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Die verborgenen Schätze von Koh Lipe – gefährdete Traditionen

Das Volk der Urak Lawoi teilt das Schicksal indigener Gruppen, deren traditionelle Lebensweise gefährdet ist.

Prelević Miloš

TEXT: Prelević Miloš

In den türkisfarbenen Gewässern Südthailands sticht Koh Lipe hervor – eine kleine Insel mit weißen Sandstränden. An der Grenze zu Malaysia gelegen, besitzt sie eine »Kultur«, die sich vom Rest Thailands unterscheidet. Neben ihrer faszinierenden Unterwasserwelt ist Koh Lipe die Heimat der Urak Lawoi, einer Volksgruppe, die traditionelle Tauch- und Fischerei-Techniken praktiziert und damit das Interesse von Touristen und Tauchern weckt.

»Ungläubiges Seevolk«

Die flache Insel wird von den Urak Lawoi bewohnt, die auch als Chao Lay oder »Seenomaden« bekannt sind, einer Minderheitengruppe in Thailand. Sie sprechen einen Dialekt ohne Schriftform, der aus der austronesischen Sprachfamilie stammt. Man nimmt an, dass sie von den »Orang Laut Kappir« (»ungläubiges Seevolk«) aus Langkawi in Malaysia abstammen, die ins Exil geschickt wurden, weil sie den Islam ablehnten und daraufhin einen nomadischen Lebensstil annahmen.

Um 1900 ließen sie sich auf der Insel Koh Lanta nieder, wo sie To Kiri, einen indonesischen Abenteurer, kennenlernten. To Kiri half ihnen bei der Übersiedlung in den Adang-Archipel und besorgte für die britischen Kolonisten offizielle Dokumente, die die thailändische Besiedlung belegen sollten. Dies führte dazu, dass die Inselgruppe bei der Grenzziehung im Jahr 1909 Teil Thailands wurde. To Kiri wurde zu einer bedeutenden Persönlichkeit in der Geschichte der Urak Lawoi und zum Oberhaupt von Koh Lipe ernannt.

Einzigartige Fangmethoden

Ihre Kultur, ihre Zeremonien und ihre Lebensweise sind zwar sehr faszinierend. Doch was die Aufmerksamkeit vor allem von Tauchern auf sich zieht, ist ihre Art des Fischfangs. Nichts für schwache Nerven! Neben konventionellen Techniken setzen die Urak Lawoi beim Fischfang auch teilweise biologisch abbaubare Reusen ein. Das hochflexible Holz, das sie verwenden, eignet sich perfekt für die Herstellung dieser Reusen, die einen Rahmen bilden, der von einem Netz umgeben ist, das einen Trichter enthält, durch den die Fische eindringen – jedoch nicht wieder hinaus können.

Die Welt um die Urak Lawoi herum hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verändert. Die Fangmethoden, mit denen sie fischen, jedoch nicht. Reusen werden an exponierten Stellen im Meer ausgesetzt, verankert und später »auf spektakuläre Weise geerntet«.

Wichtig ist, dass diese Fallen hauptsächlich aus biologisch abbaubaren Materialien hergestellt werden, was ihre Auswirkungen auf das marine Ökosystem minimiert, wenn sie entsorgt werden. Das Aussetzen und Einholen dieser Fallen ist »beängstigend«.

Wenn der Halbmond über der Insel steht und die entsprechenden Strömungen anzeigt, ist es Zeit, sich auf die Jagd zu begeben. Frühmorgens laden die Fischer ihre Ausrüstung auf die Boote und machen sich auf den Weg zum Rand des Adang-Archipels. Die Farbe des Meeres wechselt rasch von hell zu dunkel.

Und während das Boot durch die Wellen schneidet, wird der Kontrast zwischen Koh Lipe und den dominierenden Inseln Adang und Ravi deutlich. Schöne grüne Wälder krönen die Hügel, die sich über dem Meer erheben. Nach einer Stunde erreicht das Boot die letzte Insel des Archipels: Sarang.

Sturz in die Tiefe

Das Geräusch des Kompressors gesellt sich zum Dröhnen des Bootsmotors und versorgt die Seenomaden mit Luft für ihre Unterwasser-Aktivitäten. Zwei befestigen Schläuche an ihren Tauchmasken, zudem Gewichte an ihren Körpern und tauchen ins dunkle Wasser ein. Nach 20 Metern im freien Fall in die Andamanensee haben sie den Grund erreicht und suchen nach ihren Fischfallen.

Die Schläuche, die durch den langen Gebrauch im Salzwasser ramponiert sind, zeigen Abnutzungserscheinungen. An vielen Stellen treten Blasen aus. Ein Fischer läuft mühelos mit einem großen Eimer über den Meeresgrund, während sich ein anderer einen Stein schnappt, um sich das Laufen auf dem Meeresboden zu erleichtern.

Wenn sie eine Falle entdeckt haben, arbeiten sie zusammen: Einer entfernt die Steine, die die Falle festhalten, während der andere den großen Eimer anbringt, der die mit Fisch gefüllte Falle an die Wasseroberfläche hebt. Sobald sie auf dem Boot sind, holen sie den Fang heraus. Durch diese selektive Fangmethode wird sichergestellt, dass unerwünschte Fische nahezu unbeschadet ins Wasser zurückgesetzt werden. Reusen, in denen sich nicht die gewünschte Fischart befindet, werden unter Wasser geöffnet, der Fisch freigelassen.

Lohn der Mühen

Leider gibt es neben den Vorteilen dieser Fangtechnik auch Risiken. Um ihre Ausbeute zu maximieren, tauchen die Urak Lawoi manchmal bis zu 20 Mal am Tag ab und riskieren dabei wegen der Schlauchatmung Dekompressionschäden. Denn bei jedem Tauchgang in die Tiefe nimmt der menschliche Körper so Stickstoff auf. Beim schnellen Auftauchen besteht die Gefahr, dass sich im Körper Gasblasen bilden.

Im schlimmsten Fall laufen die Seenomaden daher Gefahr, ihr Leben zu verlieren. Oder, mit Glück, einen geringeren Grad an Beeinträchtigung zu erleiden. Ihr Lohn schwankt je nach Fangmenge, doch sie stellen schon seit langem einen Rückgang der Fischpopulationen fest. Und sie sind auch nicht in der Lage, mit modernen großen Trawlern zu konkurrieren, die mit Sonar ausgerüstet sind und nicht nur Fische orten, sondern auch alles auf ihrem Weg zerstören. Den Urak Lawoi bleibt hier nur die Aufgabe, nach der Zerstörung durch die Trawler das Unheil wieder zu reparieren.

Große Fischschwärme gibt es nur noch selten.

Blick in die Zukunft

Der Adang-Archipel liegt im Tarutao-Nationalpark, in dem eines sicher ist: Das unschätzbare Wissen der Urak Lawoi bleibt ungenutzt. Diese Fischer, die einen tiefen Einblick in die Unterwasserwelt des Adang-Archipels haben, sind täglich in den Gewässern unterwegs und kommen dabei selbst mit geschützten und seltenen Meeresbewohnern in Berührung. Möglicherweise, ohne es zu wissen.

Ihre Expertise und ihre ständige Präsenz vor Ort müssen genutzt werden, um die Fischbestände des Adang-Archipels besser enzuordnen und zu erhalten. Die Zukunft des Umweltschutzes liegt darin, den Seenomaden eine alternative Einkommensquelle zu bieten, indem man sie für den Naturschutz einsetzt. Das würde für sie und ihre Familien einen langfristigen, nachhaltigen Lebensunterhalt sichern.

Die Zukunft der Urak Lawoi ist ungewiss. Sterben die Fanggründe um sie herum, wird auch ihre einzigartige Kultur für immer verloren gehen.