TEXT – T.Vigne
Meine Frau und ich, beide langjährige Taucher, wollten im Januar mal die Unterwasserwelt der Kanaren erkunden, um der Kälte in Österreich zu entrinnen. Kurz zu mir: Bald 50, Taucher seit 30 Jahren mit mehrjähriger Tauchpause von 2004 bis 2012, seit 2014 PADI Divemaster mit knapp 500 TG. Letzter Tauchgang vor der Reise war im September 2023 im Indischen Ozean. Da ich seit langem mindestens einmal im Jahr tauche und dabei einiges erlebt habe, zähle ich mich zu den erfahrenen Tauchern.
Der Plan
Ausgewählt wurde von uns Costa Calma auf der Insel Fuerteventura, dort einfachheitshalber ein All Inclusive Hotel. Recherchen im Internet hatten gezeigt, dass zu unserer Reisezeit Engelshai-Saison war, ein Punkt für die imaginäre Tauchsichtungs-Checkliste. Zwei Tauchtage waren für mich eingeplant, denn meiner Frau waren die 20 Grad Wassertemperatur zu kalt.
Nach der Ankunft im Hotel wurde die Tauchbasis kontaktiert, eingecheckt und vereinbart, dass am Montag als erstes ein Blei-Checktauchgang stattfinden sollte. Darauf folgte am Nachmittag der nächste Tauchgang am »Lighthouse« in Morro Jable. Eine tolle Möglichkeit für Engelshai-Sichtungen. Die beiden anderen Tauchgänge planten wir für Donnerstag, beide am Lighthouse.
Die Tauchgänge
Der erste Tauchgang am Montag auf zehn Meter Tiefe in einer kleinen Bucht verlief reibungslos. Die Bleimenge passte und wurde für die restlichen Tauchgänge optimiert. Dann kam der zweite Tauchgang: Der Weg zum Meer gliederte sich in drei gleiche Teile: ein Holzsteg, eine Strecke, die durch oberschenkelhohes Wasser führte und der Weg über den Sandstrand bis hin zum Atlantik. Kein einfacher Start für einen Tauchgang.
Danach kamen die Wellen. Der Einstieg funktionierte, der Tauchgang war gut, der Ausstieg auch. Also alles gut. Um den folgenden Vorfall verständlicher zu machen, muss ich vorab etwas auf den Mittwoch und die restliche Woche eingehen: Die ganze Woche plagten mich bereits Zahnschmerzen wegen einer vorangegangenen Zahnwurzelbehandlung, die ich mit »Parkemed« und »Ibuprofen« unterdrückte.
Und dann das alkoholische Alles-Inklusive-Angebot im Hotel. Selbstverständlich trinke ich vor und zwischen den Tauchgängen keinen Alkohol. Der Mittwochabend war aber dann doch »flüssiger«. Das Wetter am Tauchtag war fast schon zu warm. Alles schien perfekt für zwei aufeinanderfolgende Tauchgänge.
Unser Plan war ein »double tank dive«: erster Tauchgang, 60 Minuten Oberflächenpause, zweiter Tauchgang. Wir legten unsere Ausrüstung an. Nur der Diveguide und ich waren am Tauchplatz, was den Guide automatisch zu meinem Buddy machte. Am Leuchtturm wurde der Buddycheck ordnungsgemäß durchgeführt, und wir begannen unseren Marsch über den Steg, durch Wasser und Sand.
Am Wasser angekommen, sahen die Wellen höher aus als beim Tauchgang davor. An dieser Stelle zog ich mir die Kopfhaube über, und wir machten eine kleine Verschaufpause.
Fehler 1 (vom Leser selbst analysiert): Vor dem Einstieg so weit wie möglich fertig machen, Atemregler in den Mund, Jacket etwas aufblasen, mit dem Buddy gemeinsam und unterstützend einsteigen. Ist eine Kamera mit dabei, diese an der Ausrüstung befestigen. Vorab hätte das optimale Vorgehen beim Wellen-Einstieg besprochen werden sollen.
Beim Einstieg ins Wasser hielt ich in der linken Hand meine Flossen und in der rechten Hand Maske und Kamera. Diese war nicht an meiner Ausrüstung befestigt. Und mein Jacket war auch nicht mit Luft gefüllt. So gingen wir in Richtung Wellen. Ein paar Meter weiter warteten wir die hohe »7. Welle« ab.
Dann ging es zügig ins Meer, der Diveguide ein paar Schritte vor mir. Plötzlich erhob sich vor mir eine Welle, die deutlich größer war als ich und brach direkt vor mir. Ich wendete mich noch schnell um, damit meine Flasche zuerst getroffen wurde und stellte meinen rechten Fuß weiter nach vorn, um damit einen besseren und stabileren Halt zu erzielen.
Umsonst! Die Atlantikwelle begrub mich. Ich befand mich inmitten einer Waschmaschine und wusste nicht, wo oben und unten war. Meine Flossen, Maske und Kamera immer noch in der Hand. Ich öffnete unter Wasser die Augen. Und sah nichts. Nach einer gefühlten Ewigkeit, es werden dennoch nur ein paar Sekunden gewesen sein, ragte mein Kopf kurz aus dem Wasser, und ich konnte Luft holen.
Dabei sah ich, dass bereits die nächste Welle auf mich zurollte. Jedoch spürte ich jetzt Boden unter mir. Als die Welle kam, versuchte ich mich nur um 180 Grad zu drehen und stabil mit dem Kopf unten zu bleiben, um mich am Ende zumindest auf den Knien aufrichten zu können, was mir auch gelang. Meine Flossen, Maske und Kamera immer noch fest verkrallt in den Händen.
Warum ich hier jetzt nicht zumindest die Flossen losließ, kann ich nicht sagen. Jetzt spürte ich auch eine helfende Hand. Es war die des Diveguides. Ich hörte meine beiden Atemregler abblasen und schleppte mich nahezu völlig entkräftet zum Strand. Dort versuchte ich das gerade Erlebte zu verarbeiten und bat um eine längere Pause.
Als ich mich etwas erholt hatte, änderten wir den Einstieg und den Plan. Ich hatte jetzt auch nur noch 150 bar in der Flasche. Der folgende Tauchgang verlief dann problemlos. Den »double dive«-Plan hielten wir am Laufen, und es gab nach der Oberflächenpause noch den zweiten Tauchgang, bei dem ich aus den Erfahrungen des ersten Tauchgangs bereits lernte: also Maske aufsetzen, Jacket aufblasen, Atemregler im Mund, nahe am Buddy bleiben und unter den hohen Wellen gemeinsam durchtauchen/in die Hocke gehen.
Das alles funktionierte jetzt einwandfrei. Dennoch hätte ich den gesamten Tauchtag lieber abblasen sollen. Denn etwa 1,5 Stunden nach dem zweiten Tauchgang machten sich bei mir erste DCS-Symptome bemerkbar: Kribbeln am Bauch, oberhalb und seitlich des Bauchnabels inklusive marmoriertem Hautausschlag.
Nicht das erste Mal für mich, denn ich hatte ähnliche Symptome bereits vor über 20 Jahren in Thailand und wusste daher, was zu tun ist. Auf 100 Prozent Sauerstoff konnte ich auf Fuerte nicht zugreifen, da die Zwei-Mann-Tauchbasis gerade geschlossen war. So musste ich mich auf Ruhe und elektrolytische Getränke verlassen.
Wären die Symptome schlimmer geworden oder länger geblieben, hätte ich so schnell wie möglich einen Arzt konsultiert. Sie verschwanden aber wie erwartet rasch wieder. Der Rückflug am Samstag verlief problemlos. Meine Tauchärztin wird nach der Ankunft informiert. Wenn nötig, lasse ich mich dann genauer untersuchen.
Fehler 2 (vom Leser selbst analysiert): Die Summe machte es wahrscheinlich aus. (Über-)Anstrengung vor den Tauchgängen, zweimal mit Luft (kein Nitrox) auf 20 Meter Tiefe mit kurzer Oberflächenpause, Alkohol am Vorabend, Medikamenteneinnahme, kühleres Meerwasser, Fettgewebe um den Bauch, höheres Alter. Und der zweite Tauchgang war drei Meter tiefer als der erste. Nur tauchen, wenn man sich wohlfühlt! Zwischen und vor den Tauchgängen habe ich über zwei Liter Wasser getrunken. Das mache ich so seit meiner Thailand-Erfahrung.
Fazit aus redaktioneller Sicht: Grundlegend wurden die Fehler richtig und selbstkritisch analysiert. Auch aus unserer Sicht wäre es sinnvoll und gesünder gewesen, den »Unfall«-Tauchtag komplett zu stornieren. Fitness, Stress sowie die Vorbelastungen (Alkohol am Vorabend, Medikamenteneinnahme) legen dies nahe. Ja, mit 500 Tauchgängen in verschiedenen Gebieten und einer Divemaster-Ausbildung darf man sich als erfahrenen Taucher bezeichnen. Das schützt einen jedoch nicht vor einem der größten Fehler im Tauchsport, der Selbstüberschätzung. Daher ist die eigene kritische Beleuchtung in diesem Beitrag für eine lange Zukunft dieser Tauchkarriere sicher zuträglich.
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