Jetlag hin oder her – so schön kann es selbst auf Wolke Sieben kaum sein. Exakt vier Lichter der Zivilisation sind über der Halmahera-See zu sehen, und der Mond lässt den schneeweißen Strand ebenso erstrahlen wie die endlosen Regenwälder auf den Bergketten der umliegenden Inseln. In der Ferne unterbricht das Rattern eines Außenborders die Klangkulisse des Dschungels, und kurz darauf biegt das unverkennbare sonnenblumengelbe Kajütboot um die Westspitze von Pulau Kusu.
Die sprichwörtlichen Bordsteine im Nabucco Spice Island Resort wurden also doch noch nicht hochgeklappt. Manager Kurt Gehrig marschiert bereits den zwei tropfenden Nachtschwärmern entgegen. »Habt Ihr endlich einen Walking Shark gehabt?« fragt der Schweizer. »Nee, aber dafür eine schlafende Schildkröte, völlig abgedrehte Krabbelviecher und einen dicken Barsch«, folgt die Antwort. »Also, Euer Wunschfisch«, sagt Kurt und leuchtet mit der Lampe ins kaum knietiefe Wasser neben dem Steg – »der kriecht genau hier auf seinen Brustflossen herum.« Beide Fotografen sind beinahe so schnell zurück im Wasser wie ein Kormoran im Sardinenschwarm.
Reizüberflutung
Der erste Tauchgang am Hausriff könnte getrost auf Schnorcheltiefe beschränkt sein, so atemberaubend ist der Anblick der pulsierenden Unterwassergärten selbst im flachsten Wasser: Kerngesunde Tisch- und Geweihkorallen wechseln sich über hunderte Meter Strecke mit bunten Schwämmen, filigranen Salatkorallen, kleineren Gorgonien und Lederkorallen ab, und Wolken smaragd- und rubinfarbener Riffbarsche tanzen in der leichten Dünung auf und ab.
Am Fuße des für hiesige Verhältnisse steil abfallenden Hangs wird die filigrane Korallenpracht von kahlen Flächen und mit Schwarzen, Weich- und Peitschenkorallen bewachsenen Canyons und Überhängen abgelöst, zwischen denen Süßlippen, Schwärme von Füsilieren und Schnapper umherziehen. Der eine oder andere Schwarzspitzen-Riffhai oder Büffelkopf-Papageifisch lässt sich zwar auch dort unten auch blicken. An der 200 Meter weiter draußen liegenden Boje, deren Leine zu einer Untiefe in 18 Meter Tiefe führt, sind sogar kleine Rudel dieser Tierchen an der Tagesordnung, ebenso ein standorttreuer Doktorfisch-Schwarm, Langusten-Wohngemeinschaften und Besucher oder andere Stachelrochen und Napoleons.
Auf die 360-Grad-Rundumblick-Augen des Fangschreckenkrebses, den Guide Eric aufstöbert, kann man nur neidisch sein: Wo hinschauen, was fotografieren, wenn in jedem Winkel das Leben tobt?
2005 identifizierte der renommierte australische Fischzoologe Gerry Allen in 37 Tauchstunden an 28 Plätzen der Region nicht weniger als 803 Fisch- und 378 Korallenspezies, was Halmahera neben Raja Ampat zum artenreichsten Tauchrevier Indonesiens adelt. Auch wenn es hier und da Schäden durch Dynamitfischer und marginale Korallenbleiche gibt, spielen fast alle Riffe in der Bacan-Meeresstraße auf halber Strecke zwischen Sulawesi und Papua in der Champions League – aber zwei Top-Spots in Sichtweite der Strandbungalows schreien nun mal förmlich nach Spontanbetauchung.
»Wenn es nach vielen Gästen geht, könnten wir auch ständig am Hausriff und an der Boje tauchen«, bestätigt Kurt grinsend. Nach vier Dekaden Taucherei und zehn Jahren Basis- und Resortleitung für die Extra Divers im Oman, Ägypten und im Maratua-Atoll ist der wortwörtlich mit den allen Wassern der Sieben Meere gewaschene Schweizer seit 2022 mit seiner Partnerin Iris auf Pulau Kusu heimisch geworden.
Neue Heimat
Die jüngste Asien-Dependance von Extra Divers ist indes kein luxuriöser Wellness-Tempel mit Pool, Spa und Privatbutler, wie man vielleicht vermuten könnte. Sondern ein überschaubar gemütliches Tauchresort, dessen 16 Bungalows sich über 200 Meter am Strand entlang erstrecken. Bootsanleger, Badestrand, Tauchbasis und Restaurant trennen keine fünf Gehminuten, sodass der vergessene Tauchcomputer nicht weiter ins Gewicht fällt. Auf Segnungen der Zivilisation wie Warmwasser, Starlink-Internet, Klimaanlage, 24-Stunden-Strom und Nitrox muss auch in der zauberhaften Einöde der Nord-Molukken niemand verzichten.
Im familiären Resort dreht sich alles um die Taucherei, sodass es erfrischend zwanglos und persönlich zugeht. Neue Gäste werden, sofern nicht anders gewünscht, zum Drei-Gänge-Menü direkt an den Gruppentisch gebeten, und anschließend sitzt man an der Bar beisammen und schmiedet Pläne für den nächsten Tauchtag. Unkomplizierter geht es nicht.
Wildwasser
Dass der Tauchbetrieb zeitlich flexibel, ja fast auf Zuruf gestaltet wird, ist nicht nur Gemütlichkeit und der Tatsache geschuldet, dass die meisten Plätze eh innerhalb einer Viertelstunde erreicht sind, sondern auch den Strömungsverhältnissen: Pulau Kusu liegt zwischen den großen Inseln Halmahera und Bacan in einem Nadelöhr, durch das gewaltige Wassermassen rauschen und für gesunde Korallen und reichlich Nahrung sorgen.
Speziell an den ersten fünf Tagen nach Neumond erinnert der Blick in die strudelig-schäumenden Fluten an Vater Rhein. Neptun sei Dank aber meist bei Sichtweiten um die 30 Meter. Weil das Resort über drei robuste Kajütboote verfügt, werden passionierte Strömungstaucher, die im Vorbeiflug einen wahren Biomasse-Hagel aus Schwärmen von Wimpelfischen, Füsilieren und Rotzahn-Drückerfischen mit umherschwirrenden Schwarzspitzen-Riffhaien genießen, ebenso zufrieden gestellt wie überzeugte Unterwasser-Tagträumer mit strömungsarmen Plätzen.
Genug für Wochen
Mut zur Lücke: Tiefe Steilwände und Außenriffe warten in der kaum erschlossenen Region mit gerade einmal vier Tauchresorts nach wie vor auf ihre Entdeckung, sodass Begegnungen mit ozeanischem Großgetier à la Manta, Hammerhai und Mondfisch die Ausnahme bilden. Ansonsten gibt es zwischen den knapp 400 Inselchen so ziemlich alle Biotope, die Südostasiens Gewässer nur bieten.
An vielen Stellen gehen die Klarwassermangroven nahtlos ins Riff über, und die betauchten Plateaus und Kanäle unterscheiden sich trotz ähnlicher Topografie deutlich in Farben, Bewuchs und Artenzusammensetzung.
Beinahe jeder Platz verfügt über Alleinstellungsmerkmale: Zwei-Meter-Gorgonien, kilometerlange makellose Geweihkorallenfelder, Weichkorallen in allen Regenbogenfarben, oder auch reiche Bestände von Pygmäen-Seepferdchen, die mit drei Arten – bargibanti, pontoi und denise – vertreten sind und oft schon im Zehn-Meter-Bereich in Fächern und Algen der Strömung trotzen.
Makroversum
Die räumliche Nähe zu Ambon und Lembeh legt es nah: Kleinvieh-Liebhaber sollten extragroße Speicherkarten kaufen. Zu klassischen Riff-Makromotiven wie Geistermuränen, Schaukelfischen, diversen Nacktschnecken, Grundeln und Krabben gesellen sich exotische Bewohner geschützter Buchten mit Kiesgrund und schlammigen Sandflächen voller Halimeda-Algen, zwischen denen sich Geisterfetzenfische und seltenere Nacktschnecken wie die photosynthesefähige Blattschafschnecke alias »Shaun das Schaf« tummeln.
Noch mehr gemütlich ergiebiges Gründeln nach Karpfen-Manier versprechen die Vulkansandflächen rund um die Dorf-Stege und – allen voran – der »Magic Jetty« von Penambuan. Die Tagestour per Boot und Auto führt vorbei am Ankunftsflughafen Labuhan zu einem völlig schmucklosen und komfortbefreiten Einstieg am Hafen, der aber zu einem Platz führt, der auf seine Weise in Asien einzigartig ist und gleich drei völlig unterschiedliche Tauchgänge ermöglicht: Nur hundert Meter vom Ufer entfernt streift ein standorttreuer, aber scheuer Zwei-Meter-Riesenzackenbarsch mitsamt kleinerer Verwandtschaft um das Wrack eines kleinen Fischerboots in 25 Meter Tiefe.
Bei der eigentlichen Attraktion, dem 50 Meter langen Pier, ist es zwar nicht ganz klar, ob es die vertäuten ausrangierten Frachter sind oder die mit bunten Schwämmen und Korallen bewachsenen rostigen Pfeiler, die den Steg noch aufrecht halten. Doch gleicht das von Lichtbündeln durchflutete Schattenreich einer kleinen Kathedrale, in der Makrelen, Barrakudas und Fledermausfische Schutz suchen.
Für das Stöbermanöver zwischen Schutt, Zivilisationsmüll, Sand und Sockeln können Fotografen durchaus mehr als eine Stunde einplanen: Barramundis, Schnepfenmesserfische, Korallenwelse, Flughähne, große Seepferdchen, Schaukelfische, diverse Garnelen- und Muränen-Arten sowie riesige Steinfische sind nur einige der Untermieter des Piers.
Nach einer kurzen Kostprobe der lokalen Küche und eiligst eingekauften Muskatnüssen – Halmahera bildet schließlich das Nordende der Gewürzinseln – sind die nitroxschwangeren Tagestouristen üblicherweise gerade noch rechtzeitig zurück im Nabucco Spice Island Resort, um beim Sonnenuntergang den Mangrovenkrabben beim Buddeln im Sand zu lauschen oder am Waldrand nach Pythons in den Bäumen zu stöbern.
Der Zukunft entgegen
Beim Abendessen folgt auf die Tagesexpedition mit ziemlicher Sicherheit der Ausblick auf Nachschlag: »Wir haben schon Positionen eines anderen Wracks und wissen, wo Dugongs leben«, verrät Großfischfan Kurt, der am liebsten eher heute als morgen auf die Suche nach Seeberg, Tigerhai & Co. gehen würde. Schließlich erreicht das Seegebiet hier jenseits der flachen Riffe schnell drei- bis vierstellige Tiefen, weshalb sich dann und wann auch mal ein Wal in die Batinti Strait verirrt.
»Wenn die Gäste Interesse haben, sind wir immer zu Abenteuern bereit. Wenn jemand etwa Blackwater-Tauchgänge machen möchte, werden wir das schon möglich machen.« So abgelegen Halmahera heute auch noch anmutet: Vielleicht sollte man diese Traumreise nicht aufschieben, bis die Reviere erschlossen sind, und sich die Zahl der Tauchresorts verdoppelt hat. Vor 20 Jahren galt bekanntlich auch Raja Ampat als letzte wilde Grenze Indonesiens.
Reiseinfo: Nabucco Spice Island Resort / Halmahera / Indonesien
Anreise
Langstreckenflug mit Singapore Airlines nach Manado (mit Zwischenübernachtung auf dem Hinweg) und Inlandsflug nach Labuha mit zweistündigem Bootstransfer ins Resort. Alternativ: Flug nach Manado via Jakarta (mit Zwischenübernachtung).
Unterkunft
Im Nabucco Spice Island Resort stehen 16 Strandbungalows für je zwei Personen (Zustellbett auf Anfrage) zur Verfügung, jeweils mit Veranda mit Liegestühlen, geräumigem Bad mit Warmwasser, biologisch abbaubarem Shampoo und Duschgel, und Wohnraum mit Klimaanlage, Ventilator, Safe, 220-Volt-Steckdosen (Strom rund um die Uhr), Kühlschrank mit Minibar und täglich aufgefülltem Trinkwasser und Wasserkocher mit Tee/Kaffee. Die vier Deluxe-Bungalows sind mit Espresso-Maschine und Kingsize-Bett ausgestattet. Bei jeder A-la-carte-Mahlzeit (drei Gänge) im offenen Restaurant stehen drei Gerichte (auch Veggie) zur Auswahl. Stabiles Starlink-WiFi in Restaurant, Bar, Tauchbasis und den nahe gelegenen Bungalows.
Tauchen mit Extra Divers
Täglich werden mindestens zwei Tauchgänge mit drei robusten Kajütbooten von den Extra Divers durchgeführt (keine Doppeltank-Ausfahrten). Weitere Tauchgänge, auch Nachttauchgänge, sind jederzeit auf Wunsch möglich. Eine Mindestteilnehmerzahl von vier Gästen gilt nur für Tagestouren zum Magic Jetty in Panambuang. Nitrox, Leihausrüstung und 15-Liter-Tanks stehen gegen Aufpreis zur Verfügung, Sauerstoff für Notfälle ebenso. Aufgrund der Abgeschiedenheit – die nächste Dekokammer befindet sich in Manado – ist eine Reisekranken- und Tauchversicherung obligatorisch.
Preisbeispiel
Zwölf Nächte in einer Strandvilla im Nabucco Spice Island Resort bei Doppelbelegung mit Halbpension, eine Nacht im Hotel in Manado bei der Anreise, inklusive Langstreckenflüge mit Singapore Airlines nach/ab Manado und Inlandsflüge sowie Transfers kosten ab 3319 Euro pro Person. Zehn Tauchgänge (Flasche, Blei und Boot) kosten pro Person ab 415 Euro.
Weitere Infos
www.extradivers-worldwide.com
Buchungskontakt
Reisecenter Federsee
www.reisecenter-federsee.de
[email protected]
Telefon: 07582-9320790