Saba: Verzauberte Märchenkulisse
Keine Viertelstunde und etliche Serpentinen später ist das Hotel und Restaurant Scout’s Place erreicht. „Willkommen auf Saba!“, strahlt Barbara Tooten, während sie die Gäste begeistert durch die offene Anlage führt. „Durch die Hangbauweise genießt ihr von jedem Zimmer aus den Blick aufs Meer“, schwärmt die Kölnerin, die mit ihrem Mann Wolfgang neben der Anlage auch das Tauchzentrum Saba Divers leitet. Morgens und abends hängen hier manchmal die Wolken so tief, dass die Gäste auf der Terrasse des Restaurants wie im dichten Nebel sitzen. Beim Blick auf die hügelige grüne Insel werden Kindheitserinnerungen wach. Saba erinnert an eine Märchenfilmkulisse: Die meisten Häuser sind weiß, haben grüne Fensterläden und rote Dächer. Einige Teile sehen aus, wie die Berglandschaft einer Märklin-Modelleisenbahn – irgendwie stimmen die Maßstäbe nicht hundertprozentig. Sind die Kirchen nicht eine Nummer zu klein geraten? Auch die exotische Geräuschkulisse aus dem tropischen Regenwald passt nicht zur Alpenromantik. Eigentlich wartet man jeden Moment, dass die Bewohner mit Zipfelmützen auf dem Kopf und der Hand auf der Schulter des Vordermanns im Entengang „Hei ho“ johlend über die Straße laufen. „Schon gut, wir sind hier schon alle ein bisschen verrückt“, lacht Wolfgang Tooten, „Zwerge habe ich noch nicht gesehen, aber gesungen wird immer freitags zur ,Sabaoke‘ in Scout’s Place“, so der Tauchlehrer, der beim Karaoke genauso wie Barbara, gern selbst das Mikro in die Hand nimmt und Party macht.
Billy Ten Holt wartet bereits mit seinem Taxibus am Eingang des Hotels, um die Tauchgäste zur Saba-Divers-Basis am Hafen zu kutschieren. Während der viertelstündigen Fahrt berichtet Divemaster Elisa Malzkorn begeistert von den reichen Korallenbänken und den regelmäßigen Riffhai- und Adlerrochenbegegnungen. Die Erklärung für den marinen Reichtum sei nach ihrem Urteil einfach: „Seit 1987 gibt es rund um die Insel einen National Marine Park – der Fischfang ist verboten und alle 26 Spots haben feste Verankerung“, erklärt die Kölnerin. Angekommen: Während sich die Gäste umziehen, lädt die Crew bereits Flaschen und Tauchequipment an Bord – sehr bequem und typisch karibisch. Es gibt hier viele flache Anfängerspots. Bekannt ist Saba aber für die Pinnacles, die hufeisenförmigen und tiefen Unterwasserberge. Kapitän und Diveguide Bob Appleyard umkurvt die grüne Insel mit dem Schiff, um den Top-Spot Third Encounter anzusteuern. Das ist ein Berg mit einer Plattform aus Korallen in 33 Meter Tiefe. An den Pinncale-Spots kommt man schnell ans Sporttaucherlimit: Unterhalb fallen die Felswände steil in die Tiefe ab. Schwarzspitzenhaie und große Fischschwärme, mächtige Korallengewächse und Schwämme begeistern selbst erfahrene Taucher. Nicht ohne Grund tauchen die Pinnacles immer in den Listen der Top-Tauchplätze der Welt auf. Wer noch mehr Unterwasser-Bewohner mit der markanten Rückenflosse sehen möchte, sollte Shark Shoal einen Besuch abstatten. Rund um die Felsnadel gibt es fast immer Karibische Riffhaie zu sehen. Wenn sie sich nicht blicken lassen, gibt es mit ziemlicher Sicherheit Schnapper, Makrelen oder Thunfische en masse zu sehen. Heiße Unterwasser-Quellen und große Fische, wie der getigerte Nassau-Zackenbarsch, lassen sich immer wieder am Spot Babylon blicken. Bob erzählte bereits beim Briefing, dass ihn mehrere Schildkröten auf den Atemregler geküsst haben. Kein Seemannsgarn – seine Verheißungen über zutrauliche marine Bewohner treffen voll ins Schwarze. „Sie haben einfach keine schlechten Erfahrungen mit Tauchern gemacht“, vermutet Saba-Urlauberin Betty, die jedem Tauchgast mit großer Euphorie von ihrer Buckelwal-Begegnung berichtet.
Urlaub auf Saba: Traumstrände? Fehlanzeige!
Das Karibik-Klischee bedient Saba allerdings nicht: Wer Traumstrände sucht, ist hier nicht richtig aufgehoben, denn es gibt keine! Die Steilküste macht das Baden im Meer nahezu unmöglich. Einzige Ausnahme: Der kleine aufgeschüttete Sandstrand Cove Bay, direkt am Flughafen. „Wir finden es super, dass es hier keinen offiziellen Strand gibt“, schmunzelt Petra Rogenhofer. „Die Freundlichkeit der Leute und der untouristische Charakter sind der Grund, warum wir hier sind“ sagt ihr Freund Hans Brandl. „Ein Bergdorf mit karibischem Tauchen!“, so die spontane Einschätzung des Münchner Pärchens, dass für zwei Wochen auf der Insel bleibt.
Viele Touristen kommen ausschließlich zum Wandern nach Saba. Das geht hier denkbar einfach, weil die Wege gut beschildert sind. Ein Verlaufen ist nahezu ausgeschlossen. Aber die Touren durch die Dschungellandschaft sind teilweise anspruchsvoll – ohne Trekking-Boots sind Wanderungen über den rutschige Untergrund nicht zu empfehlen. Der Aufstieg zum Mount Scenery ist zwar anstrengend, aber gehört zur Pflichtveranstaltung auf Saba. Dabei lassen sich häufig Einsiedlerkrebse und verschiedene ungiftige Schlangenarten entdecken. Große grüne Leguane und handtellergroße Vogelspinnen sind im Dschungel perfekt getarnt und nur mit Glück zu finden. Das tropisch-feuchte Klima sorgt für üppige Vegetation und Blütenträume aus Oleander und Hibiskus sowie tropische Regenwälder.
Saba ist eine Insel am Ende des Universums
Die wunderschöne Insel erinnert an Helgoland, ist aber mit 13 Quadratmeter Fläche rund sechs Mal größer als die deutsche Nordseeinsel. Aber nicht wirklich groß. Die vier kleinen Ortschaften und die Hauptstadt The Bottom, Hell’s Gate, St. Johns und Windwardside ducken sich an die Hänge der malerischen Märchenlandschaft. Die „Insel am Ende des Universums“ besteht zum größten Teil aus dem Vulkan Mount Scenery. Der höchste Gipfel seiner vier Kegel reckt sich 877 Meter in die Höhe und markiert damit die höchste Erhebung des Königreichs der Niederlande. Und das in „Flat-Holland“ – dem Land, bei dem man schon einen Tag vorher weiß, wer zu Besuch kommt. Die Abgeschiedenheit hat allerdings ihren Preis: Das Leben auf Saba ist nicht gerade günstig, da fast alles eingeschifft wird. Einige Lebensmittel haben „Apothekentarife“. Lokale Getränke und südamerikanische Weine sind günstiger. Wer beim Essengehen sparen will, sollte die Angebote der Restaurants studieren. „Freitags gibt’s meine berühmten Spare-Ribs“, verkündet Eddie Hassell. Der 62-Jährige und seine Frau Patricia betreiben das Restaurant Swinging Doors in Windwardside. Wie es zum Namen kommt? „Ein Paket aus Georgia mit Schwingtüren wurde fälschlicherweise an mich geschickt“, erinnert sich Hassell, „auf Saba durfte man früher nicht allzu wählerisch sein.“
Nicht umsonst wird die Insel „The Unspoiled Queen“, die unberührte Königin, genannt. Die schwer bezwingbare Vulkaninsel mit Platzproblem könnte auch „Sonderbar“ heißen: Eine Straße gibt es erst seit den 50er-Jahren: „Kaum zu glauben, dass lange Zeit alles über die 99 Stufen einer Steintreppe geliefert wurde“, erinnert Wolfgang Tooten und fügt an „Der Hafen existiert in dieser Form auch erst seit den 90er-Jahren, den Flughafen gibt es seit den 60ern“. Und der „Juancho E. Yrausquin Airport“ ist einzigartig. Die Open-Air-Bar „The Flight Deck“ am Eingang beschallt die Halle mit Reggae-Sounds. Aber dieser Flughafen ist nicht nur der vielleicht freakigste der Welt: Mit 396 Meter Länge hält Saba den Rekord der kürzesten, kommerziell genutzten Landebahn auf dem Globus. Piloten brauchen eine Sondergenehmigung. Die extreme Lage des Flughafens fordert äußerste Konzentration, weil im Notfall kein Ausrollen möglich ist: Die Landebahn endet im Ozean!
„Sabas Silhouette hat im Original King-Kong-Film von 1930 als Skull-Island Geschichte gemacht“, erklärt Barbara und zeigt von der Scout’s Place-Terrasse auf die Vulkanwipfel. Die Dichte an Originalen sei groß: „Da oben wohnt Percy Ten Holt. Der bläst jeden Morgen in die Schale einer Conch-Schnecke und kündigt so jede Fähre an. Weiter hinten betreibt ein Pärchen ein Restaurant mitten im Regenwald …“ Mit funkelnden Augen erzählen die Kölner, die seit 15 Jahren auf der Insel leben, weitere Anekdoten und spätestens jetzt wird jedem Besucher klar, dass die Zeit auch auf dieser skurrilen, kleinen Insel zu kurz ist, um alle Facetten und Schrulligkeiten kennenzulernen. „Inselkoller? Wenn uns Saba zu ruhig wird, fliegen wir einfach in 20 Minuten nach St. Maarten. Und da gibt es einfach alles!“, lacht Wolfgang Tooten.
Herzklopfen: Die kürzeste Landebahn der Welt
Die meisten Fernreisen beginnen und enden eingezwängt im Flugzeugmobiliar: Die stundenlange Sitzerei während der An- und Abreise ist meistens nur eins – unglaublich ereignisarm. Der Karibiktrip zu den drei holländischen „SSS“-Inseln bringt willkommene Abwechslung in die Kabinen-Trance, denn bei den Landungen werden auf St. Eustatius, Saba und St. Maarten einige der spektakulärsten Fluglätze der Welt angesteuert: Auf Saba mit knapp 400 Metern die kürzeste Landebahn der Welt – atemberaubend!
Jetzt weiterlesen:
Teil 1: Tauchen in der Karibik: St. Eustatius ist ein unpolierter Schatz
Teil 3: St. Maarten: Aufregendes Tauchen in der Karibik
Saba Reiseinfos
1. Mit den Saba-Divers an den Pinnacles tauchen und zutrauliche Meerestiere erleben. Adlerrochen, Riffhaie und mit Glück Buckelwalen erleben.
2. Vulkan-Tour zum Mount Scenery: Den höchsten Berg der Niederlande besteigen.
3. Vom Balkon des Scout´s Place aus aufs Meer schauen und abends mit den Tootens „Sabaoke“ feiern.
ANREISE
Mit Air France oder KLM nach Paris, von dort nach St. Maarten. Mit einem Propellerflugzeug geht es mit der Fluglinie WinAir nach Saba. Flugzeit 15 Minuten. www.fly-winair.com. Achtung: Air France achtet genau auf die Einhaltung der Gewichtsgrenze beim Flug- (23 Kilogramm) sowie Handgepäck (12 Kilogramm.) Angenehm: Die Koffer werden von Deutschland bis Saba durchgecheckt.
WOHNEN
ST. EUSTATIUS
Old Gin House, www.oldginhouse.com
SABA Scout´s Place, www.scoutsplace.com
ST. MAARTEN
The Holland House, www.hhbh.com
ST. MARTIN Love Lounge Bar & Hotel, www.love-sxm.com
TAUCHEN
ST. EUSTATIUS Golden Rock Dive Center, www.goldenrockdive.com
SABA Saba Divers, www.sabadivers.com
ST. MAARTEN Ocean Explorers Dive Center, www.stmaartendiving.com
INSELHOPPING Fähre: Etwa 60 bis 75 Minuten. Drei Mal die Woche von St. Maarten nach Saba und am selben Tag zurück, ca. 80 US-Dollar). Flug: 20 Minuten St. Maarten, (ca. 175 US-Dollar hin und zurück)
PREISBEISPIEL
Die beschriebene Reise wird vom Reisecenter Federsee organisiert. 7 Tage St. Eustatius, 7 Tage Saba, 2 Tage St. Maarten, 2399 Euro pro Person, www.rcf-tauchreisen.de
TOURIST-INFOS
ST. EUSTATIUS www.statiatourism.com
SABA www.sabatourism.com
ST. MAARTEN www.vacationstmaarten.com
ST. MARTIN www.stmartinisland.org