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Vorhang auf!

Martin Strmiska

Erst trübes Wasser voller Plankton. Dann plötzlich klare Sicht auf die Bühne – in beiden Fällen eine Vorführung reichhaltigen marinen Lebens mit unglaublich vielen Darstellern. Das Publikum bei der Tauchsafari auf der M/Y »Oman Explorer« war jedenfalls begeistert.

Der Abstieg durch das dicke, türkisfarbene Wasser fühlt sich an, als würde man in Zeitlupe durch einen gewaltigen Schneesturm ins Nirgendwo fallen. Es gibt hier nichts, woran sich die Augen orientieren können, große Planktonbrocken in der Wassersäule verwirren die menschlichen Gleichgewichtssensoren. Sogar aus einer Entfernung von fünf Metern ist die Wand kaum zu erkennen. Das gilt auch für die Taucher in unserer Gruppe. In 15 Metern Tiefe verwandelt sich der »Schneesturm« in einen »Sandsturm«. Die Sonne über uns verschwindet, die Wassertemperatur sinkt auf 22 Grad Celsius, die Sicht wird immer schlechter, und die Umgebung färbt sich von türkis in bräunlich-gelb. Bei dem wenigen Licht, das von der Wasseroberfläche kommt, scheint der Grund viel tiefer als 25 Meter zu sein. Diese dunklen, unheimlichen Bedingungen sind für die Beobachtung des Korallenriffs aus der Ferne etwas ungünstig, ermöglichen aber einige wertvolle Momente – man muss dafür halt ganz nah an das Riff heranschwimmen.

Ein kurzer Akt

Ein riesiger Krake spaziert über den sandigen Boden. Mit seinen weit ausgebreiteten Armen will er groß und sichtbar erscheinen. Tarnung, die Farben und Formen der Umgebung kümmern ihn nicht. Da ihm meine Anwesenheit nichts ausmacht, tun wir uns zusammen und erkunden seine Heimat. Ich folge ihm entlang des Riffs, beobachte sein interessantes Verhalten und mache Nahaufnahmen von ihm, wie er dahinstolziert, schwimmt und Angriffe von aufdringlichen Fischen abwehrt. Er scheint fest entschlossen zu sein, einen bestimmten Ort zu erreichen. Plötzlich hält er an und setzt sich gemütlich auf einen hohen Felsen. Von hier aus scheint er die Situation zu prüfen. Bald wird das Ziel seiner Suche offensichtlich. Ein paar Meter vor ihm sitzt ein großer Oktopus weiblichen Geschlechts. Die Dame wiegt sich sanft in der Strömung und schaut in unsere Richtung. Das Männchen verfärbt sich dunkelviolett und hat am ganzen Körper kleine Ausstülpungen. Es nähert sich dem Weibchen vorsichtig. Nach einer kurzen Einführung schickt der Oktopus-Herr der Dame einen Paarungstentakel entgegen. Zunächst scheint sie über seinen Vorschlag verärgert zu sein. Sie wird weiß und bläht sich auf wie ein Luftballon. Doch dann beruhigt sie sich, kneift die Augen zusammen und nimmt den Tentakel an. Es dauert nur wenige Sekunden, bis das Männchen das Sperma abgibt. Nach dem Akt scheinen sich die Liebenden zu streiten, woraufhin das Weibchen das Männchen verlässt und in der Tiefe entschwindet. Dort sucht sie einen geeigneten Platz, um die befruchteten Eier abzulegen. Das frustrierte Männchen hat jetzt keine Lust mehr, über das Riff zu laufen und sucht sich ein Versteck.

Muränen-Metropole

Die M/Y Oman Explorer benötigt sechs Stunden Fahrt, um den nördlichsten Punkt der Kreuzfahrt zu erreichen: die Daymaniyat-Inseln. Orangefarbene Felsen, die von wunderschönen weißen Sandstränden unterbrochen werden, laden zu einem Besuch ein. Aber auch die Unterwasserlandschaft dürfte reizvoll sein. Wenn es um die Konzentration von Meereslebewesen geht, sind die Riffe um diese Inselgruppe angeblich einige der reichsten in Oman. 

Die spiegelglatte Wasseroberfläche reflektiert die Blautöne des klaren Himmels und lässt Taucher auf Begegnungen bei besserer Sicht hoffen. Doch sobald sie zu einem Tauchgang ansetzen, macht das grüne Wasser diese Hoffnung zunichte. Woher aber kommt dieses dickflüssige, grünliche Wasser? Aus den Tiefen des arabischen Meeresbeckens. Aktuellen Forschungen zufolge gibt es im nördlichen Arabischen Meer eine interessante Entwicklung. An der Nordküste Omans fällt normalerweise nicht viel Niederschlag. Anfang 2024 brachte das Klimaphänomen La Niña jedoch intensive Regenfälle auf die Arabische Halbinsel und führte an vielen Stellen entlang der Küste zu Überschwemmungen. Dubai stand teilweise unter Wasser, Flüsse von Regenwasser strömten durch die Stadt Muskat. Es ist bekannt, dass der Süßwasserkreislauf die Meeresströmungen bestimmt. Aber hier im Arabischen Meer drängt das Süßwasser das Meerwasser an der Oberfläche weiter von der Küste weg, das dann durch Wasser aus den Tiefen des Meeres ersetzt wird. Vor allem die tiefen Unterwasserschluchten im Gebiet von Muskat bieten eine große Quelle kälteren, phytoplanktonreichen Wassers, das durch den Unterdruck in die Untiefen gesaugt wird. Dies führt zu ständig wechselnden Sichtverhältnissen und Unterwasserbedingungen, die nur schwer vorhersehbar sind. Dennoch hat das Meeresleben in diesen Gewässern eine einzigartige Zusammensetzung und bietet einige recht ungewöhnliche Anblicke. 

Und tatsächlich beginnt der Tauchgang mit einer intensiven Begegnung mit zwei riesigen Netzmuränen. Seit gefühlten Ewigkeiten warte ich schon auf eine Gelegenheit, diese schönen und fotogenen Kreaturen für eine Nahaufnahme abzulichten. Hier kuscheln die beiden eineinhalb Meter langen Schönheiten zusammen unter einem großen Korallenblock. Da es keine großen Raubtiere gibt, und reichlich Nahrung vorhanden ist, brauchen sie sich nicht zu verstecken. Diese Muränen wirken freundlich und entspannt und sind bereit, sich aus allen möglichen Blickwinkeln fotografieren zu lassen. Wir treffen ein Dutzend von ihnen auf unserem Weg. Der Anblick von Netzmuränen, Zebramuränen, Gelbmaulmuränen und sogar der legendären Drachenmuräne machen die Gewässer des Oman zu einer wahren Muränen-Metropole. 

Zwei Männchen, ein Weibchen

Die Erkundung aus der Nähe aufgrund der eingeschränkten Sichtverhältnisse führt zur Entdeckung eines seltenen Ereignisses. Ein Sepia-Weibchen legt seine Eier unter einem Korallenüberhang ab. Sie richtet die Tentakel auf und steckt sie in einen schmalen Spalt. Als sie ihre Aufgabe beendet hat, schwimmt sie zurück, während eine andere Sepia meinen Weg kreuzt. Es ist ein Männchen, das sein Recht auf Schutz und Paarung mit dem Weibchen geltend macht. Mit aufrecht erhobenen Tentakeln bedroht er mich als potenziellen Konkurrenten. Egal, wie ich mich drehe und wende: Er positioniert sich immer zwischen meiner Kamera und seinem Weibchen, um mich außer Reichweite zu halten. Dann, wie aus dem Nichts, saust er in eine andere Richtung und lässt sein Weibchen allein zurück. Es gibt nur einen Grund, warum ein Männchen so ein Verhalten an den Tag legt: Ein anderes Männchen ist in Sicht. Ich stelle keine Gefahr und keinen Konkurrenten mehr dar. Jetzt geht der Kampf zwischen den beiden männlichen Artgenossen weiter, und ich bin nur noch Zuschauer dieses seltenen Naturereignisses.

Alles in Bewegung

Und dann haben wir doch noch Glück. Am folgenden Morgen ist das Wasser warm, klar und blau und enthüllt all die Geheimnisse, die bis dahin hinter trüben Planktonschichten verborgen waren. Die Augen der Taucher zeigen ein Lächeln hinter ihren Masken, während sie die Aussicht auf das Riff genießen. Erst jetzt kann man sehen, wie bunt dieses Riff wirklich ist. Und welche Dichte an Meereslebewesen darauf lebt. Die ganze Szenerie scheint in Bewegung zu sein. Schwärme von französischen Grunzern, die Tausende von Fischen zählen, schwimmen über den Weichkorallengarten. Neugierige Zackenbarsche beobachten mich aus allen Richtungen, so als hätten sie noch nie einen Taucher gesehen. Paare von übergroßen Kaiserfischen besetzen jede Ecke. Da es keine großen Raubtiere gibt, gedeiht das Leben am Riff stärker und intensiver, als es bei der Anwesenheit von Haien & Co. der Fall wäre. Obwohl Muränen und Kopffüßer immer noch vor Ort sind, entgehen sie jetzt manchmal der Aufmerksamkeit der Taucher. Denn die konzentrieren sich jetzt eher auf Stachelrochen und Schildkröten. 

Ein unvergessliches Erlebnis mit sich paarenden Kalmaren hatten wir am Ende des Tauchgangs im »Aquarium«. Als wir ins Wasser sprangen, hing ein großer Schwarm von ihnen unter dem Boot. Ihnen im Blauwasser hinterher zu jagen, brachte nicht viel. Aber sobald alle den Tauchgang beendet hatten, fand der Schwarm seine Ruhe am Riff direkt unter dem Boot. Der Paarungsakt läuft bei ihnen anders ab als bei Sepien oder Oktopussen. Ein Weibchen und mehrere Männchen sind an dem Ritual beteiligt. Der Körper der Männchen leuchtet ständig in verschiedenen Farben, während das Weibchen durch seine bräunliche Färbung unauffällig bleibt. Die Befruchtung der Eier findet nicht im Körper des Weibchens statt. Es legt die Eier an einem sicheren Ort im Riff ab. Die beteiligten Männchen setzen dann nacheinander ihre Spermien in denselben Hohlraum ab, um die Chance auf eine Befruchtung so groß wie möglich zu machen. Beobachter eines solchen Ereignisses zu sein, bringt nicht nur interessante Erkenntnisse, sondern auch Tintenfisch-Fotos ein, die ich noch nie zuvor einfangen konnte.

Starker Kaffee mit Gekreische

Auf der bewohnten Insel Al Fahal halten wir bei Sonnenuntergang eine arabische Kaffee-Session ab. Zwei Felsformationen mit weißem Sandstrand dazwischen, ein Nistplatz für Hunderte von Fregatt- und anderen Seevögeln. Mit den Zehen durch den weißen Sand zu stapfen und dabei einen starken, einheimischen Kaffee zu trinken, das fühlt sich hier genauso gut an wie auf den Malediven. Aber es gibt einen Unterschied: Hier auf Al Fahal sind überhaupt keine anderen Boote am Horizont zu sehen, und so wirkt die Abgeschiedenheit intensiver. Das laute Geschrei der Fregattvögel beweist, dass menschliche Besuche hier weder häufig noch willkommen sind. Während der gesamten Safari war die M/Y Oman Explorer das einzige Tauchboot vor Ort. In Anbetracht der Tatsache, dass ein Direktflug von Europa aus kaum mehr als sechs Stunden dauert, ist das hier eine interessante Alternative zum Roten Meer, zu den Malediven, zu all den Tauchgründen im Fernen Osten. Auf jeden Fall für alle, die sich zu den Liebhabern von Kopffüßern und Muränen zählen.

Reiseinfo: M/Y Oman Explorer

Das Safarischiff M/Y Oman Explorer steht unter der Leitung der Extra Divers Worldwide. Seit 2011 fährt es die Tauchgebiete im Oman an, je nach Jahreszeit als Nord- oder Südtour. 2015 wurde das Stahlschiff komplett renoviert. Heute verfügt es über zehn Doppelkabinen im Ober- und Unterdeck sowie eine geräumige Masterkabine für maximal 22 Taucher. Die Standardkabinen haben zwei Einzelbetten, Ventilator, Schrank, Klimaanlage, Badezimmer mit Dusche und WC. Die etwa 20 Quadratmeter große Masterkabine befindet sich auf dem Hauptdeck, bietet ein King-Size-Doppelbett und zusätzlich zur Ausstattung der Standardkabinen einen Kühlschrank und TV. Ebenfalls an Bord: ein geräumiges Tauchdeck, ein Sonnendeck mit überdachten Liegeflächen, eine Sitzecke auf dem Oberdeck und ein klimatisierter Salon. Auf den einwöchigen Touren von Samstag bis Samstag werden täglich drei bis vier Tauchgänge angeboten, inklusive Nachttauchgänge. Nur an den Tagen der Ein- und Ausschiffung wird nicht getaucht. Freitag ist der letzte Tauchtag mit ein bis zwei Tauchgängen. Zwei Mal im Jahr werden zehn Nächte lange Best-of-Oman-Touren angeboten, von Nord nach Süd oder umgekehrt. Nitrox gegen Gebühr.

Preisbeispiel: Daymaniyat-Tauchsafari mit der M/Y Oman Explorer ab 1500 Euro pro Person. Inklusive Flughafentransfers, Vollpension, Wasser, Kaffee, Saft, Tee, Tauchen (drei bis vier Tauchgänge pro Tag, außer am ersten und letzten Tag der Safari). Extrakosten: Nitrox, Hafen- und Tauchgebühren.

Infos & Buchung

www.rcf-tauchreisen.de
www.extradivers-worldwide.com
E-Mail: liveaboard@extradivers.org, info@reisecenter-federsee.de