Das UW-Handzeichen für Haie braucht man auf den Bahamas nicht, denn Tauchgänge ohne die Jäger mit der markanten Rückenflosse gibt es nur auf besondere Bitte. Doch welche Haiart bekommt man wo zu Gesicht? Wir geben den Überblick!
Bimini – Hammerhai-Revier und Treffpunkt der Bullenhaie
„Gibt es eigentlich irgendwo sonst auf der Welt so leuchtend türkisgrünes Wasser wie auf den Bahamas?“, fragt Jeanette verzaubert. „Wo bleiben die Großen Hammerhaie?“, mault Robin unbeeindruckt zurück und ruckelt an der Köderkiste. Seit mehr als einer Stunde liegt die Baitbox auf dem Grund in sechs Metern Tiefe, um die bizarren Jäger anzulocken. Durch die glasklaren Fluten kann man das Geschehen von der Oberfläche aus verfolgen: Das Odeur der Fischkadaver hat bisher nur ein Dutzend Ammenhaie angezogen. „Wir tauchen nicht ab, bevor sich mindestens zwei Hammerhaie sehen lassen“, sagt Neil Watson. Der sympathische Bahamian hat hier vor Bimini als erster die Haifütterungen mit den bis zu sechs Meter langen Jägern weltbekannt gemacht. „Ich glaube, die Hammerhaie haben hitzefrei“, lacht Carlton. Doch dann tauchen plötzlich zwei große Silhouetten unter Wasser auf. „Sie sind da! Macht euch fertig.“ Die Sicherheitsregeln werden von den Guides wiederholt: Wegen der Strömung bekommt jeder Taucher einen Stock, um sich im Sand abzustützen und aufdringliche Heißsporne wegzuschieben. Wir ergattern Plätze direkt an der Köderbox neben Neil. Kaum installiert schwimmt auch schon ein dicker Hammerhai direkt auf uns zu, sodass wir uns wegducken müssen.
Wow! Das geht ja schon mal gut los. Neil Watsons lachenden Augen machen klar: Das war die Ruhe vor dem Sturm. Nach kurzer Zeit lassen sich zwei weitere Tiere blicken, die immer im Wechsel wie ein Jagdkommando auf den Shark Feeder zuschwimmen. Und wieder dreht einer der drei Hammerhaie keine Handbreit vor uns ab. Der gewaltige, massige Körper mit der schwertförmigen Rückenflosse und der bizarre Kopf mit den Kulleraugen an der Seite machen diese Spezies unverwechselbar. Wenn sie direkt auf uns zuschwimmen, sieht man nur ein klaffendes rotes Maul mit messerscharfen Zähnen. Mittlerweile haben sich die Ammenhaie vor uns versammelt, in der Hoffnung, eine Fischgräte zu ergattern. Neil schiebt sie immer weg. „Auch wenn sie harmlos wirken. Was die in ihrem Saugmaul haben, lassen sie nicht mehr los. Alle Haie haben scharfe Zähne. Bitte nicht anfassen“, warnte Neil bereits beim Briefing zur Vorsicht.
Und wieder schießt ein Hammerhai auf die Box zu und dreht blitzschnell vor uns ab, dass man Kraft und Wucht durch die Wasserbewegung am eigenen Leib spürt. Durch ihren Kopf können sie sich extrem schnell drehen. Ihr relativ kleines Maul können sie so weit öffnen, dass ein Medizinball Platz hätte. Langsam nähern sich vier große Bullenhaie. Die Jäger trauen sich nicht richtig heran. Nur ein extrem kräftiges Tier löst sich von der Gruppe und zieht scheinbar desinteressiert seine Kreise um unsere Gruppe. „Die Hammerhaie sind die Chefs im Ring und verjagen die Bullenhaie“, erläutert uns Watson nach dem Tauchgang den Grund für die Zurückhaltung. Nach 90 Minuten ist der Tauchgang, wenn man die Hockerei in sechs Metern Tiefe als solchen bezeichnen möchte, zu Ende.
„Wahnsinn!“, ruft Yvonne. Ohne Frage wechselt die anfängliche Furcht schnell in Faszination und Dankbarkeit, derart große Raubfische so hautnah erleben zu dürfen. Zurück bei den Bimini Sands besucht uns Felicie Dhellemmes vom Sharklab. So nennt sich die Bimini Biological Field Station (BBFS), die hier in den seichten Mangroven-Gewässern eine Haiforschungsstation sowie Aufzuchtbereiche für Zitronen- und Ammenhaie leitet. Sie interessieren sich für unsere Fotos und wollen wissen, ob wir markierte Hammerhaie gesehen haben.
Zurück in der Unterkunft, dem Big Game Bimini, direkt am Alice Town Marina, geht die Hai-Show weiter. Im Hafenbecken kreist ein Dutzend Bullenhaie. „Die sind immer hier“, sagt Benjamin von der Hafen-Security. In erster Linie ist Bimini Ziel der Big-Game-Fischer. „Catch and release“, also Fangen und Freilassen ist angesagt bei Marlinen und Fächerfischen. Die anderen werden gefangen und im Hafen ausgenommen. Deshalb sind so viele Haie hier. Ein Schild mahnt, Haie nicht zu angeln. „Das ist auf den Bahamas strengstens verboten“, sagt Benjamin.
Grand Bahama – auf Tigerhai-Tour
Mit dem Flugzeug geht es von Bimini via Nassau nach Grand Bahama. Die 40-minütige Fahrt mit dem Bus von Freeport bis Westend gibt einen Einblick auf die wenig erschlossene Insel. Das Old Bahama Bay Resort liegt am westlichsten Zipfel der Insel an einem weißen Sandstrand. Die pastellfarbenen Häuser mit luxuriös ausgestatteten Apartmentwohnungen inklusive Küchenzeile und Meerblick sind sensationell. Unsere Nachbargäste, vier Kanadier, machen ein Barbeque am menschenleeren Strand und laden uns ein – großartig!
Am nächsten Tag soll der legendäre Tiger Beach angesteuert werden. Der wahrscheinlich beste Spot der Welt, um große Tigerhaie zu erleben. Hier vertreibt sich auch die berühmte Fünf-Meter-Tigerhaidame „Emma“ ihre Zeit. „Die Ortstreue ist umso verwunderlicher, weil diese aktiven Haie um die ganze Welt schwimmen könnten“, erläutert Kenneth Livingstone. „Bei einem Tigerhai wurden Distanzen von über 40 000 Kilometern gemessen“, berichtet der Inhaber der Tauchbasis West End Watersports. Leider verfinstert sich der Himmel am Abend. Ein Tropenunwetter zieht auf. „Keine optimalen Bedingungen, aber wir fahren raus!“, sagt der Kapitän. Die eineinhalb Stunden dauernde Tour auf dem Speedboat ist kein Vergnügen. Kurze Beratung an Bord. Aus Sicherheitsgründen gibt es nur einen Tauchgang.
Jamie Ferguson und Rodney Evans warten auf dem Grund in acht Metern Tiefe. Um die Baitbox kreisen ein Dutzend Zitronen- und Karibische Riffhaie. Mit starrem Blick und aufgerissenem Maul schwimmen die Lemonsharks knapp über dem Grund und kommen so nah, dass sie uns mit den Brustflossen streifen. Wo bleiben die Tigerhaie?
Plötzlich schiebt sich ein dreieinhalb Meter großer Tigerhai durch unsere Gruppe. Vollkommen furchtlos. Ohne Anzeichen von Aggressivität. Ein weiterer folgt und rückt bis auf wenige Zentimeter vor die Tauchmaske. Der schlechte Ruf der massigen Tiere sowie die Legenden von Ölfässern, die angeblich in ihren Mägen gefunden wurden, inklusive ihrer bekannten Attacken auf UW-Blitze lassen alle Taucher vorsichtig agieren. Wenn man in ihre großen, schwarzen Augen sieht, wirken sie beinahe sanft. Kaum vorstellbar, dass dieser Hai zu den gefährlichsten seiner Spezies gehört. Wenn sie näher kommen, verdrehen sie den Augapfel und zucken mit der Nickhaut, um ihr Augenlicht zu schützen. Die Sicht wird schlechter und Jamie gibt das Zeichen zum Auftauchen. „Mehrere Tigerhaie sind wie ein Wolfsrudel und man muss höllisch aufpassen!“
Der Ausstieg ist gewöhnungsbedürftig: Die Zitronenhaie verfolgen die Taucher zur Oberfläche. Es fühlt sich befremdlich an, wenn Rückenflossen neben der Leiter aus dem Wasser ragen. Oben gießt es in Strömen. Während der Rückfahrt frösteln alle, aber es hat sich gelohnt. „Rough ride and a good dive“, so Kenneths Fazit. Wo war Emma? „Die hatte keinen Bock bei dem Wetter zu kommen“, frotzelt Guide Jamie.
Nassau – Riffhaie in Massen
Mit Bahamasair geht es in 30 Minuten wieder zurück nach Nassau. Am Strand Cable Beach liegen einige attraktive Hotelanlagen. Eins davon ist von den Sandals Royal Bahamian. Das All-inclusive-Resort ist beliebt bei Tauchern, weil zwei Tauchgänge pro Tag inklusive Ausrüstung im Preis inbegriffen sind. Wir kommen mit Stefan und Sandra Urban ins Gespräch. Der TAUCHEN-Artikel (08/2015 „Hai-Society“) hat die Hannoveraner inspiriert, hierherzukommen. Unglaublich! So klein ist die Welt! Wir schlagen einen Tauchgang ohne Haie vor, aber der Guide winkt ab: „Ohne Haie, Rum und Reggae läuft auf den Bahamas nichts“, feixt Nelson von der Sandals-Tauchbasis.
Wie prophezeit sehen wir neben Karibischen Riff- und Ammenhaien und Nassau-Zackenbarschen viele bunte Korallenfische. Im Freiwasser findet man Barrakudas und Stachelrochen. An den Wracks kann man viele große Langusten und armdicke grüne Muränen entdecken.
Jetzt geht es mit Bahamas-Legende Stuart Cove unter Wasser: Egal wo die Bootsmotoren stoppen: Haie! „Nehmt bitte zwei Kilo mehr mit“, sagt Sharkfeeder Stephen, während er sich in den „Neptunic“-Kettenanzug pellt. Durch die Aufregung atmet man schneller und hat mehr Auftrieb. Kaum abgetaucht, zeigen sich die ersten Jäger, die den farbenprächtigen Riffbewohnern die Show stehlen. Zwei Zackenbarsche folgen der Gruppe wie Hirtenhunde. Beim zweiten Tauchgang ist eine Fütterung geplant. Jean, ein französischer Tauchgast, schüttelt den Kopf. „Ich mag keine Sharkfeeds“, sagt er, macht aber mit. Der Guide gibt Anweisungen, die Arme am Körper zu halten. Wie ein Gladiator sieht der Sharkfeeder im Kettenanzug aus. Während sich die Haie sonst höchstens auf Armlänge nähern, kommen sie jetzt auf Tuchfühlung heran. Die Riffhaie „parken“ gern mal ihre Brustflosse auf der Schulter der Taucher. Mittlerweile kreisen mehr als 30 Haie um die Gruppe. In der „Haisuppe“ sind Rempler unvermeidbar. Aber ohne Aggression. Zurück an Bord lautet das meistgerufene Wort „Amazing!“. Die Skepsis hat sich gewandelt: „Ich hätte nie gedacht, dass die Haie so nah kommen“, sagt Jean überdreht. „Vergiss, was ich vor dem Tauchgang gesagt habe – das war einfach nur geil!“
Eluthera – unterwegs mit der Sharkschool
Eleuthera zählt für viele zu den schönsten Bahamaszielen. Obwohl hier VIPs regelmäßig Urlaub machen oder hier wohnen, gibt es Low-Budget-Unterkünfte. Neben Luxus-Resorts kann man wie im „Surfers Haven Guesthouse“ für 30 US-Dollar übernachten – mit lockerer Atmosphäre und Open-Air-Gemeinschaftsküche. Die Tauchbasis Ocean Fox Cotton Bay liegt am südwestlichen Ende der Insel im Davis Harbor. Basisleiter Al Curry und seine Guides Anderson und Paul machen bei geführten Tauchgängen und Sharkfeeds einen großartigen Job. Dr. Erich Ritter mit seiner Sharkschool ist auch hier. Aus der Hand füttern sieht man ungern, es gibt eine Baitbox zum Anlocken. Um die Bioinvasion einzudämmen, werden Feuerfische gefangen und an die Haie gefüttert.
Cat Island – im Reich der Weißspitzen-Hochseehaie
Die kleinste Insel der Bahamas ist wie Eleuthera per Linienflug oder Boot von Nassau aus errreichbar. Auf der fruchtbaren und schönen Insel gibt es keine Taxis. Einfach Locals „Are you going my way?“ fragen, um per Anhalter Cat Island zu erkunden. Zum Entspannen gibt es weiße Sandstrände. Für den Adrenalin-Kick können Taucher vom April bis Juni mit Weißspitzen-Hochseehaien (Longimanus) tauchen. Die Basis im Greenwood Beachresort wird vom französischen Pärchen Pauline und Antoine geführt. Im Süden findet man mysteriöse Höhlen.
Abaco & Exumas – unter Schwarzspitzenhaien
Wer Schwarzspitzenhaie sehen möchte, sollte eine Exumas-Safari oder Abaco-Ausfahrt anpeilen. Hier findet man noch wahre Paradiese und Inselchen, die unbewohnt sind. Die Boote starten in Nassau und steuern bei der Exumas-Tour auch die „Pig Beach“ mit den schwimmenden Schweinen an.
Andros – Sägerochen ahoi!
Jedes Jahr im Juni steuern die Tauchbasen von Andros, Bimini und Nassau die Mangrovengebiete der Insel an, um mit Sägerochen zu tauchen. Die bis zu fünf Meter langen Fische sind am Rostrum erkennbar. Weil sie mit dieser Säge in Netzen hängen bleiben, werden sie häufig als Beifang geangelt.
INSELHOPPING & HAITAUCHEN
Die Bahamas sind perfekt für das Inselhüpfen mit Flugzeug oder Boot geeignet. Idealer Standort ist Nassau als Drehkreuz mit Stadtleben und Traumstränden. Haie sind auf den Bahamas geschützt, der Fang ist gesetzlich verboten. Mehr als 40 Haiarten leben hier. Die Großen Hammer- und Bullenhaie zeigen ihre Flossen vor Bimini während Tigerhaie zum Tête-à-Tête vor Grand Bahama einladen. Weißspitzen-Hochseehaie sieht man vor Cat Island. Wenn man mit vielen Karibischen Riff- und Ammenhaien tauchen möchte, ist man in Nassau und Eleuthera am besten aufgehoben. Wer mit Schwarzspitzenhaien abtauchen will, steuert Abaco oder die Exumas an. Die extrem raren, bis zu sieben Meter langen Sägerochen, ziehen nur im Juni vor Andros ihre Kreise in den Mangrovengebieten.
Veranstalter: www.as-tauchreisen.de, www.aquaactive.de, www.belugareisen.de, www.rcf-tauchreisen.de, www.waterworld.at, www.wedive.ch, www.wirodive.de
An- und Rundreise: Zehn Stunden Flug von London nach Nassau. Airlines wie Bahamasair fliegen die anderen Inseln an (rund 75 Dollar). Außerdem gibt es Fähr- und Postbootverkehr.
Reisezeit: Ganzjahresziel – von August bis Oktober Hurrikan-Gefahr.
Klima: Luft: 24 bis 32 Grad, Wasser 24 bis 29 Grad Celsius.
Strom: 120 Volt. Adapter nötig!
Geld: Bahamas-Dollar entspricht dem US-Dollar
Verkehr: Auf den Bahamas gilt Linksverkehr
Text: Michael Krüger