Der nächste Halt auf dem Florida-Road-Trip ist Pensacola. „The City of the Five Flags“ – die Stadt der fünf Flaggen – der Spitzname kommt von den verschiedenen Regierungszugehörigkeiten des kleinen Städtchens im Nordwesten des Bundesstaats. Bereits 1559 gründeten die Spanier hier die erste europäische Siedlung auf dem amerikanischen Kontinent. Es folgte die französische Flagge, die der Briten, der Konföderierten und schließlich die der USA. Man merkt dem Städtchen seine Vergangenheit an der Offenheit seiner Bewohner und der kulinarischen Spezialitäten deutlich an. Durch die gemütliche Innenstadt zu schlendern und eines der zahlreichen Straßenfeste zu besuchen, ist die beste Methode um mit offenherzigen Bewohnern in Kontakt zu kommen. Eine abwechslungsreiche Alternative zu den hervorragenden Fischrestaurants mit Blick auf die Bucht, ist die Streetfood-Corner „eat al Fresco“. Hier werden aus kleinen Campingwägen leckere Burritos, knackige Tacos, zarte Spare-Ribs und andere Köstlichkeiten herausgereicht. Ganz unkompliziert sitzt man zwischen den Palmen an der Straßenecke und unterhält sich auch mal über den Tisch hinweg.
Wie Panama City Beach, so ist auch in Pensacola die Strandpromenade eine kleine Extrastadt. Pensacola Beach, oder auch Gulf Breeze, liegt auf einer vorgelagerten Insel, die mit einer beeindruckenden Brücke verbunden ist. Es ist eine der Lieblingsbeschäftigungen der Stadtbewohner, auf die Brücke zu fahren und von dort aus zu fischen. Mit den unterschiedlichsten Methoden. Jim kommt seit dreißig Jahren hier her. Stolz präsentiert er mir, wie er mit seinem kreisförmigen Netz mit den Bleigewichten am Saum, bis zu dreißig Fische auf einmal fängt – und das von Hand.
Auf der Insel begegnet er mir dann doch noch. Ich hatte schon fast nicht mehr daran geglaubt. Die Verkörperung des amerikanischen Traums. Fred Simmons ist ein „self-made-man“, ein waschechter „Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Typ“. Einer der nicht mehr arbeitet, sondern arbeiten lässt. Als Junge hat er selbst jeden Tag von der Brücke gefischt. Heute fischt er die großen Dollars. Auf studieren hatte Fred keinen Bock. Er ging, wie er selbst sagt, durch die „school of hard knocks“, die harte Schule des Lebens. Eines Tages brauchte eine befreundete Immobilienmaklerin Geld. Ein Orkan hatte ihre Grundstücke verwüstet und um sie instand zu setzten, musste sie dringend andere verkaufen. „Sie bot mir drei Grundstücke zu unglaublich günstigen Raten an, und mein Einstieg ins Immobiliengeschäft war perfekt.“ Später kaufte Fred dann das Paradise Inn. Ein Hotel für den „every day man“, wie er selbst sagt. Den „normalen“ Bürger von nebenan, der keine 200 Dollar pro Nacht ausgeben kann oder möchte. „Unser Hotel ist noch wie Florida in den 70er Jahren war“, erzählt Fred. „Damals bin ich mit meinem Daddy durchs Land gefahren. Du konntest einfach rechts ran fahren, einchecken, und deine Füße in den Sand stecken.“ Und in der Tat, das Paradise Inn sticht heraus. Keine Hochhauswände mit Spa und Fitness, sondern kleine Holzzimmerchen mit Blick auf die Bucht, einem hauseigenen Strand, einer Bar, in der lokale Bands feinsten Südstaatenblues spielen während man die hausgemachten Burger und Drinks genießt. Nichts davon sollte man sich entgehen lassen. Wer Amerika im Urlaub vor dreißig bis vierzig Jahren erleben will, der sollte hier ein paar Nächte verbringen. Wer nicht mit dem Auto kommt, der kann auch mit dem Boot vorfahren, am Bar-eigenen Steg anlegen und sich seinen „Bushwacker“ holen. Das Getränk ist eine lokale Spezialität, und wurde 1975 zwei Bars weiter, im „Sandshaker“ erfunden. Seitdem gehört der „Bushwacker“ zum Pflichtprogramm eines jeden Besuchers in Pensacola. Der Drink ähnelt einem Milchshake, allerdings einem, der es in sich hat. Neben Eis, Kakaocreme und Milch gehören nämlich auch dunkler Rum und Caluha zu den Zutaten. Unglaublich lecker.
Ich könnte in Pensacola wohl drei bis vier Wochen am Stück tauchen, ohne einen Tauchplatz doppelt gesehen zu haben. Um die Stadt herum tummeln sich über 50 Wracks, die in den Büchern der Tauchschulen stehen. Unzählige warten noch darauf entdeckt zu werden. Trotzdem zieht es den tauchenden Besucher meist nur aus einem Grund hier her: „The Mighty O“ – die mächtige USS Oriskany. Das größte künstliche Riff der Welt ist schlichtweg atemberaubend. Der 275 Meter lange Flugzeugträger der im Vietnam- und Koreakrieg seinen Dienst absolviert hat, liegt in einer Tiefe zwischen 65 und 25 Meter. Auch die Fahrt dorthin kann schon etwas beraubend sein. Allerdings eher des guten Bauchgefühls als des Atems. Denn Steve, ein Ingenieur aus Boston, der mit zwei befreundeten Kollegen für das Wochenende gekommen ist, wird immer bleicher im Gesicht, seine derben Sprüche immer leiser und kleinlauter, während wir mit dem Tauchboot über die Wellen hüpen. Die Fahrt dauert zwischen einer und anderthalb Stunden, denn der ehemalige Flugzeugträger der US Navy wurde 30 Kilometer vor der Küste versenkt. Ein Fehler, wie einige finden. „Durch die große Tiefe hat es schon mehrfach Dekompressionsunfälle gegeben“, erzählt Ty McCall, Bootskapitän und Tech-Instructor der Tauchschule „Scuba Shack“. Er findet die gewählte Tiefe aber trotzdem in Ordnung. „Wenn sich alle an die Regeln halten, dann passiert auch nichts. Das Wrack eignet sich hervorragend für Sport- und Techtaucher zugleich.“ Sein Kompagnon Chris pflichtet ihm bei: „Ich habe mittlerweile über 50 Tauchgänge an der Oriskany und noch lange nicht alles entdeckt.“ Während wir uns am Turm und etwas oberhalb des Flugdecks aufhalten und die riesigen Barrakudas, sowie vereinzelte Sandbankhaie bestaunen, machen sich die „Techies“ auf den Weg tief hinein in die dunklen Gänge des Kriegsgeräts. Sie wollen die Haupthalle im unteren Teil des Schiffes betauchen, anderthalb Stunden Dekozeit inklusive. Nach dem Tauchgang ist ganz klar. Das war nur die Spitze des Eisbergs. Nächstes Mal mit Mischgas.
Infos: www.visitflorida.com, www.VisitPensacola.com, oder #LoveFL