(Das Bild ist symbolisch. Es handelt sich dabei nicht um den betreffenden Schwamm)
Bioprospektion ist die Entdeckung neuer Medikamente und neuartiger Gene aus natürlichen Systemen. Sie wird häufig als eine der entscheidenden kommerziellen Aktivitäten genannt, die etwas aus der Tiefsee gewinnen.
Ökosysteme bleiben relativ ungestört
Im Gegensatz zu anderen Prozessen ist Bioprospektion von der Biodiversität getrieben und abhängig.
Je größer die Vielfalt eines Ökosystems ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dort neue molekulare Verbindungen existieren. Bioprospektion wird auch als leichte Extraktion angesehen. Verbindungen müssen nur einmal identifiziert werden. Die eigentliche Produktion erfolgt synthetisch im Labor. Ökosysteme können so relativ ungestört bleiben.
Vom Schwamm zum Corona Medikament?
Wie kommen Forscher von Schwämmen auf dem Meeresboden zu neuen antiviralen Behandlungen?
Der jüngste Fortschritt bei der Behandlung von COVID-19 bietet eine hervorragende Gelegenheit, einen Einzelfall der marinen Bioprospektion zu untersuchen.
Beispiel Remdesivir
Remdesivir ist ein RNA-Polymerase-Inhibitor. Das bedeutet, dass der Wirkstoff die Fähigkeit von RNA-basierten Viren wie z.B. COVID-19 einschränkt, sich in menschlichen Zellen zu vermehren.
Remdesivir wurde erstmals 2009 entwickelt. Es hat sich damals schon als wirksam gegen SARS und MERS erwiesen und wurde kürzlich für den klinischen Einsatz gegen COVID-19 zugelassen.
Am bemerkenswertesten ist, dass Remdesivir aus einem Meeresschwamm entwickelt wurde. Das ist eine aktuelle und gut dokumentierte Studie, wie marine Bioprospektion bei der Entwicklung neuartiger Arzneimittel praktisch umgesetzt wird.
Karibischer Schwamm gegen Viren
Tectitethya crypta ist ein großer, unscheinbarer Schwamm, der im flachen Wasser der Karibik zu finden ist. Aus diesem unscheinbaren Tier isolierten Forscher schon in den 1950er Jahren den ersten antiviralen Wirkstoff.
Aus diesen frühen Isolaten wurden Dutzende von weiteren Wirkstoffen entwickelt, um verschiedene Viren zu behandeln. Darunter HIV, Hepatitis, Herpes und seit kurzem auch Ebola und Coronaviren. Remdesivir ist einer dieser Wirkstoffe, der seinen Ursprung Tectitethya crypta verdankt.
Der Schwamm bleibt am Leben
Remdesivir wurde aber nicht direkt aus dem Schwamm extrahiert.
Mitte der 2000er Jahre entwickelten Forscher eine Datenbank mit Molekülen, die auf den bekannten Eigenschaften dieser aus Schwämmen gewonnenen Wirkstoffe basierten.
Anschließend untersuchten sie Hunderte dieser Moleküle auf ihre Wirksamkeit und kamen auf eine Handvoll, die gegen eine Reihe von Viren hochwirksam waren. Eines dieser Moleküle wurde schließlich in Remdesivir umbenannt.
Entwicklung im Labor: Gut für die Natur
Was kann man also an der Entwicklung von Remdesivir über die Bioprospektion in der Tiefsee erkennen?
Die wichtigste Lektion ist, dass Bioprospektion weit entfernt ist von einer Vorstellung, bei der Forscher über Riffe tauchen, um nach neuen Arten zu suchen. Stattdessen findet der Prozess hauptsächlich im Labor statt.
Neue Wirkstoffe werden durch die Abfrage umfangreicher Datenbanken gefunden. Dort sucht man nach Molekülen, die zu Bereichen von besonderem medizinischen Interesse passen. Anschließend werden modifizierte synthetische Versionen dieser speziellen Moleküle getestet.
Funde sind selten – aber bedeutend!
Treffer sind selten, aber wenn sie fallen, sind sie groß.
Die Entdeckung des Wirkstoffs im karibischen Schwamm (Tectitethya crypta) hat ein ganzes neues Feld der Medizin begründet. Es hat zu Fortschritten bei der Behandlung von Dutzenden sehr unterschiedlichen Virusinfektionen geführt.
Quellen:
https://www.shapeoflife.org/blog/medicines-sponges
https://www.pbs.org/wnet/nature/blog/coronavirus-deep-sea/
https://idw-online.de/de/news759897
https://breef.org/index.php/2020/05/18/marine-medical-treasures/