Im November/Dezember 2015 soll während 30 Tagen und insgesamt 384 Stunden alle zehn bis 15 Sekunden Explosionsschall von mehr als 240 dB ausgesandt werden. Das Echo der Schallwellen dringt bis zu mehrere Hundert Meter tief in die Erdkruste am Meeresgrund und wird dann mit 93 Empfängern registriert sowie analysiert. Die Meeresschutzorganisation OceanCare warnt vor unwiderruflichen Folgen und sieht in dem US-Projekt des Unternehmens Lamont-Doherty Earth Observatory einen Verstoß gegen gültige Artenschutzbestimmungen.
In der Vergangenheit haben griechische Behörden seismische Tests, die bei der Suche nach Bodenschätzen eingesetzt werden, ohne große Auflagen genehmigt. Auch der durch die NATO verursachte Unterwasserlärm wurde in der zentralen Ägäis ohne Risikominimierung geduldet. Die Folgen: mehrfache Walstrandungen, da die Intensität der Lärmquellen insbesondere tieftauchende Walarten, darunter Pott- und Schnabelwale, aus ihrem Gebiet vertreibt (siehe Karte links).
Intensiver Schall kann aber auch zu physischen Schäden bis hin zum Tod führen. Dieses Video klärt über die Folgen des Unterwasserlärms auf:
Unterwasserlärm – Die übersehene Katastrophe from OceanCare on Vimeo.
Meeresschützer sehen in den Auflagen des Marine Mammal Protection Act der USA nun aber eine Möglichkeit, das gefährliche Projekt zu verhindern, da amerikanische Unternehmen selbst auch an die eigene Gesetzgebung gebunden sind. Erst vergangene Woche verpflichtete sich die US-Marine dazu, auf Aktivitäten, die intensiven Lärm verursachen, in bestimmten für Walarten sensiblen Gebieten zu verzichten (wir berichteten). „Ein Schnabelwal im Mittelmeer ist genauso lärmempfindlich wie im Pazifik und der seismische Lärm ähnlich gefährlich wie der von Militärsonar“, erklärt Sigrid Lüber, Präsidentin von OceanCare. Sie verweist auf den Sonderschutzstatus der Walarten und Mönchsrobben durch internationale Verträge, wie zum Beispiel durch die Bonner Konvention, die Biodiversitätskonvention, aber auch durch Walschutzabkommen im Mittelmeer. Das für die Untersuchungen vorgesehene Gebiet wurde zudem von der Biodiversitätskonvention als ökologisch und biologisch wertvolle Zone ausgezeichnet. „Welchen Wert haben ein Schutzgebiet und die jahrelangen intensiven Bemühungen, die Mönchsrobben in der Ägäis vor dem Aussterben zu bewahren, wenn man dann die Tiere über mehrere Wochen zudröhnt. Das Risiko ist einfach zu groß, besonders wenn man bedenkt, dass die vom Lärm verschreckten Mönchsrobben Jungtiere zurücklassen müssten, die ohne ihre Mütter wohl nicht überleben können“, warnt Lüber und fordert eine klare Absage an das Projekt durch die US-amerikanischen Behörden.
Nicolas Entrup, Campaigner für OceanCare und die US-amerikanische Naturschutzorganisation NRDC, sieht die europäischen Institutionen in der Pflicht: „Eine Umweltverträglichkeitsprüfung kann in so einem Fall kaum zu einem für das Projekt positiven Urteil kommen. Doch was tun, wenn seitens der griechischen Behörden gar keine Umweltverträglichkeitsprüfung verlangt wird?“ Bis Anfang Oktober 2015 läuft die öffentliche Konsultation der US-Behörden für die von Lamont-Doherty Earth Observatory beantragten geophysikalischen Untersuchungen. OceanCare wird das Projekt zeitgerecht kommentieren und bietet der Öffentlichkeit an, ebenfalls Kommentare einzureichen: http://oceancare.org/santorin