Reiseberichte

Tauchen im Mittelmeer: Auf der Insel Giglio startet die erste Saison ohne die Costa Concordia

Bezaubernder Fischerort: Giglio Porto an der Ostküste der Insel. Fotos: Frank Schneider
Gesund und munter: Rote Gorgonien findet man an allen Küstenabschnitten Giglios. Fotos: Frank Schneider
Gesund und munter: Rote Gorgonien findet man an allen Küstenabschnitten Giglios. Fotos: Frank Schneider

Am 13. Januar 2012 rammte das 290 Meter lange Kreuzfahrtschiff Costa Concordia einen Felsen vor der toskanischen Insel Giglio. Seit es daraufhin mit tödlichen Folgen für 32 Passagiere unmittelbar neben der Hafeneinfahrt direkt vorm Ufer zu liegen kam, war für die verschlafene Insel drei Jahre lang nichts mehr wie vorher. Jetzt beginnt die erste Saison nach der Havarie ohne den Metallgiganten vor Giglio Porto, und zwar auch für die Fauna und Flora vor der Küste. Die ist Teil des Parco Nazionale dell’ Arcipelago Toscano – dem Nationalpark des Toskanischen Archipels.
Giglio hat – ganz „Toskana-typisch“ – ebenfalls einen Hügel, Zypressen, eine mittelalterliche Festungsstadt und Weinhänge. Und alles ist gesäumt von Felsenriffen: Auf 27 Kilometern Küstenlinie verteilen sich etliche Tauchplätze. Die Bilder des auf der Seite liegenden Kreuzfahrtriesen gingen um die ganze Welt. Und viele Urlauber blieben fern. Das mit den Bildern ist seit dem Abtransport der „Costa Concordia“ im Sommer 2014 Geschichte. Umweltorganisationen hatten in der Zeit davor Wasserproben entnommen und Untersuchungen durchgeführt. Insulaner, Naturschützer und Meeresbiologen bangten wegen des Aufrichtens des Wracks um die Gewässer vor der Küste der Insel, da der Abfluss von Treibstoffresten, Schmiermitteln und Chemikalien aus dem Schiff nicht sicher ausgeschlossen werden konnte. Die Vorbereitung für das Abschleppen dauerte viele Monate. Bis zuletzt gab es auch Stimmen, die davor warnten, das Wrack könne beim Abtransport vor Giglio oder auf dem Weg nach Genua Risse bekommen und Substanzen ins Meer gelangen. Das schlimmste Szenario beschrieb ein Auseinanderbrechen und den vollständigen Untergang. Damit wären weite Teile der toskanischen Küstengewässer betroffen gewesen. All das passierte glücklicherweise nicht. Der (noch) schwimmende Schrotthaufen liegt mittlerweile in Genua, wo er abgewrackt wird. Was wir wissen wollten: Sind die Uferzonen von Giglio beim Heben des Wracks unter Wasser tatsächlich von Umweltschäden verschont geblieben?
An der Stelle, an der die „Costa Concordia“ nach der Notankerung in relativ flachem Wasser kaum 30 Meter von Giglio entfernt liegen blieb, befand sich kein Tauchplatz. Hier gibt es nur Felsen und Seegras. Das Heck des Schiffs aber reichte an den Rand des Abhangs, der zur Steilwand namens Lazaretto führt. Dort, zu Füßen der alten Quarantänestation von Giglio, war das Tauchen bis zum Abtransport des Wracks verboten. Mittlerweile ist es eingeschränkt möglich: Der Bereich, in dem das Schiff auf Grund lag, ist nach wie vor tabu.
Wie es dort aussieht, wissen nur die Taucher der Bergungsfirma und der italienischen Behörden. Fest steht: Zum einen liegen dort noch Gegenstände vom Schiff auf dem Meeresboden, zum anderen steht noch die Arbeitsbühne, mit deren Hilfe das Wrack aufgerichtet wurde. Strittig ist noch, ob diese Plattform demontiert oder als künstliches Riff unter Wasser bleiben soll. So oder so: Der Steilabfall unterhalb des alten Lazaretts ist wieder zugänglich. Hier hätten die Substanzen aus dem Wrack bei einer Strömung nach Norden als erstes das Biotop getroffen.
Ab 30 Meter fällt eine kleine Steilwand in die Tiefe. Sie ist früher an den schattigen Stellen von Gelben Krustenanemonen bewachsen gewesen. In der tieferen Zone standen große Rote Gorgonien. Und heute? Wenige Minuten nach dem Abstieg am Lazaretto kann ich entspannt durchatmen. Im Licht meiner Lampe leuchten die Parazoanthus-Anemonen. Unweit davon haben die Fächerkorallen ebenfalls keinen Schaden genommen. Beide sind Meeresbewohner, die empfindlich auf Veränderungen der Wasserqualität reagieren würden. Dass sie hier unverändert zu sehen sind, ist ein erstes, sehr gutes Zeichen.

Seegras und Steckmuscheln

Vom Turm in Campese wurde 1799 der letzte Piratenangriff abgewehrt. Fotos: Frank Schneider
Vom Turm in Campese wurde 1799 der letzte Piratenangriff abgewehrt. Fotos: Frank Schneider

Der nächstgelegene Tauchplatz, an dem das Tauchen nicht verboten ist und den man als Referenz heranziehen kann, ist Le Scole. Er liegt auf der anderen, der Südseite der Hafeneinfahrt von Giglio Porto. Ironie des Schicksals: Le Scole wird zur Insel hin von ein paar Felsen markiert, die aus dem Meer herausragen. Gegen einen dieser Blöcke war das Kreuzfahrtschiff gedonnert. Rundherum wuchsen unter der Wasseroberfläche an vielen Stellen Posidonien. Das langblättrige, saftiggrüne Mittelmeerseegras gilt wie die großen Steckmuscheln als sensibler Indikator für Gewässerqualität im flacheren Wasser. Beide mögen keine Wasserverschmutzung, schon gar keine Chemikalien. Etwas tiefer hatten sich Rote Gorgonien angesiedelt.
Etwas, das Le Scole von allen anderen Tauchplätzen Giglios unterscheidet, nämlich seine Skulpturengruppe, war beim Crash der „Costa Concordia“ vom Bug des Schiffs nur um Haaresbreite verfehlt worden. Der Taucher mit den beiden Delphinen hatte dasselbe Glück wie die Jesusstatue, die ihre Hände scheinbar flehend zum Himmel hebt. Dieser Platz war während der ganzen Zeit freigegeben. Aber wie zeigt er sich, nachdem das Schiff weg ist? Hat vielleicht doch irgendwann einmal eine Strömung Schadstoffe nach Süden getragen und Spuren hinterlassen?

Tauchgang an der Unfallstelle der Costa Concordia

Der alte Anker liegt nur wenige Meter von der Stelle entfernt, an der die „Costa Concordia“ den Felsen rammte. Fotos: Frank Schneider
Der alte Anker liegt nur wenige Meter von der Stelle entfernt, an der die „Costa Concordia“ den Felsen rammte. Fotos: Frank Schneider

Erst nach zweieinhalb Jahren waren endlich wieder Tauchgänge an der Ostseite Giglios möglich, ohne den Havaristen in der Nähe zu wissen. Das Schlauchboot ankert über flachem Grund in sicherer Entfernung seitlich der Hafeneinfahrt. Mein Blick fällt nach dem Abtauchen auf die Seegraswiese in wenigen Meter Tiefe unter mir. Bald erkenne ich, dass sich die verstreuten Flecken mit den Mittelmeer-Posidonien unverändert zeigen. Dazwischen flitzen bunt gestreifte Meerjunker umher, und vereinzelt ziehen kleine Doraden vorbei. Als ich dichter über das Seegras tauche, entdecke ich mehrere leicht geöffnete Steckmuscheln. Sobald sich ihnen ein Taucher zu schnell nähert und sie eine Veränderung des Wasserdrucks spüren, klappen sie zu. Und genau das tun sie jetzt – sie leben also. Den Oktopus, der angesichts der Taucher seine Tarnfarbe wechselt und schnell einen Unterschlupf sucht, nehme ich nur zufällig wahr. Ganz offensichtlich hat auch hier nichts einen schädigenden Einfluss hinterlassen. Weiter unten filtern die Fächerkorallen – Gelbe und Rote Gorgonien – Partikel aus dem vorbeiströmenden Wasser. Davor tummeln sich braune Mönchsfische in einem ansehnlichen Schwarm, während zwei junge Barsche vorsichtshalber die Flucht ergreifen. Zwischen bunten Krustenschwämmen entdecke ich ein paar Fadennacktschnecken, die durch einen Miniaturwald aus Algengewächsen wandern. Angesichts meiner Momentaufnahme eines ganz normalen Tagesablaufs im Riff bin ich jetzt sicher: Zumindest die Natur vor Giglio hat Glück gehabt. „Endlich können auch die Meeresschützer und Biologen aufatmen“, sagt Reiner Krumbach, Chef der deutschen Basis Campese Diving Center an der Westseite Giglios und ergänzt: „Wir sind die anderen Tauchplätze in den letzten zweieinhalb Jahren natürlich weiterhin angefahren und haben die Situation ständig beobachtet. Irgendwann war klar, dass die Sicherungsmaßnahmen an der Unfallstelle ein Verteilen ausgetretener Flüssigkeiten tatsächlich eingedämmt hatten. Und wir hatten immer gehofft, dass die Tauchplätze an den Inselstellen verschont bleiben, wenn etwas an der Ostküste ausgetreten und nach Norden oder Süden geschwemmt worden wäre. Aber mal ehrlich: 100-prozentig sicher sein konnte sich keiner. Und über mögliche Folgen durch das Aufrichten des Wracks waren sich ja nicht einmal die Experten ganz im Klaren.“
Das Bangen hat jetzt ein Ende. Die Bewohner Giglios hoffen, dass sie ab jetzt in erster Linie wieder als Urlaubsinsel wahrgenommen werden. Das gilt erst recht für die ansässigen Tauchbasen. Ob Plätze direkt an der Küste wie Secca I und Secca II mit ihren Korallenbeständen oder das etwas vorgelagerte tiefere Felsenriff Appenin mit seinem stationären Barrakudaschwarm: Die Tauchgründe dieses Teils des Nationalparks der Toskana sind einer möglichen Umweltkatastrophe nach dem Schiffsunglück entgangen. Ab der neuen Saison werden sich die Gespräche der Taucher von Giglio wieder einzig um Zackis, Nacktschnecken, Korallen & Co. drehen.

Reisefakten Giglio

Anreise und Wohnen

Krustenanemonen und bunte Schwämme wachsen schon in geringen Tiefen. Fotos: Frank Schneider
Krustenanemonen und bunte Schwämme wachsen schon in geringen Tiefen. Fotos: Frank Schneider

Mit dem Auto aus Deutschland über Basel nach Mailand und Richtung Florenz oder über die Brennerautobahn nach Modena und weiter in Richtung Florenz. Bei Livorno die Ausfahrt Rosignano-Cécina nehmen und bis Porto Santo Stefano fahren. Hier legt die Fähre nach Giglio Porto ab. Alternativ: Flüge nach Rom oder Pisa und kostenpflichtiger Transfer nach Absprache mit der Basis.

Wohnen

Das kleine Hotel Campese hat 47 Zimmer und liegt am Strand rund 300 Meter vom Campese Diving Center entfernt. Preise ab 58 Euro. Info: www.hotelcampese.com. Die meisten Taucher verbringen ihren Urlaub auf Giglio jedoch in Appartments oder Ferienwohnungen in Porto Campese (Preise ab 30 Euro pro Person). Die Tauchbasis hilft bei der Vermittlung.

Restaurant Tipps

Das Ristorante Da Tony liegt nur ein paar Schritte vom Festungsturm am Rande der Bucht von Campese. Hier werden tolle Pizzen gebacken! Tipp: als Vorspeise Sardellen mit Zitronensaft auf Ruccola.
Oben auf dem Hügel, direkt am Eingang der Stadtmauer von Giglio Castello, befindet sich das Restaurant Il Trione di Meino. Hier gibt es sehr gute Fischgerichte in romantischem Ambiente.

Tipp für Selbstversorger

Es gibt auf der Insel zwar ein paar kleine Supermärkte, wer sich aber selbst versorgen will und Platz im Auto hat, ist gut beraten, die wichtigsten Lebensmittel und Getränke vom Festland oder sogar von zu Hause mitzubringen. Spart Zeit und Geld.

Tauchen

Das Campese Diving Center ist die einzige deutschsprachige Basis auf der Insel und fährt mit zwei Feststoffrumpf-Schlauchbooten zu den Spots. Preisbeispiel: 5er-Tauchpakete mit eigener Ausrüstung und Leihflasche 165 Euro, Aufpreis Nitrox (28 bis 40 Prozent) 25 Euro (fürs 5er-Tauchpaket). Campese Diving Cetner. Es gibt noch weitere italienische Tauchcenter auf Giglio: International Diving in Porto; Max Shark in Porto; Deep Blu Diving College in Campese; Giglio Diving Club

Hintergründe zum Unglück der Costa Concordia

Giglio: Bergung der Costa Concordia hat begonnen