Rüdiger Otto schiebt seine Brille über den Nasenrücken nach oben, damit er die Karte, vor der wir stehen, besser erkennt. In leichtem pfälzischem Dialekt erklärt er die Entstehung des Sees: »Das hier war ursprünglich mal ein Kalksteinbruch. 2010 wurde eine Grundwasserader gesprengt. Vier Jahre später hat man festgestellt, dass die Trockenhaltung so aufwendig ist, dass sie sich gegenüber dem Ertrag nicht mehr lohnt.« Daher, so der große Mann mit dem graumelierten Schnauzbart weiter, wurden im Februar 2014 die Pumpen abgestellt. Dann ging alles sehr schnell. »Innerhalb von sechs Wochen war der Steinbruch zu zwei Dritteln gefüllt, sagt Rüdiger Otto und führt weiter aus: »Im September 2014 hatte der See dann seinen heutigen Wasserstand erreicht.«
Doch noch war das Tauchen in dem neugeborenen Gewässer nicht gestattet. Dass er seine heutige Bekanntheit weit über die Grenzen von Rheinland-Pfalz hinaus und auch über die bundesdeutschen Grenzen hinaus erlangte, verdankt der See vor allem der Idee, der Planung und Umsetzung des Teams um Rüdiger Otto. Tauchgäste kommen heute aus ganz Deutschland, dem nahen Belgien sowie den Niederlanden. Und teilweise finden sich sogar polnische Tauchgäste hier im Hunsrück ein.
Anfangs durften ausschließlich Taucher der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft e.V. (DLRG) in dem See Einsatzszenarien üben.
Da Rüdiger Otto als Taucher der DLRG einen direkten Draht zum Besitzer des ehemaligen Steinbruchs hatte, kam die Idee auf, das Gewässer zu pachten und es der Sporttauchwelt zugänglich zu machen. Es dauerte weitere fünf Jahre, bis der Rückbau vollzogen war, alle bürokratischen Hürden genommen wurden, und der See endlich der breiten Tauchöffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden konnte. Am 1. März 2020 öffnete der Tauchsee Hunsfels wortwörtlich seine Tore. Dann kam Corona. Doch dank der relativ lockeren Pandemie-Auflagen im Bundesland Rheinland-Pfalz konnte ein sanfter Betrieb im Rahmen der gesetzlichen Bedingungen stattfinden.
Mit seiner Tiefe von 54 Metern und seinen terrassenartigen Stufen, es gibt sie in Tiefenbereichen von zehn, 20 und 40 Metern, ist der Hunsfels für Tauchbegeisterte aller Ausbildungsgrade und Interessensgebiete attraktiv. Für die Beginnerausbildung stehen zwei Plattformen im Flachwasser auf fünf Meter Tiefe bereit. Eine befindet sich direkt unter der Einstiegsplattform. Eine weitere in 4,5 Meter kann in kurzer Zeit über die Oberfläche angeschwommen werden.
Der Einstieg erfolgt ausschließlich über den Schwimmponton, um den Flachwasserbereich der ehemaligen Zufahrtsrampe zu schonen. Denn dort wachsen Wasserpflanzen, die die Kinderstube für Fische und andere Lebewesen bilden. Taucht man vom Einstieg rechter Hand, erreicht man diesen flachen Bereich, der zwischen null und acht Metern Tiefe liegt. Neben den Fischen und der Übungsplattform findet man hier auch einen kleinen Parcours mit Ringen zum Tariertraining.
Taucht man von der Plattform direkt gerade raus, gelangt man schnell auf Tiefe. Zügig ist die 40-Meter-Tiefengrenze, die hier strikt für das Tauchen mit normaler Atemluft gilt, erreicht. Wer tiefer runter will, darf das tun, wenn er entsprechend ausgebildet und ausgerüstet ist.
Grundsätzlich darf aus Sicherheitsgründen nur mit kaltwassertauglicher Ausrüstung, sprich zwei getrennten ersten Stufen getaucht werden. Besitzt man keine zweite erste Stufe, kann man diese vor Ort ausleihen.
Der klassische erste Sporttauchgang startet linker Hand von der Einstiegsplattform und führt nach etwa drei Minuten auf die 20-Meter-Tiefen-Terrasse. Dort kann man die schroffen Steilwände und die massiven Felsbrocken bewundern. Mit etwas Glück trifft man auch hier auf Fische. Gelegentlich zu sehen sind Zander und Forellen. Steigt man etwas auf in Tiefen von 17 bis 18 Meter, stößt man auf die Segeljolle »Robert«. Es lohnt sich, davon Fotos zu schießen oder diesen Mini-Segler ausgiebig zu begutachten und dann langsam den Rückweg anzutreten. Die Felswand liegt nun auf der rechten Seite des Tauchenden.
Man muss lediglich der langsam ansteigenden ehemaligen Straße folgen, um in den Bereich des Sicherheitsstopps zu gelangen.
Der Ein- und Ausstiegsbereich liegt zwar am Ende einer steilen Rampe. Doch Rüdiger Otto und sein Team setzen auch hier auf Service. Schweres Gerät muss nicht hoch und runter geschleppt werden. Ist wenig los, darf man mit dem eigenen Fahrzeug zum Einstieg fahren, wo Tische zum Anlegen der Tauchgeräte bereitstehen. Bei viel Betrieb wird das Material gesammelt und mit dem Traktor wieder nach oben zu den Parkplätzen befördert.
Zum Schluss verrät uns Rüdiger Otto noch eine Besonderheit seines Sees: »Unser Gewässer ist ganzjährig eisfrei. Denn in 25 Metern Tiefe liegt eine Warmwasserquelle, die den See mit 18 Grad warmem Wasser speist. Unter 30 Meter Tiefe sind es dennoch ganzjährig nur sechs Grad.« Seine Lieblingstauchzeit sind das Frühjahr und die Nachsaison. Nicht nur, weil er die guten Unterwasser-Sichtweiten zu dieser Jahreszeit schätzt. Sondern auch, weil er im Sommer ungern an Land im Trocki herumsteht.
Reiseinfo: Hunsfels / RHEINLaND-PFALZ / DEUTSCHLAND
Anreise: Der See liegt in Südwest-Deutschland im Rhein-Main-Gebiet, nahe der A61 (Abfahrt Stromberg/Rheinland-Pfalz), etwa 40 Fahrminuten westlich von Wiesbaden.
Öffnungszeiten: samstags und sonntags, unter der Woche nach Absprache für Gruppen, Hilfsorganisationen und Tauchschulen.
Anmeldung: vorab online, maximal möglich sind 80 Taucher pro Tag.
Regeln: Kaltwassertaugliche Atemreglerkonfiguration ist Pflicht (zwei getrennte erste Stufen – vor Ort ausleihbar), 50 bar Restdruck, Tiefenlimits gemäß des eigenen Ausbildungslevels.
Preise: Tagesticket Tauchen: 18 Euro; Flaschenfüllung (200 bar): 60 Cent/Liter Flaschenvolumen (die Füllung einer 12-Liter-Flasche kostet 7,20 Euro); Komplettausrüstung 45 Euro/Tag.
Open Water Diver: 495 Euro
Ausbildung: Vom Schnuppertauchen bis zum Instructor nach den Regeln des Verbands IDDA möglich.
Füllung: Luft bis zu 300 bar. Für Nitrox oder Sauerstoff gibt es zwölf Fahrminuten entfernt ein Tec-Tauchcenter.
Kontakt:
hunsfels-tauchen.de
info@hunsfels-tauchen.de