Netze sollen die Badegäste schützen
Schon 1907 veranlasste die Stadtverwaltung von Durban eine aufwendige Istallation, mittels vertikaler und horizontaler Stahlträger und Netze um ein vollkommen separiertes Areal zu schaffen, das Badende sowohl vor der starken Strömung als auch vor Haiattacken schützen sollte. Etwa 20 Jahre später war das Konstrukt auf Grund von Korrosion und Seegang Sondermüll. Nach Entfernung der Überreste sind zunächst über ein Jahrzehnt keine besonderen Auffälligkeiten in der Mensch-Hai-Beziehung bekannt, ab 1940 jedoch nahm die Zahl der Haiunfälle um Durban ständig zu. Im Bemühen um Abhilfe stieß die Stadtregierung auf eine Methode, die seit den späten 30er-Jahren in Australien praktiziert wurde: Kiemennetze, die jenseits der Brandung parallel zur Küste verankert wurden.
Dann kam der „Black December“
Bis 1952 wurden sieben derartige Netze vor Durban installiert, es kam in dieser Region in den folgenden Jahren zu keinen weiteren Haiunfällen. Von Dezember 1957, dem „Black December“, bis Ostern 1958 ereignete sich südlich von Durban eine Serie tödlicher Unfälle mit katastrophalen Auswirkungen auf die Tourismusindustrie und die Unterwasserwelt. Auch aus heutiger Sicht kann man die damalige Reaktion der Verantwortlichen nachvollziehen – Tourismus war und ist eine der wichtigsten Einnahmequellen für die gesamte Region. Die Provinzverwaltung von Kwazulu-Natal reagierte und rief 1962 eine Organisation ins Leben, die ursprünglich „Natal Anti Sharks Measures Board“ hieß und vor wenigen Jahren in „KwaZulu-Natal Sharks Board“ (KZNSB) umbenannt wurde. Die Anti-Hai-Maßnahmen bestanden in einer großflächigen Installation von Kiemennetzen vor der Küste.
Wie funktionieren Hainetze?
Entgegen gängigen Vorstellungen stellen diese Netze keinesfalls eine komplette Barriere zum Schutz der Strände dar. Durchschnittlich sind die Netze 214 Meter lang und sechs Meter breit. Über Bojen und Anker werden sie etwa 400 Meter vor der Küste in Position gehalten. Das Meer ist dort circa 15 Meter tief. Seitliche Absicherungen sind nicht vorhanden. Es bleiben also Zwischenräume im Ausmaß von neun Metern, ober- und unterhalb sowie beidseits der Netze, komplett ungesichert.
Nach Aufzeichnungen des KZNSB verfängt sich ein Drittel der Tiere strandseitig in den Netzen, also dann, wenn sie offensichtlich wieder Richtung offenes Meer unterwegs sind!
Hier kommen wir zum Kern des Problems. Selbst KZNSB bezeichnet die Hainetze als „fishing devices“. Sieht man sich die offiziellen Statistiken der in den Netzen gefangenen und verendeten Tiere der letzten 30 Jahre an, kommt man neben einer Zahl von 33 000 Haien (davon 25 000 für Menschen völlig harmlose Arten), auf über 2200 Schildkröten, fast 8500 Rochen und 2500 Delphine. Viele dieser Spezies gelten als bedroht oder gefährdet. Der – nachvollziehbare – Menschenschutz wurde also durch rigorose Abfischung und einer dadurch bedingten Ausdünnung der Arten quasi erkauft!
In einer vor knapp einem Jahr publizierten Studie der Universität Pretoria wurde festgestellt, dass sich die Weißhaipopulation vor Südafrika, obwohl diese Spezies seit 1991 unter Schutz steht, bis dato nicht erholt hat. Als Gründe werden vor allem die Hainetze vor Kwazulu-Natal und die desaströsen Verhältnisse vor Mosambik genannt.
Seit Jahren stagnieren die Zwischenfälle, und die Netze wurden reduziert, auch deshalb, da einige Gemeinden nicht mehr bereit waren, die hohen Wartungskosten an KZNSB zu zahlen. Seit 1994 wird der 320 Kilometer lange Küstenstreifen lediglich durch Kiemennetze in einer Länge von 23,4 Kilometern „geschützt“. Das bedeutet: An 92,7 Prozent der Küsten Kwazulu-Natals werden Strandbenutzer schutzlos den marinen „Bestien“ ausgeliefert, ohne, dass über Serien von Haiunfällen berichtet wurde. In den 7,3 Prozent der durch Hainetze gesicherten Küsten verendeten aber seit 1994 Tausende von Haien, Delphinen, Schildkröten und andere unschuldige Meerestiere.
Sind Drumlines eine Alternative?
Die Netzreduktionen der letzten Jahre sind mit dem Ausbringen von sogenannten Drumlines verbunden. Das sind am Meeresboden verankerte Schwimmkörper, meistens zwei bis vier im Verbund, die mit einem großen, mit einem Köder bestückten Haken versehen sind. Diese Konstruktionen sollen laut KZNSB der Grund sein, für den immer noch bestehenden erfolgreichen Schutz vor Haien – trotz einer Verringerung der Kiemennetze.
Es fällt schwer, das nachzuvollziehen. Kritiker der Drumlines meinen, es sei eher kontraproduktiv, Haie durch Köder in Strandnähe zu locken, wenn man diese dort eigentlich nicht haben möchte. Vorstellbar ist aber, dass durch Drumlines – im Vergleich zu den Kiemennetzen – die Anzahl getöteter Tiere verringert und noch lebende Haie mit Sendern versehen werden können.
Selbst Kritiker des Shark Boards konzedieren dieser Organisation ein langsam voranschreitendes, aber doch merkbares Umdenken. Heute arbeiten nicht nur Servicecrews für Netze und Drumlines, sondern auch zahlreiche Wissenschafter. Das kostet Geld. Eine Einnahmequelle, die noch vor Kurzem für Aufregung und negative Schlagzeilen sorgte: Den Verkauf von Haiprodukten aus in den Netzen verendeten Tieren hat man unterbunden.
Der Vorwurf, dass KZNSB mit der Angst vor Haien die Netze rechtfertigt und schließlich Geld dadurch macht, bleibt bestehen. Besser als die Verbarrikadierung der Küsten mit Netzen, wäre ein Austausch des Know-hows anderer Wissenschaftler der Region. Da bräuchte man gar nicht weit gehen: Vor Kapstadt, der „Welthauptstadt des Weißen Hais“, wird auch gebadet – dort werden die Strände durch Shark Spotters (Lesen Sie auch das Interview mit Dr. Alison Kock, Leiterin des wissenschaftlichen Programms der Shark Spotters) geschützt.
Text von Dr. Walter Buchinger. Der Präsident von Sharkproject Österreich hat sich bei einer Reise nach Südafrika selbst ein Bild von der Netz- Problematik gemacht. „Die Netze müssen weg!“, sagt er.