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GEOMAR-Studie: Kaltwasserkorallen dokumentieren Umweltveränderungen

Bedrohung für marine Lebewesen
Ansteigende Konzentrationen von Kohlenstoffdioxid (CO2) in den Ozeanen können eine Bedrohung für marine Lebewesen sein. Denn ein erhöhter CO2-Gehalt des Wassers lässt den sogenannte pH-Wert des Wassers sinken und das Wasser wird saurer. Dies bedeutet eine Beeinträchtigung von marinen Lebewesen, die ihre Schalen oder Skelette aus Karbonat bauen, weil versauerte Ozeane Karbonate auflösen können. Ein besseres Verständnis der Meerwasserchemie soll dabei helfen, Steuerungsprozesse im Karbonatsystem der Ozeane aus der Vergangenheit und für die Zukunft besser zu verstehen. Dr. Jacek Raddatz hat mit Kollegen vom GEOMAR und aus Belgien untersucht, wie der pH-Wert des Meerwassers und der Aufbau der Korallen zusammenhängen.

Für ihre Studie entnahmen die Forscher lebende Korallen der Art Lophelia pertusa sowie Wasserproben im nordöstlichen Atlantik und im Mittelmeer. An den Wasserproben wurde der pH-Wert bestimmt, so dass ein genaues Bild des Lebensraums der Korallen entstand. Aus den Korallen wurden Proben gebohrt, die anschließend im Labor genauer untersucht wurden. Dabei interessierte die Wissenschaftler vor allem der Gehalt der Elemente Uran und Kalzium, das so genannte U/Ca-Verhältnis. Durch einen Vergleich beider Analysen kamen die Forscher etwas Interessantem auf die Spur: Die Beziehung zwischen dem U/Ca-Verhältnis und dem pH-Wert ist sehr eng, berichtet Dr. Raddatz, Erstautor der aktuellen Studie. Folglich könnten wir aufgrund dieser Erkenntnisse Korallenproben analysieren und aus dem U/Ca-Verhältnis den pH-Wert der Vergangenheit berechnen. Das ist eine neue Methode für Kaltwasserkorallen und könnte eine Alternative zur Bor-Isotopie sein, die in der Analyse extrem zeitaufwändig ist. Die Kombination beider Verfahren (U/Ca-Verhältnisse und Bor-Isotopie) wird uns zukünftig ein detaillierteres Verständnis der Meerwasserchemie erlauben, sagt der Wissenschaftler. Aktuell ist es schwer, die Folgen der bereits messbaren Ozeanversauerung abzuschätzen. Ein Blick in die Vergangenheit könnte dabei helfen. Wie haben sich diese Systeme in der Vergangenheit verändert und welchen Einfluss hatte das auf Kaltwasserkorallen? Diesen Fragestellungen wollen Dr. Raddatz und seine Kollegen weiter nachgehen.

Spannende Aufgaben in Zukunft
Die jetzt veröffentlichte Studie baut auf einer Arbeit vom GEOMAR Kollegen Dr. Sascha Flögel auf, die bereits Anfang des Jahres in der Fachzeitschrift Deep-Sea Research veröffentlicht wurde. Darin untersuchte Dr. Flögel zusammen mit Kollegen aus Großbritannien und Belgien, welche Umweltbedingungen für rezente Kaltwasserkorallen ideal sind. Dabei untersuchten die Forscher Proben aus Norwegen, Schottland, Irland, Frankreich, Spanien, Mauretanien und dem Mittelmeerraum. Ihre Ergebnisse geben einen Überblick, welches die bevorzugten physikalischen und chemischen Bedingungen für das Wachsen und Auftreten von Kaltwasserkorallen in den Arbeitsgebieten sind. Ein entscheidender Parameter für das Wachstum von Kaltwasserkorallen im östlichen Atlantik und im Mittelmeer ist die Konzentration von anorganischem Kohlenstoff im Bodenwasser, berichtet Dr. Flögel. Der Begriff anorganischer Kohlenstoff fasst verschiedene Kohlenstoff-Arten zusammen. Dieser Gehalt ist regional verschieden und definiert daher, wo Kaltwasserkorallen wachsen können, berichtet Dr. Flögel weiter. Neben dem Gehalt von anorganischem Kohlenstoff bestimmten die Wissenschaftler auch den pH-Wert des Wassers an den verschiedenen Lokationen. Diese Ergebnisse bildeten die Grundlage für die neu erschienene Studie in der Fachzeitschrift Biogeosciences.

Der Zusammenhang zwischen dem pH-Wert des Meerwassers als Maß für die zunehmende Ozeanversauerung und der Verbreitung von Kaltwasserkorallen bleibt ein spannendes Arbeitsgebiet. Als Teil des Gesamtprojekts hat Dr. Raddatz zusammen mit Kollegen mehrere Korallen vom Challenger Mound im nordöstlichen Atlantik untersucht. Der Challenger Mound wird von zahlreichen Kaltwasserkorallen bedeckt, die zusammen genommen die vergangenen drei Millionen Jahre abdecken. Eine Untersuchung dieses Archivs im Hinblick auf pH-Veränderungen des Meerwassers wäre eine spannende Aufgabe, fasst Dr. Raddatz zusammen. Unsere neu entwickelte Methode, um pH-Werte der Vergangenheit zu rekonstruieren, bietet dafür eine einzigartige Möglichkeit.

Weitere Infos:
www.geomar.de