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Installation eines UW-Observatoriums beginnt

Bisher hatten Meeresforscher die Qual der Wahl, wenn sie komplexe Prozesse am Meeresboden untersuchen wollten. Entweder sie betrachteten dabei mit Hilfe von Schiffen große Flächen, dann blieb diese Untersuchung aber meist auf einen kurzen Zeitraum beschränkt, weil Schiffszeit teuer ist. Oder sie setzten für längere Zeit autonome Geräte am Meeresboden ab. Aber dann erhielten sie nur Messwerte von einem einzigen Punkt im Ozean. Mit dem neuen „Modularen multidisziplinären Meeresboden-Observatorium“, kurz „MoLab“, haben Wissenschaftler und Techniker des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel jetzt ein System entwickelt, das über lange Zeiträume große Flächen des Meeresbodens für unterschiedliche Fragestellungen beobachten kann. Morgen startet „MoLab“ mit dem Forschungsschiff „Poseidon“ zu seinem ersten wissenschaftlichen Einsatz. „Wir setzen ‚MoLab‘ für vier Monate an einem Kaltwasserkorallen-Riff vor Nordnorwegen ab. Dort wollen wir unter anderem klären, warum sich das Riff an genau dieser Stelle gebildet hat und welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Kaltwasserkorallen haben kann“, erklärt der wissenschaftliche Fahrtleiter Dr. Olaf Pfannkuche vom Geomar.
Kommunikationsmodul bildet Herzstück
„MoLab“ besteht aus einem Verbund verschiedener Geräte, die flexibel je nach wissenschaftlichen Anforderungen zusammengestellt werden können. Zu den verfügbaren Modulen gehören einzelne autonome Tiefseeobservatorien („Lander“) in unterschiedlichen Ausstattungen und Größen sowie ozeanographische Verankerungen, die alle eine identische Basis-Sensorik besitzen. Das Herzstück von „MoLab“ bildet ein zentrales Kommunikationsmodul, das in eine der Verankerungen integriert ist. „Dieses Modul verständigt sich akustisch mit allen anderen Geräten im Messfeld. Damit erhalten wir erstmalig einen zeitlich synchronisierten und kohärenten Datensatz von mehreren Geräten am Meeresboden“, erklärt Dr. Pfannkuche die Besonderheit des neuen Systems. Da keine aufwendigen Kabelverbindungen am Meeresboden notwendig sind und die einzelnen Module recht kompakt ausfallen, kann „MoLab“ auch von mittelgroßen Forschungsschiffen auf-, ab- oder während eines Experiments umgebaut werden. Zum Einsatz kommt hierbei auch zum ersten Mal der ferngesteuerte Unterwasserroboter „ROV PHOCA“ des Geomar, mit dem Installationsarbeiten am Meeresboden durchgeführt werden sollen.
Zusammenspiel verstehen
Mit „MoLab“ können Meeresforscher kostengünstig und flexibel über lange Zeiträume das Zusammenspiel verschiedener Faktoren am Meeresboden und in der bodennahen Wasserschicht untersuchen. „Kein Prozess im Meer oder im Meeresboden steht für sich allein. Die Form des Meeresbodens hat Einfluss auf Strömungen, Strömungen beeinflussen den Nährstofftransport und damit die Biologie und Organismen bilden nach ihrem Tod neuen Meeresboden. Wenn wir bei der Forschung zum globalen Wandel oder zur nachhaltigen Nutzung mariner Ressourcen entscheidend vorankommen wollen, müssen wir das Zusammenspiel all dieser Prozesse räumlich und zeitlich verstehen“, betont Dr. Pfannkuche.

Kamers filmen das Riffleben in 300 Metern Tiefe
Das Kaltwasserkorallen-Riff, an dem „MoLab“ jetzt erstmals installiert wird, ist das nördlichste Europas. Es liegt im Stjernsund in Nordnorwegen in einer Wassertiefe von 220 bis 350 Metern. Dort sollen vier Monate lang die Rahmenbedingungen für das Wachstum der Korallen und die Wechselbeziehungen innerhalb des Kaltwasserkorallen-Ökosystems unter dem Einfluss von Strömung, Gezeiten, Wassertemperaturen, Salzgehalt oder auch der Verfügbarkeit von Nährstoffen untersucht werden. Zu den Parametern, die „MoLab“ dabei beobachten wird, gehört auch der Sauerstoffverbrauch der Riff-Gemeinschaft. Kameras werden kontinuierlich die Rifffauna beobachten.
Die gewonnenen Datensätze bilden später die Basis für numerische Simulationen, die das Verständnis ozeanographisch-biologischer Zusammenhänge insgesamt verbessern. „Die neuen Möglichkeiten, die ‚MoLab‘ uns eröffnet, werden unser Verständnis von zukünftigen Veränderungen der Kaltwasserkorallen-Riffe in den besonders empfindlichen arktischen Gebieten deutlich erweitern“, sagt Dr. Pfannkuche.
Weitere Infos findet ihr auf www.geomar.de