Biologie

Aufgedeckt: Spanien ist Umschlagplatz für Haiflossen

Wer an das grausame Geschäft mit den Haiflossen denkt, reist gedanklich meist nach Asien. Doch 30 Prozent aller weltweit gehandelten Haiflossen kommen aus Europa! Und das nicht erst seit gestern. In Vigo, einer Stadt an der rauen Atlantikküste Nordspaniens, nicht weit entfernt von Santiago de Compostela, befindet sich das europäische Zentrum des gnadenlosen Abschlachtens der großen Räuber der Meere. Diese spanische Stadt gilt als einer der Hauptumschlagplätze für Haiflossen. Gefangen werden die Tiere im Atlank, beispielsweise vor den Azoren. Das Video oben zeigt schockierende Aufnahmen vom Alltag der Langleinenfischer, die vor den Azoren Blauhaie fangen und ihnen noch bei lebendigem Leib die Flossen abschneiden. Das Video ist nichts für schwache Nerven. Nachdem die Tiere getötet wurden, werden sie auf Märkten wie dem in Vigo verkauft.

Vigo in Spanien ist Europas größter Haiumschlagplatz (Sharkproject).
Vigo in Spanien ist Europas größter Haiumschlagplatz (Sharkproject).

Ein Team von Sharkproject hat vor Ort mit versteckter Kamera gefilmt und sich in den Hallen des Hafengeländes die Fangmengen zu dokumentieren. Drehgenehmigungen wurden von der Hafenbehörde nicht einmal mehr beantwortet. Das Hafengelände selbst ist zwar offen zugänglich, wird aber von der Polizei bewacht. Diese setzt auch die Geheimniskrämerei durch: private Kameras sind strikt verboten! Journalisten unerwünscht. „Wir dürfen weltweit nicht wegschauen, sondern müssen den Finger immer wieder in die Wunde legen! Das ist der Grund für unsere verdeckten Recherchen in Vigo“, so Friederike Kremer-Obrock, Präsidentin von Sharkproject Deutschland.

DIe gefangenen Blauhaie werden immer kleiner (Sharkproject),
Die gefangenen Blauhaie werden immer kleiner (Sharkproject),

Immer mehr junge Blauhaie

In Vigo werden Mako- und Blauhai neben Schwertfisch und Thunfisch entladen und gehandelt. Die Haifangflotten haben eine offizielle Lizenz für den Schwertfischfang. Sie landen jedoch oftmals ausschließlich Hai an, in erster Linie Blauhai und somit Hundert Prozent Beifang. Ihre Fanggebiete liegen vor Neufundland/Kanada, den Azoren und vor der Küste Englands. Die spanischen Fischer legen bis zu 100 Kilometer lange Langleinen mit bis zu 20 000 Haken in die Strömungen. Laut ICCAT-Report summierten sich die Fangmengen der spanischen Fischer mit ihren Longlining-Flotten im Jahr 2012 alleine im Atlantik auf 43 000 Tonnen Blauhai und 7 300 Tonnen Makohai.

Video: Vigo ist Europas größter Hai-Umschlagplatz

Aktuelle Zahlen einer großangelegten Studie, die für Sharkproject angefertigt wurde, beweisen zweifelsfrei, dass Portugal aktuell in großem Stil in das Geschäft mit Hai einsteigt – die Importzahlen stiegen um fast das doppelte, die Exportzahlen von 2013 zu 2014 sogar um mehr als das doppelte. Die wirtschaftlichen Verstrickungen des In- und Exports mit Spanien lassen den Schluss zu, dass die beiden benachbarten Nationen im Haigeschäft sehr eng kooperieren.

Diese Blauhaie vom Vortag landen auf dem Müll (Sharkproject).
Diese Haie vom Vortag landen auf dem Müll (Sharkproject).

Hai in der Auslage

Der spanischen Haifangbranche geht es dabei eigentlich nicht einmal gut. Der weltweite Preis für Haiflossen ist in den vergangenen zwei Jahren drastisch um fast die Hälfte gefallen. Da aber seit Juli 2013 in der EU alle Haie mit allen Flossen am Körper angelandet werden müssen, erreicht das Land nunmehr ein riesiger Berg an Haifleisch, den man loswerden muss. Früher wurde das Tier ohne Flossen beim „Finning“ einfach auf hoher See ins Meer entsorgt.
Wer konsumiert in Europa diese Massen an Haifleisch? Die Antwort ist erschreckend: Wir Europäer selbst sind die Konsumenten! Deutschland importierte 2014 bereits 296 Tonnen, vornehmlich Blauhai und Mako. Insgesamt konsumiert Deutschland jährlich weit über 600 Tonnen Hai, umgerechnet auf das Lebendgewicht der Tiere.
Das mag im Vergleich zu anderen europäischen Staaten vergleichsweise wenig sein. Aber inzwischen findet sich in fast jedem Live-Event-Buffet beim Mongolen um die Ecke Hai in der Auslage. Deutsche Fischhändler verkaufen bis heute unverändert Schillerlocken, den Bauchlappen des Dornhai, obwohl diese Tiere unter offiziellem Artenschutz stehen und die Bestände im Nordatlantik um 95 Pozent zurückgegangen sind.

Wir müssen Umdenken!

Fazit: Vorbei sind die Zeiten, in denen wir Europäer beim Haikonsum tadelnd nach Asien verwiesen haben. Wir sind hier in Europa nicht besser aufgestellt. Die europäischen Konsumenten sollten umdenken, es liegt in ihrer Hand: Werden keine Haiprodukte gekauft, bricht der Markt hierfür zusammen. Der Raubbau an der Natur geschieht aktuell bei uns, genau hier vor unserer Haustür – nicht nur weit weg in Asien. Europa muss dies jetzt verstehen – und kann dagegen handeln!

 

Friederike Kremer-Obrock ist Präsidentin von Sharkproject Germany
Friederike Kremer-Obrock ist Präsidentin von Sharkproject Germany

Interview mit Friederike Kremer-Obrock, Präsidentin von Sharkproject Deutschland

1.    Etliche der angelandeten Haie in Vigo stammen aus den Azoren. Warum lassen die Azoren zu, dass die Bestände so abgefischt werden, obwohl die Blauhaie so wichtig für den Tauchtourismus sind?

Wir haben 2013 Gespräche mit der Regierung der Azoren auf Faial geführt. Nach dieser drei Stunden langen Diskussion wurde uns sehr schnell klar, dass hier wirtschaftliche Interessen vollkommen falsch gesehen werden. Speziell die lokale Verwaltung verlässt sich darauf, dass die Taucher als auch die spanischen Fischer Profit bringen. Leider sind auch im Atlantik die Ressourcen nicht unbegrenzt. Schon 2012 war absehbar, dass immer weniger Haie zu ihren Gebieten rund um die Azoren zurückkehren um sich zu paaren und ihre Jungen zur Welt zu bringen. Das ist ein absolutes Alarmsignal. Vergangenes Jahr haben wir uns gefreut, wenn wir wenigsten einen Blauhai bei unseren Tauchgängen zu Gesicht bekommen haben. Vorbei sind die Zeiten als man sich mit 10 bis 15 Tieren im Wasser befand. Unser dringender Appell die 200 Meilenzone um die Azoren zu einem Meeresschutzgebiet zu erklären, wurde bei der Diskussion 2013 übrigens müde belächelt. Die Azoren sind aber die Kinderstube diverser auch geschützter Haiarten, wie dem Hammerhai. Das interessiert auf Regierungsseite herzlich wenig.