Ein Leben zwischen Erholung und Gefährdung
Neunaugen gehören mit einer Entwicklung von rund 400 bis 500 Millionen Jahren zur ältesten, noch lebenden Wirbeltierklasse. Streng genommen zählen sie nicht zu den Fischen, sondern zu den sogenannten Rundmäulern. Aufgrund von Schutzmaßnahmen haben sich die Neunaugenbestände in unseren heimischen Gewässern in den vergangenen Jahren allmählich erholt. Im 19. Jahrhundert waren Neunaugen hierzulande noch weit verbreitet. Sie wurden durch die Fischerei genutzt und waren als Nahrungsmittel des Menschen bis ins 20. Jahrhundert beliebt. Durch Verschmutzung und Verbau der Gewässer sind die Vorkommen stark zurückgegangen. Wo durch Regulierungen keine sandigen Sedimentbänke mehr auftreten oder durch Aufstau kiesige Laichplätze verloren gehen, verschwinden auch die Neunaugen. Hindernisse wie Querverbauungen können sie nicht überwinden und auch so manche Fischaufstiegshilfen nicht passieren. Sollte der Ausbau von Wasserkraftwerken und Querbauwerken vorangetrieben werden, könnte sich der mancherorts inzwischen wieder gebesserte Erhaltungszustand der Neunaugen wieder verschlechtern.
Der Mythos der neun Augen
In Deutschland gibt es vier Neunaugenarten: Bach- und Flussneunauge, Ukrainisches Neunauge sowie das Meerneunauge. Statt des gewöhnlichen Fischmauls mit Ober- und Unterkiefer haben alle Arten einen kreisförmigen, innen bezahnten Saugmund an der unteren Seite des Kopfes. Der Körper ist aalförmig und hat keine Schuppen. Die deutsche Bezeichnung Neunauge ist sehr alt und entstand durch ungenaue Beobachtung. Die eigentlichen Augen, die nur einfach vorhandene Nasenöffnung und die sieben, seitlich gelegenen Kiemenöffnungen erwecken bei flüchtigem Betrachten den Eindruck, das Tier hätte neun Augen auf jeder Körperseite.
Saugkraft ermöglicht Nahrungsaufnahme und Fortpflanzung
Alle Neunaugen laichen im Süßwasser ab und kommen dort zur Welt. Während die Bachneunaugen das ganze Leben im Süßwasser verbringen, handelt es sich beim Fluss- und Meerneunauge um Wanderarten. Direkt nach der Umwandlung zum erwachsenen Tier wandern sie in die Brackwasserregionen oder ins Meer ab. Dort ernähren sie sich parasitisch, indem sie sich an Fischen festsaugen und mit ihrem Zungenkopf die Haut aufraspeln. Dabei nehmen sie Blut und Gewebeteile auf. Teilweise bohren sie sich sogar bis in die Körperhöhle des Opfers vor. Im Gegensatz dazu nehmen Bachneunaugen im erwachsenen Zustand keine Nahrung mehr zu sich und werden somit auch nicht als Fischschädlinge auffällig. Mit dem Erreichen der Geschlechtsreife erlischt bei allen Arten die Nahrungsaufnahme. Zur Fortpflanzung steigen Fluss- und Meerneunaugen oft mehrere hundert Kilometer in die Flüsse zu ihren Laichgebieten auf. Im Frühling bilden sich Laichgesellschaften, die unter aktiven Paarungsspielen Laichgruben ausheben. Mit Hilfe des Saugmaules werden hierbei Steine aufgesammelt und entfernt. Nach dem Laichakt sterben die Neunaugen an Entkräftung. Die geschlüpften blinden Larven (auch Querder genannt) vergraben sich im Sand oder Schlamm. Der Kopf bleibt frei und filtert feine Nahrungspartikel wie Kleinlebewesen oder Pflanzenteilchen aus dem Wasser. Das Larvenstadium ist die längste Phase im Leben der Neunaugen. Es dauert mindestens fünf Jahre. Anschließend vollziehen die Tiere einen erstaunlichen Gestaltwandel vom Larven- zum Erwachsenenstadium. Weitere Infos findet ihr auf www.vdst.de.