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Der Mann hinter der Maske

„Du musst verstehen, die Aktion hier ist völlig Harakiri.“ Florian Fischer setzt sich auf die Rückbank des Autos. „Normalerweise sind viel mehr Leute von uns dabei, die mich unterstützen – dies und das machen. Aber das ist auch das Problem von vielen Filmproduktionen. Die sind zu aufgebläht, zu viel Struktur. Viele Leute, teure Ausrüstung. Da wird das Ganze zu verkrampft. Man muss sich an den Plan halten. Bei der Aktion hier gibt es überhaupt keinen Plan, aber genau dadurch kann es erst richtig sprudeln.“ Vor nicht allzulanger Zeit war Behind the Mask (www.behind-the-mask.com) noch ein Mysterium. Niemand wusste so recht, wer eigentlich dahintersteckte. Die Qualität der Videos ließ ein imposantes Team vermuten. Doch in der Tauchbranche kennt man sich eigentlich. Niemand hatte bisher von diesen Typen gehört, geschweige denn ihnen etwas beigebracht. Wie konnte das sein?

Innerhalb von zwei Jahren wuchs die Behind-the-Mask-Facebook-Seite auf eine Größe von 50000 Likes. „Qualifizierte Likes“, wie der ehemalige Kreativdirektor einer Werbeagentur gerne zu betonen pflegt. „Unsere Seite hat eine hohe Interaktionsrate, das heißt Leute kommentieren und verbreiten die Videos. Facebook-Fans kann man heute auch kaufen. Unsere Likes sind echt.“ Die Zahl ist eine wichtige Größe, um den Wert eines Mediums einschätzen zu können – für Werbung und ihre Reichweite. Doch die Videos scheinen gar nicht auf das Geld abzuzielen. „Produ- ced with Love“ steht am Ende jedes Videos. „Wenn ich Geld verdienen möchte, bleibe ich lieber zu Hause“, sagt der Filmemacher mit dem kurzgeschorenen Kopf. „Ich tauche einfach gerne und mag es, Begeisterung für den Lebensraum Meer zu schüren. Das Ganze ist mehr ein Experiment, um zu sehen, ob ich davon leben kann, Tauchvideos zu machen.“

Sprudeln, das ist es, was man erlebt, wenn man den kreativen Schaffensprozess des Filmemachers beobachtet. Das Set des Kurzfilms „Time“ mit Freitaucher Nik Linder in der Hauptrolle ist der perfekte Ort dafür. Hier wird klar, dass Florian der Kopf und das kreative Zentrum eines jeden Behind-the-Mask-Projekts ist. Den ganzen Tag reißt der Ludwigsburger Witze – in ironisch-schwäbischem Dialekt. Im nächsten Moment ist er besonnen. Dann wieder springt er von einem Ort zum nächsten wie ein enthusiastisches Kind. Wenn unter seiner Schirmmütze die Ideen ausgehen, wird er nachdenklich. Die Witze lassen nach. Nur, um im nächsten Augenblick seine Umgebung wieder durch die blau glitzernden Augen anzustrahlen und bestimmt zu sagen: „Ich hab ’ne total geile Idee. Lass uns das so machen.“

Doch auch wenn das auf den zweiten Blick so erscheinen mag, Behind the Mask ist keine „Ein-Mann-Armee“. „Ich verstehe uns mehr als einen offenen, kreativen Zirkel. Leute beteiligen sich an Projekten, leisten einen Beitrag, und das nächste Mal ist wieder jemand anderes mit dabei.“ Der mittlere von drei Brüdern beißt in einen Müsliriegel und kaut schnell, um weitersprechen zu können. „Gestartet habe ich mit zwei Freunden. Die haben aber reguläre Jobs zu Hause und Familien, um die sie sich kümmern müssen. Es war klar, dass es darauf hinausläuft: Ich gebe 250 Prozent, wie bei allem, was ich tue, und es entsteht ein Ungleichgewicht. Daher haben sie sich etwas zurückgenommen. Heute sind die beiden noch ab und an bei einem Projekt dabei.“

IMMER UNTER STROM

Weiter geht es am Set. Die Pause ist vorüber. Als Drehort dient ein verlassenes Resort auf der abgelegenen Bahamasinsel Eleuthera. Es stehen Drohnenflüge auf
der Tagesordnung. Der Freitaucher streift durch die apokalyptische Umgebung, deren Verfall das Thema Zeit wiederspiegeln soll. Wenn Florian eine Kameraeinstellung gefällt, brüllt er aus heiterem Himmel. „Jaaaaa, I love it!“ Er quietscht. Macht Orca-Geräusche. Der 38-Jährige ist ein Fleisch gewordener Duracell-Hase. Die 250 Prozent sind in seiner Umgebung förmlich zu spüren. „Ich kann gar nicht anders.“

Das war nicht immer so. „In der Schule war ich stinkfaul, weil ich mich überhaupt nicht dafür interessiert habe, worum es geht. Schon in der achten Klasse war mir klar: Junge, du machst was Kreatives.“ Doch der Unterschied zwischen dem Filmemacher und vielen selbsternannten In-den-Tag-hineinlebe-Künstlern, die nach dem vierten Latte Macchiato aus den Augen hervorzublinzeln beginnen, liegt darin, dass er auch disziplinierter Geschäftsmann ist. „Du musst dir selbst immer einen Schritt voraus sein.“ Es ist dieser unermüdliche Drang, der Beste zu werden, bei allem, was er anpackt. „Ich denke, es liegt daran, dass ich eben nicht den normalen Weg gegangen bin. Kein Jura- oder Wirtschaftsstudium, kein 9-to-5-Job – deshalb war da schon immer dieser kleine Mann im Kopf, der mir gesagt hat, schaff Junge, schaff, sonst wird nix aus dir.“

Als nächster Drehort geht es an den Strand. Yogaposen stehen auf dem Programm. Der Sand ist schneeweiß und kilometerweit menschenleer. Viele Behind-the-Mask-Videos wurden bereits auf der Insel Eleuthera gedreht. „Hier haben wir das Divecenter von meinem guten Freund Al, wenig Touristen und Tauchplätze voller Haie.“ Doch es geht nicht um das eine, bestimmte Setting. „Wenn wir etwas nicht machen oder einen Platz nicht anfahren können, dann ist das nicht so schlimm. Wir machen einfach an einem anderen Platz etwas Geiles.“ Florian kniet sich in den Sand, um eine andere Perspektive auf Niks Pose zu haben. „Bei vielen meiner Kunden zu Hause könnte ich so etwas nicht bringen. Die wollen es vorher ganz genau wissen. Aber bei einem Projekt wie diesem hier ist nicht so viel Geld involviert, als dass die da groß Ansprüche stellen könnten. Die lassen uns einfach machen.“

EINFACH MACHEN

So scheint das Energiebündel die größtmögliche Kreativität generieren zu können. Einfach machen. Ohne Vorgaben. Das wird klar, wenn man die Behind-the-Mask-Veröffentlichungen, den Output auf Neudeutsch, Anfang des Jahres 2017 betrachtet. Denn genau dann, wenn es keine Vorgaben gibt, dann macht der Mann, den man nur selten ohne seine Mütze zu Gesicht bekommt, etwas komplett anderes, als alle erwartet hatten. Betrachtet man die Zuschauerzahlen, sind das seine besten Videos. „Dive to be Alive“ – geplant als Werbeclip für die Tauchschulkette Dive Society und das Kokay’s Maldito Resort auf den Philippinen – transformierte der Zusammenschnitt eines Interviews mit dem Yogalehrer Hayward Coleman kurzerhand in eine philosophische Abhandlung über das menschliche Dasein – ja, in eine esoterisch angehauchte Hommage an die Essenz des Lebens, an die Möglichkeit, durch das Tauchen die Seele zu pflegen, um so neue Lebensenergie zu schöpfen.

Florian Fischer

„Das beste Marketing, das ein Kunde bekommen kann, ist eines, das sich überhaupt nicht nach Werbung anfühlt“, predigt der Werbefachmann seit Jahren. Im Falle von Behind-the-Mask-Videos ist das aber nicht nur Marketing auf höchster Präzisionsstufe – nein – hier wird etwas geschaffen, das die Menschen berührt. Etwas, in dem ein jeder Taucher sich wiederfindet. Eine Botschaft. Emotionen. Ja natürlich, da sind da auch diese Unterwasseraufnahmen von höchster Qualität. Mit der wahrscheinlich besten Farbwidergabe, die in der Welt der Tauchvideos jemals zu sehen war. Aber da ist eben mehr. Der Zuschauer betrachtet keine Naturdokumentation. Es hat eine Transformation stattgefunden. Weg vom rein visuellen Konsum der Information, weg von der edukativen Betrachtung, hin zum Erlebnis, in das der Betrachtende durch seine eigenen Emotionen mit eingebunden wird. Getragen durch die Musik erlebt der Zuschauer Emotionen. Die Emotion der Taucher in den Videos stimulieren wiederum seine eigenen. „Katharsis“ hat Aristoteles das einst genannt – die seelische Reinigung nach dem Erleben eines dramatischen Theaterstücks. Deshalb fühlt man sich gut, nachdem man eines der Videos gesehen hat. Es ist eine simple Formel. Der Betrachter kann sich mit den gerührten Menschen freuen, die ein prägendes Erlebnis mit Tieren im Wasser hatten, er fiebert mit, wenn in den Making-Of-Videos erzählt wird, wie es zu den Szenen kam und projiziert das auf seine eigenen Tauchabenteuer.

Ein Zuschauer kam auf den Filmemacher zu, um ihm zu erzählen, dass er Tränen in den Augen hatte, als er das Best-of-2016 gesehen hatte. Über Facebook trudeln täglich Nachrichten ein, in denen sich Menschen bedanken. Einfach so. Ohne Fragen oder Wünsche. Um Danke zu sagen, dass dieses Team so tolle Videos kreiert.

Neben der emotionalen Seite charakterisieren sich die Filme durch das Auf-den-Kopf-Stellen von Perspektiven. Schema F, das langweilt den Kreativen, selbst das eigene. Hammerheads? Klar, haben ne geile Silouette. Was macht man also mit einem Lebewesen, dessen Silouhette beeindruckend ist? Einen filmerischen Scherenschnitt. Nachttauchgang. Lampen aufstellen. Bait. Und schon ziehen die Schatten der schaurigen Riesen durch das mystische Gegenlicht. Warum? Weil das noch niemand gemacht hat. Weil es neu ist. Kreativ. Technisch anspruchsvoll. Weil es funktioniert. Das tut es nicht immer. Auch Rückschläge gibt es. Abgestürzte Drohnen. 360-Grad-Projekte, aus denen nichts wurde. „Aber das ist alles ein guter Lernprozess von dem ich viel mitnehme.“

Wo die Reise von Behind the Mask hinführen soll, das weiß Florian selbst nicht so genau. „Ich freue mich erst mal auf Papua Neuguinea im November 2017. Das wird unser bisher größtes Projekt und absolut geil.“ Na klar, was denn auch sonst?