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Das Abenteuer ist zurück – Tauchsafari auf der »Almonda«

Selbst im bekanntesten Tauchrevier Saudi-Arabiens, den Farasan Banks, können sich Seidenhai und Manta noch ungestört »Guten Appetit« wünschen. Unser Autor schwört bei Poseidon, während seiner Safari auf der »Almonda« nur einmal anderen Tauchern begegnet zu sein.

Daniel Brinckmann

Einfach herzerweichend ist sie. Gut 50 Kilogramm unverhohlene Neugierde vom Schnabel bis zur Schwanzspitze drehen sich mit dem Spiegelbild im Frontport des Kameragehäuses. Nach einer kurzen Atempause geht die Karettschildkröte erneut auf Kollisionskurs, hält inne, und kurz darauf liegt ein Vorderpaddel in der Autoren-Armbeuge. Kein Zweifel: Diese »Turtle« will turteln. So wie es den Panzerträgern bisweilen beliebt, wenn sie selten oder noch nie einen Taucher zu Gesicht bekommen haben.

Kneif‘ mich!

Eine halbe Stunde zuvor schwebt das Buddyteam aus Europa, Dubai und Kuwait noch über eine tiefe, von Weich- und Peitschenkorallen gesäumte Abbruchkante, vorbei an einem eleganten Seidenhai, an Fledermausfischen und einem scheuen Napoleon. Ausgerechnet das sandige Riffplateau wird urplötzlich von einem aufgelockerten, aber riesigen Vorhang hunderter kleiner Barrakudas geflutet. Unterdessen nagt ein Rudel großer Büffelkopf-Papageifische am Korallendach.

Andere Taucher? Fehlanzeige. Ein Anblick, der einer Reise in das Rote Meer längst vergangener Tage gleicht. »Man sollte das zwar nicht erwarten. Aber innerhalb einer Minute kann das Leben hier draußen förmlich explodieren! Und dann schweben plötzlich 50 Seidenhaie oder eben Barrakuda-Schwärme über dem Riff«, beschreibt Tauchguide Ahmed Gomaa aus Assuan seine Ansichten zum Unterschied zwischen Ägypten und Saudi-Arabien.

Ganz zufrieden ist er trotzdem nicht. »Sha’ab Ammar ist eigentlich ein verlässlicher Platz für große Hammerhai-Schulen«, meint er schulterzuckend. Naja, ist wohl »Kismet« – Schicksal – wie der Araber sagt.

Mekka für Entdecker

Schauplatz des Tauchtörns sind die Farasan Banks: eine Perlschnur von Offshore-Riffen, Inselchen und Mini-Atollen, die sich vor der Hafenstadt Al-Lith 350 Meilen weit in den Süden erstreckt. Jacques-Yves Cousteau beschrieb das Gebiet in seinem 1953 erschienenen Buch »Das lebende Meer« als den wildesten aller Riffkomplexe im Roten Meer. Im Gegensatz zu den werbeträchtigen Statements unserer Altvorderen zu heute längst erschlossenen Regionen ist der große Taucheransturm in dem 2,5 Millionen Hektar großen See-Gebiet bislang ausgeblieben.

Bei ausgesprochenen Rotmeer-Liebhabern, die gefühlt jeden Riffwinkel an einschlägigen Plätzen kennen oder den Anblick von 20 Tauchbooten schlichtweg nicht mehr ertragen, dürfte sich vor der saudischen Küste wieder wohliges Kribbeln einstellen. »Wenn unsere Gäste Interesse haben, unternehmen wir gern Entdecker-Tauchgänge«, verspricht Ahmed, der 2023 im Auftrag des saudischen Tauchverbands zwei Monate lang die Riffe erkunden und dokumentieren durfte und dabei auf einige Überraschungen stieß.

Einige der Tauchplätze sind gar so taufrisch, dass es für sie im Februar 2024 auf der M/Y Almonda, die seit zwei Jahren in saudischen Gefilden kreuzt, noch keine digitalen Karten gab.

Arabische Transferleistung

Die Karten der »Pflichtspots« flimmern beim Briefing dann allerdings über einen riesigen Flachbildschirm in einem Salon, der 24 Gästen reichlich Couchfläche bietet. Zwischen den turnusmäßigen drei Tauchgängen lädt das offene Zwischendeck mit gemütlichen Sitzecken und Bar zur Siesta ein – und, sobald das Salz für den Tag vom Körper gespült ist, sogar ein Jacuzzi auf dem teilweise abgeschatteten Sonnendeck.

Ein schwimmendes Wellness-Hotel ist die vor sieben Jahren vom Stapel gelaufene 40-Meter-Motoryacht zwar nicht. Doch wer zum persönlichen Glück in den frisch renovierten Kabinen weder einen eigenen Kühlschrank noch LED-Leuchtschlangen benötigt und sich auch mit einer bisweilen grummelnden Klimaanlage arrangiert, darf einem spannenden Törn entgegenfiebern.

Eines darf nicht vergessen werden: In einem Land, in dem der Tauchsport noch in den Kinderschuhen steckt, sind verlässliche Nitrox-Versorgung und gewartete Sicherheitsausstattung nicht selbstverständlich. Dass die M/Y Almonda nach kurzer Zeit am Markt bereits etliche Wiederholungsgäste für sich verbuchen kann, verdanken die Betreiber auch dem Erfahrungs- und Wissenstransfer aus dem nicht mehr ganz so wilden Westen. Praktisch das gesamte Personal stammt aus Ägypten.

Kein Mangel an Rückenflossen

Im Gegensatz zum Land der Pharaonen gibt es in den Farasan Banks (noch) keine klassischen Hotspots für typische Anwohner wie Dugongs, Grüne Schildkröten oder Weißspitzen-Hochseehaie, die vor der saudischen Küste übrigens seltener gesichtet werden als etwa Tigerhaie.

Stichwort »Graue Eminenzen«: Im Frühjahr finden sich vor der Hafeneinfahrt Al-Lith regelmäßig Walhaie ein, und einzelne Hammerhaie lassen sich vor den zahlreichen Steilwänden fast so häufig blicken wie Riffhaie. Nicht nur wegen seiner großen Hammerhai-Schulen, die in ihrer Größe jenen im Sudan um nichts nachstehen sollen, ist das Freiwasser vor dem Sha’ab Mubarak ein Platz mit Klassiker-Potential.

Kurz nachdem die Pressluftflaschen auf die Wasseroberfläche klatschen, tollen an die 20 halbwüchsige Seidenhaie um die Taucher herum wie Hundewelpen und üben direktes Anschwimmen, was bedrohlich wirken könnte, wären da nicht die Kindchenschema-üblichen viel zu großen Flossen für den noch viel zu kleinen Körper.

In der Lagune – einem der wenigen Plätze, an denen aus Sicherheitsgründen auch Nachttauchgänge möglich sind – tummeln sich Delfine, die allerdings deutlich scheuer sind als die an Taucher gewöhnte ägyptische Verwandtschaft.

Alles anders?

Üblicherweise werden die vorbildlich installierten Ankerbojen nach dem dritten Tauchgang gehoben, sodass auch ohne Nachtfahrten täglich ein anderer Riffkomplex im Außenbereich der Farasan Banks erkundet werden kann.

Die strömungsexponierten Rotmeer-typischen Plateaus, die sich weit ins Freiwasser erstrecken, um dann ins tiefe Blau abzustürzen, stehen auf der Route nicht nur im Fokus weil sie Mantas, Haie, Barrakuda- und Stachelmakrelen-Schwärme anziehen. Im Gegensatz zu vielen Flachbereichen, die in jüngster Zeit von der Korallenbleiche arg gebeutelt wurden, sind die tieferen Bereiche flächendeckend von einem bunten Zuckerguss aus diversen Weichkorallenarten überzogen, der so artenreich und prachtvoll ist, dass man Stunden dort unten verbringen möchte.

Anders als im nördlichen Roten Meer und im Sudan, auf dessen Höhe sich die Farasan Banks befinden, sind die von Überhängen und tiefen Buchten zerfressenen Steilabfälle auch mit südostasiatisch anmutenden Röhren- und Tonnenschwämmen gespickt – für Ägypten-Taucher so natürlich, als habe sich ein Löffel Nasi Goreng in die Falafel-Tasche verirrt.

Noch exotischer als etwa die Wände am flachen Inselchen Malathu präsentieren sich die hängenden Gärten von Choppy, die so einmalig sind, dass sie schon heute als meistfotografiertes Motiv der saudischen Riffe gelten. Bei den kandelaberartigen Gebilden, die in leuchtenden Gelb- und Rottönen wie Kerzenwachs von den Überhängen zu tropfen scheinen, handelt es sich jedoch nicht um Schwämme, sondern um Kolonien von Seescheiden, die abgestorbene Schwarze Korallen besiedeln.

»Ähnliche Formationen gibt es auch an anderen Riffen in der Region«, verspricht Guide Ahmed beim Abschlussgespräch am letzten Abend. »Aber das Seegebiet«, erklärt er, »ist so riesig, dass selbst meine zweimonatige Expedition einem Tropfen auf dem heißen Stein gleicht.«

Zukunftsmusik

Und genau das könnte sich als große Chance für den Tauchtourismus in Saudi-Arabien erweisen: Mit 7572 Kilometern verfügt das Königreich über die mit Abstand längste Küstenlinie aller Anrainerstaaten, aber nur eine Handvoll Safarischiffe und einige wenige Tauchbasen. Während die Tauchreviere Ägyptens, Jordaniens und Israels entlang des Roten Meeres fast lückenlos erschlossen sind, es im tiefsten Süden vor Eritrea und Dschibuti größtenteils an Infrastruktur fehlt, und die politische Lage dem Tauchtourismus innerhalb des Sudan bis auf weiteres den Garaus gemacht hat, öffnet sich Saudi-Arabien mit großen Schritten dem internationalen Tourismus.

Seit geraumer Zeit ist die Königsfamilie um einen Imagewechsel bemüht. Und nicht zuletzt die engen Wirtschaftsbeziehungen mit der Bundesrepublik sorgen dafür, dass deutsche Bürger willkommene Gäste im Reich der heiligsten Stätten des Islam sind. Dass sich über Politik und Juristik freilich diskutieren lässt, und es im Einzugsbereich von Mekka und Medina nicht so liberal wie in Aqaba oder Hurghada zugeht, versteht sich.

Und auch an Bord der M/Y Almonda müssen sich Freunde des gepflegten Dekobiers – so wie auch auf maledivischen Einheimischen-Inseln – mit einem schmackhaften Saft oder schwarzem Gold aus dem Kaffeevollautomaten begnügen. Andererseits ernten die gar nicht wenigen unverschleierten Damen in der historischen Altstadt Jeddahs auch keine nervösen Blicke mehr.

Die Zeiten ändern sich, und die M/Y Almonda segelt auf Erfolgskurs: Mit einer Nord- und Südroute innerhalb der Farasan Banks und den weiter nördlich gelegenen Seegebieten Yanbu, Five Corals & Seven Sisters deckt ihr Radius fast 1000 Kilometer Strecke in jungfräulichen Tauchgebieten ab. Beachtlich! Und dennoch kaum ein Siebtel der reinen Küstenlinie. Im Osten des salzigen Canyons zwischen Afrika und Asien hat die Ära der Unterwasserentdeckungen gerade erst begonnen.

Im Frühjahr 2024 wurden die Kabinen, so wie die abgebildete Masterkabine, re- noviert. Der modern eingerichtete Salon bietet reichlich Raum zum Entspannen, ebenso die gemütliche Sitzecke auf dem Zwischendeck.

Reiseinfo: M/Y Almonda / Saudi-Arabien

Anreise

Fast täglich Flüge von allen Großflughäfen Mitteleuropas, üblicherweise mit einem Zwischenstopp (zum Beispiel mit Turkish Airlines).

M/Y Almonda

Das 40 Meter lange, klassische Rotmeer-Safarischiff für 24 Gäste lief 2017 vom Stapel und verfügt über zwei Masterkabinen im Oberdeck sowie acht Kabinen mit zwei Einzelbetten und zwei Kabinen mit Doppelbett im Unterdeck. Der Speisebereich mit Buffet ist im Hauptdeck untergebracht, im Zwischendeck der Salon mit Couchecke und großem Flachbildschirm, während im überdachten Außenbereich eine Bar und weitere Sitzecken mit Tischen installiert sind. Auf dem Sonnendeck befindet sich ein Jacuzzi. Softdrinks einschließlich Espresso & Co. sind im Reisepreis enthalten. Alkohol wird nicht ausgeschenkt.

Tauchen

Die Safaris in den Farasan Banks beginnen und enden im Hafen von Al Lith (zweistündiger Flughafentransfer). Am Tag nach der Anreise und vor der Abreise werden zwei Tauchgänge angeboten. Ansonsten erfolgen üblicherweise drei Tauchgänge von zwei Zodiacs aus. Nachttauchen ist nur an Liegeplätzen innerhalb der Lagunen möglich. Nitrox ist im Reisepreis inkludiert. Leihausrüstung gibt es bei Voranmeldung mit Aufpreis. Tauchcomputer, Oberflächenboje und Tauchversicherung sind obligatorisch.

Preisbeispiel

Eine siebentägige Tauchsafari auf der M/Y Almonda (Farasan Banks) gibt es bei Aqua Active Agency ab 1667 Euro pro Person (Flüge ab Frankfurt ab 799 Euro). Ein eVisum mit obligatorischer saudischer Reisekrankenversicherung kostet ab 160 Euro (Stand: März 2024). Registrierung und Kauf erfolgen online im Vorfeld der Reise.

Buchungskontakt
Aqua Active Agency, www.aquaactive.de, info@aquactive.de, +4955079198180

Stopover Jeddah

Als Pforte nach Mekka ist die Hafenstadt Jeddah seit jeher ein multikultureller Schmelztiegel. Die historische Altstadt Al-Balad ist mit etwa 280 turmartigen Wohnhäusern aus Korallen und Lehm sowie den kunstvoll verzierten hölzernen Fenstererkern (Roshan) absolut sehenswert und wird seit 2014 als UNESCO-Welterbe aufwendig restauriert. Zwei- bis dreistündige geführte Ausflüge nach Al-Balad werden vom Team der M/Y Almonda vermittelt.