Biologie

Fischführer für Taucher und Schnorchler

Die Systematik der Fische ist keine einfache Sache, und gerade seit es vergleichende genetische Untersuchungen gibt, ist sie unter Wissenschaftlern höchst umstritten. Vor allem bilden die Fische keine natürliche Einheit, sondern sind lediglich eine Gruppe ähnlich aussehender Tiere. Sie werden heutzutage gemeinsam mit den Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säugetieren zur Überklasse der Kiefermäuler (Gnathostomata) zusammengefasst, wo letztendlich auch wir Menschen hinzuzählen.

Jedes Jahr werden über 100 neue Fischarten entdeckt!

Alleine die Klasse der Knorpelfische mit rund 500 Hai-, über 600 Rochenarten und gut 50 Arten von den kaum bekannten – da nur in großer Tiefe lebenden– Seekatzen (Chimären) umfasst zusammen schon über 50 verschiedene Familien. Von der weitaus größeren Klasse der Knochenfische kennt man derzeit rund 30 000 verschiedene Arten, und nach wie vor entdeckt man jedes Jahr über 100 neue Fischarten. Diese riesige Anzahl an Fischspezies gliedert man in rund 500 verschiedene Familien, deren Beschreibung verständlicherweise diesen Rahmen bei Weitem sprengen würde. Wir präsentieren Ihnen die häufigsten und bekanntesten Fisch-Familien, und geben Ihnen Tipps wie Sie diese beim Tauchen und Schnorcheln auf einen Blick erkennen!

Zackenbarsche

Der Gefleckte Riesenzackenbarsch wird bis zu 2,6 Meter lang (Foto: W. Pölzer).

Während man diese unter Tauchern beliebte Familie noch bis vor wenigen Jahren gemeinsam mit den Sägebarschen – zu denen auch die farbenprächtigen Fahnenbarsche zählen – zusammengefasst hat, gelten sie nun als eigenständige Familie. Von diesen Bewohnern tropischer und subtropischer Küstengebiete kennt man derzeit rund 240 verschiedene Arten die vom bekannten armlangen und knallbunten Juwelenbarsch bis zum etwa drei Meter langen Riesenzackenbarsch reichen. Die zumeist massigen Fische kennzeichnen sich anhand ihrer meistens durchgehenden Rückenflosse mit spitzen Hartstrahlen im vorderen Bereich aus. Hochinteressant ist der Geschlechtswechsel der Zackenbarsche: Sie erlangen die Geschlechtsreife als Männchen und bilden sich später in weiterer Folge zu Weibchen um – die größten Zackies sind also allesamt Weibchen.

Riffbarsche

Auch die beliebten Orange-Ringel-Anemonenfische gehören zur Familie der Riffbarsche (Foto: W. Pölzer).

Die meist nur etwa fingerlangen, etwas gedrungen wirkenden Riffbarsche sind mit über 350 Arten eine sehr große Familie. Bekannteste Vertreter sind vermutlich die knapp 30 Arten an Clownfischen, die ja bekanntlich mit Seeanemonen in Symbiose leben. Der einzige Riffbarsch im Mittelmeer ist gleichzeitig einer der häufigsten Fische, denen man als Taucher dort begegnet – der in großen Schwärmen vor den Felsriffen nach Plankton schnappende, braunschwarze Mönchsfisch. Der mit bis zu 35 Zentimeter größte Riffbarsch ist übrigens der berühmte, knallorange Garibaldi, der die Kelpwälder des kühlen Ostpazifiks vor Kalifornien bewohnt. Während sich die überwiegende Mehrheit der Riffbarsche von Plankton ernährt, gibt es auch Alles- und Algenfresser. Eine Sonderstellung nehmen hierbei einige Demoiselle-Arten ein, die als „Farmerfische“ bevorzugt bestimmte Fadenalgen fressen und diese Algenweiden in ihrem Revier hegen und pflegen und von weniger schmackhaften Algen befreien. Die mit vielen Vertretern in den Tropen, aber auch gemäßigten Zonen vorkommenden Fahnenbarsche (Anthias) zählt man im Übrigen nicht zu den Riffbarschen, sondern zur Familie der verwandten Sägebarsche.

Kaiserfische

Kaiserfische wie dieser Koran-Kaiserfisch sind durch ihre wunderschöne Färbung beliebte Fotomotive (Foto: W. Pölzer).

Mehr als 80 Arten der etwa finger- bis armlangen, farbenfrohen, hochrückig und seitlich stark abgeflachten Kaiserfische bevölkern vorwiegend die tropischen Weltmeere. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal zu den sehr ähnlichen Falterfischen (rechte Seite) ist ein oft langer, massiver Dorn, der am unteren Kiemenrand beiderseits nach hinten ragt und den Falterfischen fehlt. Die zumeist revierbildenden Kaiserfische leben entweder paarweise oder in kleinen Haremsgruppen und ernähren sich je nach Art sehr unterschiedlich. So ist von Alles- über Plankton- bis zu reinen Algenfressern alles vorhanden. Einige Arten haben sich sogar auf Schwämme spezialisiert. Mit Eintritt der Geschlechtsreife sind alle Kaiserfische Weibchen, von denen sich nur wenige bei Bedarf in Männchen umwandeln.

Doktorfische

Weißkehl-Doktorfische bilden Fressschwärme und ernähren sich von Fadenalgen (Foto: W. Pölzer).

Was wäre eine typische Rifflandschaft ohne Doktorfische? Die zumeist bunt gefärbten, ellenlangen, hochrückigen und seitlich stark abgeflachten Fische sorgen dafür, dass Algen in einem gesunden Korallenriff nicht überhand nehmen. Die rund 80 Arten sind fast ausnahmslos Algenfresser und noch dazu ausgesprochene Nahrungsspezialisten. So ernährt sich ein Doktorfisch oft nur von einer einzigen Algenart. Dementsprechend ist sein Gebiss auch genau auf diese Alge abgestimmt. Namensgebend ist das Skalpell, ein knöcherner, zumeist messerscharfer Fortsatz an der Schwanzwurzel, der bei einigen Arten durch schnelles Schlagen der Schwanzflosse ausgeklappt werden kann und dann zur noch wirksameren Waffe wird. Je nach Art verfügen Doktorfische beiderseits der Schwanzwurzel über bis zu zehn dornige Fortsätze, die als Verteidigungswaffen gegen Fressfeinde und bei innerartlichen Kämpfen verwendet werden. Oft sind die Skalpelle auffallend anders gefärbt.

Lippfische

Die blau-grünen Napolen-Lippfische erreichen bis zu 2,3 Meter Länge und sind bei Tauchern wegen ihrer Zutraulichkeit beliebt (Foto: W. Pölzer).

Das charakteristischste Familienmerkmal ist ihre oft lustig anzusehende Schwimmweise, wobei der Schub ausschließlich durch das gleichzeitige Schlagen der Brustflossen kommt und die Schwanzflosse nur als Steuer dient. Die Lippfische sind übrigens nach den Grundeln die zweitgrößte Fischfamilie überhaupt – sie umfasst rund 600 verschiedene Arten. Größtes und bekanntestes Familienmitglied mit bis zu über zwei Metern Länge ist der beliebte Napoleon. Vor allem die kleineren Arten, wie etwa Zwerg- und Prachtlippfische, sind oft knallbunt gefärbt und wahre Juwelen im Korallenriff. Eine Art im Mittelmeer und mehrere Arten in tropischen Meeren befreien andere Fische von lästigen Hautparasiten und sind als Putzer-Lippfische weit bekannt. Nach neuesten genetischen Untersuchungen zählt man nun auch die zumeist sehr farbenprächtigen Papageifische zur Familie der Lippfische.

Falterfische

Maskenfalterfische sind typische Bewohner der Korallenriffe Ägyptens (Foto: W. Pölzer).

Die Schmetterlinge des Riffes verdanken ihren wissenschaftlichen Namen – der übersetzt „Borstenzähner“ bedeutet – ihren winzigen, bürstenartigen Zähnen. Ihr zumeist rundovaler, Handteller großer, seitlich stark abgeflachter Körper und ihre oft quirlige Schwimmweise erinnern dennoch auch an bunte Falter. Viele der rund 130 verschiedenen Arten sind Nahrungsspezialisten, die sich oft nur von bestimmten Korallenpolypen ernähren, die sie mit ihrer kleinen, meist vorstehenden Mundöffnung ganz gezielt abpflücken. Paradebeispiel an Anpassung sind die Pinzettfische die mit ihrem extrem langen und dünnen Maul kleine Krebse und Würmer herauspicken, die sich tief im unzugänglichen Korallengeäst in Sicherheit wähnen. Andere Arten, wie etwa die in großen Schwärmen lebenden Wimpelfische, sind Planktonfresser, die ihre Beute im Freiwasser vor dem Riff finden.

Kugelfische

Das Muster der Mappa-Kugelfische verändert sich im Laufe ihres Lebens (Foto: W. Pölzer).

Die aus dem Korallenriff nicht wegzudenkenden Kugelfische kennzeichnen sich durch ihre ungewöhnlich rundliche Gestalt und das Fehlen von Bauchflossen aus. Beim Schwimmen geht’s meist gemächlich zu, wobei der Hauptantrieb von den Brustflossen kommt. Bei großer Gefahr – etwa wenn sie von einer Muräne geschnappt werden – können sie sich zur namensgebenden Kugel aufblasen und damit meist ein Verschlucken durch den Fressfeind verhindern. Dabei wird Wasser in eine sackartige Ausstülpung des Magens gepumpt und diese mittels massiver Ringmuskulatur verschlossen. Die zu kurzen Stacheln reduzierten Schuppen richten sich dabei auf, wodurch sich der Kugelfisch wirksam verspreizt. Neben der Körperform sind Kugelfische durch ihr Gift bekannt geworden. Das hochwirksame Tetrodotoxin ist in der Haut und den Organen, aber nicht im Muskelfleisch enthalten und gilt als eines der stärksten Nervengifte. Giftig sind jedoch nur einige der rund 200 Arten, die zwar vorwiegend tropische und subtropische Küstenzonen, aber auch Süß- und Brackwasserregionen bewohnen.

Drückerfische

Dem Riesen- oder auch Titan-Drückerfisch sollte man immer mit Vorsicht begegnen: Er verteidigt seine Brutplätze mit voller Inbrunst! (Foto: W. Pölzer)

Die Drückerfische umfassen über 40 Arten, die vorwiegend in Korallenriffen, aber beispielsweise mit dem Mittelmeerdrücker auch in subtropischen Meeren vorkommen. Namensgebend ist ihr ausgeklügelter Mechanismus, um sich in engen Spalten wirkungsvoll verspreizen zu können. Dazu wird der erste massive Hartstrahl der ersten Rückenflosse zuerst aufgerichtet, bevor der zweite Hartstrahl in einer Kerbe an der Rückseite des ersten einrastet. Dieser Drückermechanismus lässt sich vom Fisch nur durch Muskelkraft wieder lösen. Am Bauch sind alle Flossenstrahlen der Bauchflossen zu einem harten Stachel verschmolzen, der mit einem Gelenk mit dem Becken verbunden ist und ebenfalls aufgestellt werden kann, um sich noch wirkungsvoller zu verklemmen. Neben dem Schutz vor Fressfeinden nutzen sie diesen Mechanismus, um sich in ihrem Schlafplatz zu verankern. Das sieht man oft bei Nachttauchgängen, wo dann lediglich die Schwanzflossen von unzähligen Drückerfischen aus Spalten ragen. Gefürchtet von vielen Tauchern ist der Riesen-Drückerfisch (Foto). Die in trichterförmigen Gruben abgelegten Eier werden vom Weibchen bewacht und auch gegenüber Tauchern vehement verteidigt – Bisse in Flossen, aber auch in so manche Wade künden davon. Schutz bietet nur ein Mindestabstand von zehn Metern um das Nest herum sowie im Zweifelsfall eine horizontale Flucht, da die Verteidigungszone auch trichterförmig nach oben hin reicht.

Kofferfische

Putziges Kerlchen: ein Rückendorn-Kofferfisch (Foto: W. Pölzer).

Die zwar mit den Kugelfischen verwandten, aber als eigenständige Familie gehandelten Kofferfische umfassen knapp 40 Arten. Im Gegensatz zu den Kugelfischen wird ihr Körper von sechseckigen Knochenplatten umgeben, die zu einem starren Panzer verwachsen sind, der selbst die Kiemendeckel umfasst. Deswegen muss der Atemwasserstrom über den beweglichen Mundboden erfolgen. Die Schwimmweise läuft vorwiegend durch wellenförmige Bewegungen von Rücken- und Afterflosse ab. Durch zusätzlichen Einsatz der Brustflossen sind sie zwar langsam, aber extrem beweglich und können mühelos in alle Richtungen manövrieren. Die meist sehr farbenprächtigen Fische leben paarweise oder als Einzelgänger dicht am Riff oder über Sand- und Seegrasflächen. Ähnlich wie manche Drückerfische können auch sie mit gezielten Wasserstrahlen ihre Beutetiere – etwa im Sand verborgene Würmer oder Krebse – freiblasen.

Muränen

Riesenmuränen können bis knapp 2,4 Meter lang werden (Foto: W. Pölzer).

Die einen lieben sie, die anderen fürchten sich zu Tode. Kein Wunder, denn die lang gestreckten, schuppenlosen Fische ohne Brust- und Bauchflossen erinnern verblüffend an Schlangen. Zudem öffnen und schließen sie ständig ihr vor Zähne starrendes Maul und wirken so noch bedrohlicher. Aber alles Unfug! Die rund 200 verschiedenen Muränenarten sind weder mit Schlangen verwandt noch besonders gefährlich. Durch das Fehlen von Kiemendeckeln, die bei den meisten Fischen für den Atemwasserstrom verantwortlich sind, müssen sie ihr Maul ständig öffnen und schließen, um nicht zu ersticken. Die nachtaktiven Räuber können hervorragend riechen, was an den vier oft langen röhrenförmigen Nasenöffnungen erkennbar ist. Dafür sehen sie aber sehr schlecht. Um ihre Beute in den weit hinten liegenden Magen zu befördern, bedienen sie sich ihrer zweiten Kiefer, den sogenannten Schlundkiefer. Diese ebenfalls zahnbesetzten Knochenstrukturen übernehmen den geschnappten Fisch im Maul und ziehen ihn mit eigener Muskulatur tief in den Schlund hinein, um ihn dann schlucken zu können. Muränen besitzen keine Giftdrüsen, etwaige Entzündungen nach einem Biss entstehen durch Bakterien im Maulsekret. Giftig ist allerdings ihr Blut.

Skorpionsfische

Der Große Rote Drachenkopf ist ein typischer Mittelmeerbewohner und Lauerjäger (foto: W. Pölzer).

Weit über 200 Arten fasst man derzeit zur Familie der Skorpionsfische zusammen. Dazu gehören neben den eigentlichen Drachenköpfen mitsamt den skurril aussehenden Rhinopias-Arten auch die Rotfeuer- und Schaukelfische, nicht jedoch die 36 Arten der eigenständigen und wesentlich giftigeren Familie der Steinfische. Beide Familien weisen eine gedrungene Körpergestalt mit übermäßig großem Kopf auf und leben meist gut getarnt auf dem Meeresgrund. Während bei den Skorpionsfischen das Maul nach vorne geöffnet wird, ragt die Maulspalte bei den Steinfischen nach oben. Alle Skorpionsfische besitzen Giftdrüsen, die in die Hartstrahlen der ersten Rückenflosse, in den jeweils vordersten Flossenstrahl der Bauchflosse und meist auch in die ersten drei Strahlen der Afterflosse münden. Das Eiweißgift verursacht lang anhaltende starke Schmerzen und Schwellungen, es sind jedoch im Gegensatz zu Steinfischstichen keine Todesfälle bekannt. Skorpionsfische sind ausnahmslos Räuber und bedienen sich des Saugschnappens, also des blitzschnellen Aufreißens der riesigen Mundöffnung.

Alle Fotos und Texte sind von Wolfgang Pölzer.