Tintenfische lockten Pottwale in die Nordsee
Die Lieblingsbeute der Pottwale könnte auch den 29 jungen Pottwalbullen, die Anfang des Jahres an den Küsten Schleswig-Holsteins, Niedersachsens, dem Niederlanden, Großbritanniens und Frankreichs gestrandet sind zum Verhängnis geworden sein. Laut dem Meeresbiologen Uwe Piatkowski vom Kieler Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung sind die Jungtiere von ihrer eigentlichen Route aus Norwegen einem Schwarm Tintenfische in die Nordsee gefolgt und haben dann den Weg hinaus nicht mehr gefunden. Ungewöhnlich starke Stürme könnten die Tintenfische in die Nordsee getrieben haben und mit ihnen die jungen Pottwalbullen.
Wal-Strandungen sind keine Seltenheit, auch bei uns in der Nordsee nicht. Zuletzt strandeten 23 Pottwale 1997/98 vor der deutschen Küste. Aber die Massenstrandung Anfang diesen Jahres rüttelte die Bevölkerung auf, und lenkte die Aufmerksamkeit auf dieses traurige Phänomen. Unser Wal-Experte Robert M. Lehmann war einer der ersten, der sich die ersten toten Wale vor Wangerooge angeschaut hat. „Zwei FÖJler bewachten die Kadaver der zwei jungen Tiere“, so Lehmann. „Bei einem fehlte bereits der Unterkiefer.“ Das Entfernen der Unterkiefer ist meist das erste, was die Behörden veranlassen. Es kam schon vor, dass bei gestrandeten Pottwalen teilweise die Zähne gestohlen wurden. Ein Pottwalzahn hat einen Marktwert von 1000 bis 2000 Euro – und wenn man bedenkt, dass ein Tier 48 Zähne im Kiefer trägt, kommt schnell eine große Summe zusammen.
Wale trauern um ihre toten Angehörigen
„Man kann Wal-Strandungen generell nicht verallgemeinern“, so Lehmann. „Jedes Strandungsereignis ist anders. Meistens ist es ein einzelner Wal, der die Strandungen von weiteren Tieren auslöst. Diese Tier nennt man ‚Keywhale‘. Diesen Wal müssen die Erst-Helfer identifizieren. Bei den Pilotwalen liegt der ‚Keywhale’ meistens am weitesten am Strand, sprich, er ist der erste, der auf den Strand geschwommen ist und meistens als erstes verendet ist. Der ‚Keywhale’ ist sehr oft verletzt oder krank. Oftmals sind es auch frisch gebackene Mütter, die ihr Baby bei der Geburt unterstützen wollen und dann zu dicht an die Küste schwimmen. Ihr folgen alle anderen Tiere aus der Gruppe, und es kommt zur Massenstrandung“, erklärt Lehmann. Gerade die in großen Gruppen lebenden Pilotwale sind für solche Massenstrandungen bekannt. Wie fast alle Wale, sind auch sie sehr soziale Tiere mit starken Bindungen. „Bei Pilotwalen ist es deshalb besonders wichtig den ‚Keywhale’ zu identifizieren, damit die restlichen Gruppentiere von dem toten Führungstier Abschied nehmen können. Man sollte die anderen Tiere zum ‚Keywhale’ bringen, damit sie verstehen, dass es tot ist und trauern können. Erst dann kann man die Gruppenmitglieder zurück ins Wasser lassen, sonst kommen sie immer wieder zurück an den Strand“, erläutert Lehmann.
Weitere Infos über das Wal-Drama in der Nordsee lesen Sie in der April-Ausgabe der TAUCHEN. Unter anderem finden Sie auch Tipps, was zu tun ist, wenn man am Strand einen Wal findet.
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