerb treten zwei Teams gegeneinander an. Dabei wird der Athlet aus dem gegnerischen Team bei seinem Zeittauchversuch rüde gestört. Das Ganze geschieht in erster Linie verbal.
Es können Geräusche, Rufe und Beschimpfungen sein. Auch neben den Athleten ins Wasser schlagen ist erlaubt. Nur berührt werden darf der Gegner nicht. Nacheinander treten alle Teammitglieder einzeln gegen das gesamte gegnerische Team an. Am Ende werden alle Statik-Zeiten addiert, und das Team mit der längsten Zeit hat gewonnen.
Onlinetraining
Eine Trainingsgruppe oder der Tauchpartner animieren einen, auch dann zu trainieren, wenn man den Abend an sich lieber auf dem Sofa verbringen möchte. Doch nicht immer stehen Trainingspartner zur Verfügung. Um frische Impulse für das eigene Training zu bekommen, besteht auch die Möglichkeit, Onlinekurse und Trainings zu besuchen, wie zum Beispiel auf www.patreon.com/niklinder.
Grundlagen-Fitness aufbauen
Um weiter, tiefer und länger zu tauchen, sollte eine Mischung aus CO2– und O2-Training praktiziert werden.
CO2-Training Streckentauchen:
Kombination aus Statik und Dynamik
Bei dieser Übung kombiniert man eine Statik-Zeit mit Streckentauchen, z.B. 1:30 Min. Statik und 25 Meter Streckentauchen.
1. Runde
1:30 min. Statik am Beckenrand. Der Tauchpartner tippt nach den 1:30 Minuten auf die Schulter. Der Taucher dreht sich um und taucht 25 Meter, ohne Luft zu holen.
2. Runde
1 Minute Statik am Beckenrand, dann 25 Meter tauchen und auf der anderen Seite am Beckenrand noch einmal 30 Sekunden Luft anhalten. Natürlich wieder gesichert durch den Tauchpartner.
3. Runde
30 Sekunden Statik, 25 Meter tauchen,
1 Minute Statik, 25 Meter tauchen, 1:30 Minuten Statik.
Um genug Zeit zum Atmen zu haben, wechseln sich die die beiden Buddies nach jeder Runde ab. Dieses Training kombiniert ein mentales Training mit einem CO2-Training. Obwohl die Leistung immer die gleiche ist. Bei 1:30 min. Statik und 25 Meter Dynamik ist es anstrengender, weil der Puls durch die Bewegung erhöht ist, was zu einem höheren Sauerstoffverbrauch führt. Der CO2-Spiegel steigt, und der Atemreiz muss toleriert werden. Statik-Zeit und Dynamik-Strecke müssen an die eigene Leistungsfähigkeit angepasst werden.