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Tier-Emotionen unter Wasser einfangen – Tipps vom Profi

Bilder sagen mehr als tausend Worte. Das findet auch unser Profi-Fotograf und zeigt dies am Beispiel eines Seelöwen-Bullen, der auch einen kleinen Mangel haben darf.

Martin Strmiska

Der effektivste Weg, Emotionen zu erzeugen, ist eine Geschichte mit Wow-Effekt. Das Herzstück unserer Geschichte wird durch unser Motiv repräsentiert. Die eigentliche Umsetzung umfasst sowohl das Motiv als auch die Anwendung der passenden Fototechnik mit den passenden Tools und Effekten.

Wir Fotografen sind Regisseur und Ausführende zugleich. Je aussagekräftiger die Geschichte ist, desto leichter ist es, den Wow-Effekt zu erzeugen. In manchen Fällen ist die Geschichte so stark, dass selbst kleine Fehler in der technischen Qualität den Gesamteindruck nicht trüben.

Im Gegenteil. Kleine Unzulänglichkeiten zeigen die Schwierigkeit und beweisen, wie nah man an der Perfektion ist. Wenn Sie eine starke Geschichte gefunden haben, hören Sie auf Ihre Intuition und tun Sie alles, um diese Geschichte lebendig zu machen. Manchmal bedeutet das, einen privaten Diveguide zu bezahlen. Ein anderes Mal bedeutet es, einen Tauchgang auszulassen und stattdessen zu schnorcheln. So musste auch ich, als ich einen männlichen Kalifornischen Seelöwen in der Sea of Cortez fotografieren wollte, einen privaten Guide bezahlen und den gesamten Tauchgang an einem Ort verbringen.

© Martin Strmiska – Der Kalifornische Seelöwe (Zalophus californianus) ist eine Ohrenrobbe, die an den nordamerikanischen Küsten des Pazifiks verbreitet ist.

Sammeln Sie Informationen

Um ein Szenario vorzubereiten, müssen Sie so viele Infos wie möglich sammeln. Dazu gehören biologische Kenntnisse und technische Aspekte. Sprechen Sie mit einer erfahrenen Person, zum Beispiel einem lokalem Tauchguide oder Fotograf, und beurteilen Sie selbst, ob die Infos relevant sind oder nicht. Vor allem, wenn Sie mit potenziell gefährlichen Tieren zu tun haben, müssen Sie das Risiko abschätzen, das Sie bereit sind, einzugehen. Das Letzte, was Sie wollen, ist eine negative Überraschung.

Machen Sie einen Plan

Männliche Seelöwen spielen nicht mit Menschen. Sie kümmern sich nur um ihr Revier, ihre Weibchen (bis zu 15) und ihr Futter. Ihr Revier hat mehrere Zonen, in denen sie Eindringlinge mit unterschiedlichen Methoden behandeln. Während für ihr Stück Land eine Null-Toleranz-Regel gilt, können Fremde in den umliegenden Gewässern bis zu einem gewissen Grad geduldet werden.

Um die Interaktion mit einem Seelöwen-Bullen zu ermöglichen, muss man die Grenzen der freien Zone überschreiten und das Risiko eines Angriffs in Kauf nehmen. Der Seelöwe ist eines der schnellsten und beweglichsten Wassertiere, und ein Angriff eines aufgewühlten 300 Kilogramm schweren Bullen ist unaufhaltsam. Daher muss man sich seiner Warnzeichen bewusst sein, die er vor einem physischen Angriff zeigen würde.

Das Pusten von Luftblasen in das Gesicht des Tauchers und das Zähneknirschen auf kurze Distanz sind solche Warnzeichen. Wenn Sie diese wahrnehmen, ist es höchste Zeit, aufmerksam zu sein! Sie befinden sich jetzt in der Gefahrenzone und müssen die Regeln des Tieres akzeptieren. Wann immer der Bulle sich Ihnen nähert, um seine Dominanz zu demonstrieren, zeigen Sie ein unterwürfiges Verhalten.

Beobachten Sie genau – und passen Sie Ihren Plan an

Da Sie nun als Eindringling behandelt werden, aber die Situation nicht eskaliert, beobachten Sie das Verhalten des Tieres bis ins Detail. Jedes Individuum hat seine bevorzugten Muster, Bewegungen, Wege und Figuren. Sie müssen diese Muster herausfinden und Ihre Geschichte auf der Grundlage dieser Beobachtungen anpassen. Wählen Sie Ihren Hintergrund und warten Sie, bis die »Magie« passiert.

Sie haben keine Möglichkeit, sich durch den Raum zu bewegen, da Sie sonst Verletzungen riskieren würden. Wenn Sie es richtig eingeschätzt haben, schwimmt der Seelöwen-Bulle direkt auf Sie zu und bläst Luftblasen in Ihre Kamera. Bleiben Sie ruhig und schauen Sie ihm nicht in die Augen.

Einstellungen

Es wäre schade, wenn Sie die Reise in die Warnzone des Seelöwen unternommen haben und keine schussbereite Kamera dabei haben. Die schnelle DSLR oder die spiegellose Kamera sind die einzigen Geräte, die solche Aufnahmen machen können. Halten Sie die Verschlusszeit super kurz (1/200s-1/250s). In meinem Beispiel ist selbst bei 1/250s eine leichte Bewegungsunschärfe zu erkennen, was jedoch auf die unzureichende Leistung des Blitzes zurückzuführen ist, den ich für diese Aufnahme verwendet habe. Verwenden Sie bei Vollformatkameras die Blende f9 bis f13, bei Crop-Factor-Kameras eine größere Blende f8 bis f11. Und stellen Sie den ISO-Wert je nach Umgebungslicht auf 200 bis 400 ein. Blitze mit voller Leistung abfeuern! Seelöwen sind relativ schwer überzubelichten.

© Martin Strmiska – Nachjustiert: »Schatten«, »Klarheit« und »Dunst« sind die einzigen Parameter, die in der digitalen Nachbearbeitung verändert wurden.

Fokusmethode

Die Wahrheit ist, dass es keine perfekte Fokussierungsmethode gibt, die funktioniert. Nur die schnellsten Autofokus-Motoren können gute Arbeit leisten. Aber selbst diese neigen dazu, bei sehr geringem Abstand zu versagen. Wenn sich das Tier Ihnen und Ihrer Kamera sehr schnell nähert, werden sein Maul und seine Zähne leicht unscharf sein.

Wenn Sie dagegen auf die erwartete Entfernung fokussieren und den Autofokus ausschalten, sind Sie auf eine bestimmte Entfernung beschränkt und verpassen möglicherweise eine andere interessante Komposition des Tieres, das weiter vom Objektiv entfernt ist. Entscheiden Sie sich daher am besten für die Methode, mit der Sie Erfahrung haben. 

© Martin Strmiska – Aufnahmedaten Ort: Los Islotes/Meer von Cortez, Mexiko; Kamera: Nikon D7200, Tokina 10-17 mm bei 13 mm; Blitze: 2 x Subtronic Pro160s bei voller Leistung; Kamera-Einstellungen: f10, 1/250s, ISO250