Biologie

Invasoren: Wie eingewanderte Tierarten unsere heimischen Seen und Flüsse erobern

Die Zahl allein ist erschreckend. Wissenschaftler haben im Einzugsgebiet des Bodensees über 800 fremde Arten nachgewiesen. 300 davon sind mittlerweile fest etabliert. Diese eingewanderten Tierarten, auch Neozoen genannt, machen an manchen Stellen im Bodensee bis zu 90 Prozent der Biomasse aus. Nur die wenigsten dieser Invasoren sind Fische. Die Mehrzahl ist klein und unscheinbar. Es sind Krebschen, Garnelen, Muscheln und Planktonartige. Einer dieser blinden Passgiere ist der Höckerflohkrebs (Dikerogammarus villosus), auch Mörderkrabbe genannt. Vermutlich wurde der Unhold mit Segel- oder Motorbooten eingeschleppt. Noch ist die Mehrzahl der Einwanderer im Bodensee keine Gefahr für die einheimischen Wassertiere. Nach einiger Zeit werden sie auch selbst zur Beute und auf diese Weise wieder dezimiert. Nur los wird man sie nicht mehr. Die eingeschleppte Schwebgarnele (Limnomysis benedeni) dient im Winter den Felchen als Übergangsnahrung. Einwanderung mit positivem Effekt. Harmlos ist auch die Süßwasserqualle, die sich in vielen Seen festgesetzt hat.

Süßwasserquallen sind harmlose Neobita. In mitteleuropäischen Gewässern leben sie seit Jahrzehnten, haben die Fauna aber nicht gefährdet. Foto: H. Frei
Süßwasserquallen sind harmlose Neobita. In mitteleuropäischen Gewässern leben sie seit Jahrzehnten, haben die Fauna aber nicht gefährdet. Foto: H. Frei

Vermutlich wird sie auch von Fischen gefressen. Aber es gibt die gefährlichen Einwanderer, die einen nachdenklich stimmen, weil sie das biologische Gleichgewicht zum Kippen bringen. So wurden vor vielen Jahren im Rosensee in Kärnten amerikanische Forellenbarsche (Micropterus salmoides) ausgesetzt. Während sie im Wörthersee durch Welse und Hechte in ihrem Bestand klein gehalten werden, leben im Rosensee keine anderen Fische mehr. Es ist das Totenreich der Kannibalen. Mangels Nahrung fressen sie sich gegenseitig auf.

Riesengroße Ochsenfrösche

Man sollte meinen, dass das liebliche Geschöpfe sind, aber weit gefehlt. Der aus Nordamerika stammende Riesenfrosch (Rana catesbeiana) wird 20 Zentimeter lang, 1,5 Kilogramm schwer, kann problemlos einen zwei Meter hohen Zaun überspringen und bis zu sechs Meter weit hüpfen. Ein gefräßiges Monster mit Anleihen aus der Science-Fiktion-Szene. Er frisst Mäuse und Ratten, andere Amphibien, Schlangen und auch kleine Wasservögel. In der Uferzone lauert er auf vorbeiziehende Fische. Meistens schnappt er sich einen leichtsinnigen Sonnenbarsch, was ausnahmsweise kein Drama ist. Aber wo Ochsenfrösche aktiv sind, lebt bald nichts anderes mehr. Weniger im Wasser, als in den umliegenden Auwäldern und Feuchtwiesen. Dort läutet das Totenglöcklein für alle Lebewesen, die überwältigt werden können.

Grefräßig bis zum Abwinken: Nordamerikanische Ochsenfrösche werden bis zu 20 Zentimeter groß und vertilgen alles, was sie überwältigen können. Foto: H. Frei
Grefräßig bis zum Abwinken: Nordamerikanische Ochsenfrösche werden bis zu 20 Zentimeter groß und vertilgen alles, was sie überwältigen können. Foto: H. Frei

Das Problem ist seine Fruchtbarkeit. In den Gewässern um Karlsruhe haben Umweltschützer Tausende Ochsenfrosch-Kaulquappen gefangen, um die Invasion etwas einzudämmen. Der Kampf gegen Windmühlen ist leichter. Die Kaulquappen haben eine monströse Größe, die sprachlos macht. 15 Zentimeter Länge sind keine Seltenheit. Ochsenfroschjäger gehen mit Blasrohren sowie Pfeil und Bogen gegen die adulten Monster vor. Mehr oder minder erfolgreich oder erfolglos, wie man das sehen will. Rana catesbeiana ist etabliert und vermutlich nicht mehr zu verdrängen. Zumal die Weibchen mehrmals im Jahr bis zu 25 000 Eier als freischwimmende Laichballen ablegen. So wie es aussieht, gibt es in den Kolonien Anführer, die als einzige rufen. Das dumpfe Röhren erinnert an das Gebrüll von Ochsen. Nomen est omen.
Aufgrund der Fruchtbarkeit und fehlender Feinde – Hechte, Welse und Zander fressen keine der riesigen Kaulquappen, weil sie ihnen nicht schmecken. Vielleicht sondern die Amphibien auch Giftstoffe ab. So genau weiß man das nicht. Adulte Ochsenfrösche werden eventuell von Waschbären erlegt, aber auch das ist nur eine Vermutung. Man weiß nicht einmal genau, was sie im Winter machen. Graben sie sich im Wald ein oder verbringen sie die kalte Jahreszeit im Schlamm der Gewässer? Durch das verzweifelte Eindämmen der Ochsenfroschpopulation will man verhindern, dass der Fressdruck der einzelnen Individuen so groß wird, dass sie in andere Gewässer abwandern. Eigentlich ist bereits alles zu spät, denn sie sind schon auf Wanderschaft.

Ungeliebte Krebse

Der aus den USA stammende Kamberkrebs ist der Hauptverursacher der Krebspest, weil er bei uns am häufigsten vorkommt. Foto: H. Frei
Der aus den USA stammende Kamberkrebs ist der Hauptverursacher der Krebspest, weil er bei uns am häufigsten vorkommt. Foto: H. Frei

Jeder Taucher kennt Deutschlands bekannteste Süßwasserkrebse. Es sind die mit den roten Querstreifen am Schwanz. Der Kamberkrebs (Orconectes limosus) ist so verbreitet, dass man sich wundert, dass es noch Gewässer gibt, in die er noch nicht vorgedrungen ist. Er gilt als maßgeblicher Überträger der Krebspest (Pilz), die nahezu alle Edelkrebsbestände an den Rand der Ausrottung getrieben hat. Sein biologischer Vorteil gegenüber den heimischen Arten ist seine Fähigkeit, große Stecken an Land zurück zu legen, um auf diese Weise neue Gewässer zu besiedeln.

Der Louisiana-Flusskrebs ist extrem fruchtbar, überträgt ebenfalls die Krebspest und gefährdet die heimischen Krebsbestände. Foto: H. Frei
Der Louisiana-Flusskrebs ist extrem fruchtbar, überträgt ebenfalls die Krebspest und gefährdet die heimischen Krebsbestände. Foto: H. Frei

Einer seiner Verwandten ist der Signalkrebs (Pacifastacus leniusculuses) der es in der österreichischen Traun zu zweifelhafter Ehre gebracht hat. Er ist dort so häufig, dass ihn die Anwohner fangen und als leckere Mahlzeit mit Knoblauchdip und Weißbrot vertilgen. Panik bei Umweltschützern verbreitet der rote Louisiana-Sumpfkrebs (Procambarus clarkii). Er ist in vielen Seen so auf dem Vormarsch, dass man ihn bereits als Epidemie bezeichnet.

Wenn Kaliko-Krebse in Gewässer eindringen, in denen keine Fische leben, hinterlassen sie eine Wüste Gobi. Foto: H. Frei
Wenn Kaliko-Krebse in Gewässer eindringen, in denen keine Fische leben, hinterlassen sie eine Wüste Gobi. Foto: H. Frei

Aber über allem thront der Kalikokrebs (Orconectes immunis), dessen markantes Merkmal die pelzigen Anhaftungen zwischen den Scheren sind. Seine Verbreitung ist nicht mehr aufzuhalten, denn er wandert über Land zu den Nachbargewässern, ist sehr fruchtbar – mehrmals im Jahr produziert er bis zu 500 Eier. Die kleinen Kalikos sind dann bereits nach acht Wochen geschlechtsreif und vergrößern die Population. In einzelnen Gewässern wurden binnen zwei Stunden mehr als 10 000 Kalikokrebse gefangen, innerhalb eines Jahres in den Seen zwischen Rastatt und Rheinstetten über eine Viertelmillion dieser aus Nordamerika stammenden Plage. Wo der Kaliko auftaucht, mutieren die Gewässer zu milchig trüben Wasserwüsten. In speziell angelegten Tümpeln für Amphibien, Wasserinsekten und Libellen war schon nach kurzer Zeit der Kaliko die einzige verbliebene Art, nachdem er dort eingewandert ist.

Unheimliche Wollhandkrabben

Die Wollhandkrabbe kann über Land wandern. Mittlerweile wurde sie bereits am Oberrhein gesichtet. Foto: H. Frei
Die Wollhandkrabbe kann über Land wandern. Mittlerweile wurde sie bereits am Oberrhein gesichtet. Foto: H. Frei

Wollhandkrabben (Eriocheir sinensis) stammen ursprünglich aus China. Ihren Namen haben sie von den dicken Haarpelzen an den Scheren. Eingeschleppt wurden sie im Ballastwasser großer Frachter und gelangten um das Jahr 1912 in Elbe, Oder, Weser, Rhein und Ems. Von dort traten sie ihren Siegeszug in die deutschen Gewässer an. Stetig wandern sie flussaufwärts, manchmal bis drei Kilometer pro Tag. Diese eingewanderte Tierart wurde beriets im Rhein bei Karlsruhe gesichtet, drang vereinzelt bis nach Basel vor, besiedelt die Zuflüsse aller großen Ströme und schaffte es bis Dresden und Prag. Hindernisse umgehen sie, in dem sie über Land wandern, sie überwinden sogar senkrechte Betonwände. Angelschnüre können Wollhandkrabben wie mit einer Schere durchschneiden. Fischer beklagen, dass sie Netze und Reusen zerstören und die darin gefangenen Fische angreifen, sich über den Laich der Wasserbewohner hermachen. Allerdings besteht die Nahrung der Wollhandkrabben überwiegend aus Pflanzenmaterial und Muschelfleisch. Im Grunde sind Wollhandkrabben Allesfresser, denn sie lieben auch Aas.

Wollhandkrabben haben kaum Feinde

Feinde haben sie eher nicht. Adulte Einzelexemplare werden schon mal von einem Waller verschluckt. Hecht und Zander machen einen Bogen um die scherenbewehrten Gesellen. Im Jugendstadium, insbesondere nach der Häutung, fallen viele dem Graureiher zum Opfer. Kann man sie essen? Eigentlich schon, denn in Asien gelten sie als Delikatesse. Seit geraumer Zeit werden sie auch bei uns vereinzelt in Chinarestaurants serviert. Die deutschen Gäste, so hört man, sind aber etwas zurückhaltend. Pervers: Weil bei uns die Flüsse immer sauberer und dadurch die Populationen größer werden, aber in China aufgrund immer schmutziger werdender Flüsse zurückgehen, werden neuerdings deutsche Wollhandkrabben ins Reich der Mitte exportiert.
Wollhandkrabben können sich nicht im Süßwasser fortpflanzen. Dazu müssen die katadromen Tiere zurück ins Meer beziehungsweise ins Brackwasser wandern. Beklemmend: Fast eine Million Eier kann ein größeres Weibchen ablegen. Die Hoffnung, sie ausrotten zu können, hat man schon vor langer Zeit begraben. Das weltweite Ausbreitungsvermögen hat ihr den Status zu den 100 schlimmsten nicht-indigenen Arten zu gehören, eingebracht. Deutsche Wissenschaftler bezeichnen die gepanzerten Eindringlinge inzwischen als angepasste und eingebürgerte Neozoas.

Fruchtbare Grundeln

Seit Jahren geistern diverse Grundelarten durch die Gewässer Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Die Laichfresser vermehren sich explosionsartig. Manche Restaurants bieten bereits Grundel-Gerichte an. Von oben links im Uhrzeigersinn: Flussgrundel, Kesslergrundel, Schwarzmundgrundel und Donaugrundeln. Fotos: H. Frei
Seit Jahren geistern diverse Grundelarten durch die Gewässer Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Die Laichfresser vermehren sich explosionsartig. Manche Restaurants bieten bereits Grundel-Gerichte an. Von oben links im Uhrzeigersinn: Flussgrundel, Kesslergrundel, Schwarzmundgrundel und Donaugrundeln. Fotos: H. Frei

Vermutlich waren es Schiffe, die Larven von Schwarzmundgrundeln in deutsche Flüsse einschleppten. Aber auch Aquarianer geraten in Verdacht, die invasiven Arten leichtsinnigerweise ausgesetzt zu haben. Möglicherweise sind ebenfalls Angler nicht ganz unschuldig an der Verbreitung. Denn viele Petrijünger entsorgen ihre Köderfische am Abend im See und Fluss, um sie nicht mit nach Hause nehmen zu müssen. Kleiner Fisch (maximal zehn Zentimeter) und großes Thema. Insbesondere bei Anglern und Naturschützern. Als wahre Plagegeister haben sich Schwarzmundgrundel (Neogobius melanostomus), Kesslergrundel (Neogobius kessleri), Flussgrundel (Neogobius fluviatilis) und Marmorgrundel (Oxyeleotris marmorata) bereits fest in Flüssen und Seen etabliert. Es gibt Gewässer, da kann man die Angel zehn Mal ins Wasser hängen und neun Mal hängt eine Grundel dran. Zwischenzeitlich wandern die Grundeln über Kanäle nach Mitteleuropa, gelangen ebenso über russische Flüsse in die salzarme Ostsee, ziehen von dort in Richtung Deutschland und gelangen so in den Einzugsbereich der ins Meer mündenden Flüsse.

Was macht die kleinen Eindringlinge so gefährlich?

Grundeln sind äußerst fruchtbar, leben unauffällig und unbeweglich am Grund, schützen sich so vor Fressfeinden. Selbst werden sie erst am Abend lebendig und gehen dann auf Jagd. Vorzugweise fressen sie den Laich von Fischen, überwältigen die Jungfische von Rotaugen und Rotfedern, verschmähen auch Stichlinge nicht und holen sich auch mal einen Baby-Barsch. Erstaunlicherweise geht die Population von Zandern nach oben, wenn Grundeln in sein Revier eindringen. Fachleute führen das darauf zurück, dass Zander ihr Nest bewachen und alles angreifen, das in seine Nähe kommt. Das heißt, Grundeln können die Zander-Eier nicht dezimieren, fallen aber selbst den Räubern zum Opfer, die gut genährt die Brutzeit überstehen.
In wie weit sich das Grundel-Problem ausweitet, ist nur schwer abzuschätzen. Fachleute befürchten, dass sie das Ökosystem durcheinander bringen und nachhaltig verändern. In einzelnen Gewässern haben sie die selten gewordenen Groppen verdrängt, mit denen sie häufig verwechselt werden. In der Schweiz wurde die Schwarzmeergrundel als unerwünschte Art und als Schädling eingestuft. Kann man Grundeln essen? Sie schmecken vorzüglich, aber man benötigt eventuell größere Mengen, um eine Familie satt zu bekommen. An der Donau gibt es mittlerweile Restaurants, die Grundeln in Mehl gewendet gebacken oder in Bierteig frittiert anbieten. Grundeln schmecken wie Barsche. Vorsicht: Die Gräten werden durch Frittieren nicht aufgelöst. Wenn man die Grundeln aber in einem Essigsud vier bis fünf Tage im Kühlschrank einlegt, werden die Gräten aufgeweicht und essbar.

Gefürchtete Katzenwelse

Der aus den USA stammende Katzenwels ist weder bei Naturschützern noch bei Anglern beliebt. Foto: H. Frei
Der aus den USA stammende Katzenwels ist weder bei Naturschützern noch bei Anglern beliebt. Foto: H. Frei

Etwa um das Jahr 1900 wurden Katzen- beziehungsweise Zwergwelse (Ameiurus nebulosus) aus Nordamerika bei uns eingeführt. Rund 50 Arten gibt es. Man wollte friedliche und leicht angelbare Fische als Ergänzung zu den heimischen Arten etablieren. Das Etablieren hat geklappt, aber friedlich und leicht zu angeln blieb ein schöner Traum. Katzenwelse werden etwa 50 Zentimeter lang und zwei Kilogramm schwer, eine Art auch 1,6 Meter und 60 Kilo schwer. Ihr Fressverhalten beschränkt sich auf das Plündern von Laichgruben und das Vertilgen von Jungfischen aller Art. Feinde haben sie nur wenige, denn sie werden erst in der Dämmerung aktiv, sodass größere Hechte sie nicht mehr sehen können. Außerdem: An Brust- und Rückenflosse besitzen sie einen stabilen arretierbaren Stachelstrahl, der zu Giftdrüsen Verbindung hat und größere Räuber davon abhält, sie zu verschlingen.
Tauchen Katzenwelse in Flüssen und Seen auf, sind Angler und Naturschützer alarmiert. Nicht ohne Grund, denn die ungeliebten Invasoren bekommt man kaum mehr in den Griff. Das Problem: Sie betreiben Brutpflege, sodass sie selbst vom Laichraub nicht betroffen sind und sich deshalb enorm vermehren. Im kleinen Flüsschen Glems bei Ditzingen in Baden-Württemberg drängen sich Katzenwelse wie die Besucher auf Jahrmärkten. Durch Abfischen mit Elektrogeräten versucht man der Plage Einhalt zu gebieten. Ortsansässige Angler haben mir erzählt, dass es wie eine biblische Plage über das Gewässer gekommen sei. Denn Katzenwelse sind weitgehend unempfindlich gegen Umweltverschmutzung und anspruchslos, was ihr Umfeld anbelangt. Gewässerbegradigungen stören den Katzenwels so wenig wie ein Regentag oder kurzfristige Sauerstoffverknappung.
Eine Dezimierung der Bestände kann, so Fachleute, nur wirklich gelingen, wenn Katzenwelse regelmäßig auf den Speisekarten von Gaststätten angeboten werden und auch Angler den durchaus schmackhaften Fisch zu schätzen wissen. Ausmerzen, da sind sich alle einig, gelingt nicht mehr seit er in allen großen Seen und Flüssen heimisch geworden ist.

Störe

Störe gelten als harmlos, sind aber Invasoren, die teils bewusst eingeschleppt und ausgesetzt wurden. Foto: H. Frei
Störe gelten als harmlos, sind aber Invasoren, die teils bewusst eingeschleppt und ausgesetzt wurden. Foto: H. Frei

Wenn man die Verbreitung der Störe in den deutschsprachigen Ländern seit den 80er-Jahren Revue passieren lässt, kommt man zwangsläufig zu einer erstaunlichen Entwicklung. Zwar ist der Europäische Stör (Acipenser sturio) nach wie vor nur in Einzelexemplaren anzutreffen – UW-Aufnahmen vom ihm gibt es keine – so schlimm wurde er früher gejagt und dezimiert, doch seinen Lebensraum haben inzwischen Einwanderer besetzt.

Eingewanderte Störe pflanzen sich nicht fort

Als Invasoren kann man die bei uns lebenden Störe aber nicht bezeichnen, denn sie pflanzen sich nicht fort. Glaubt man jedenfalls, denn Störe sind anadrome Wanderfische, die zum Laichen vom Meer ins Süßwasser streben, um dort auf Kiesflächen ihre Eier abzulegen. Das machen die ausgesetzten Knochenfische jedoch nicht. Aber auch das ist mehr oder weniger eine Vermutung. Die im Rhein und in der Elbe lebenden russischen Störe könnten bequem in die Nordsee abwandern. Machen sie es? Wohl eher nicht, denn ihre Heimat sind die Flüsse Russlands – Don und Wolga sowie die Zuläufe ins Kaspische und ins Schwarze Meer. Sind sie einmal in einem See gelandet, findet nach allem, was man weiß, keine Fortpflanzung statt. Nur der Sterlet macht eine Ausnahme. Er kann sich ohne Wandertrieb im Süßwasser fortpflanzen.

Störe sind friedliche Zeitgenossen

Beim Stör geht es primär um den Kaviar. Züchter können hier gute Erfolge vorweisen. Sie verkaufen nicht nur den teuren Rogen sondern auch die Störe (Beluga, Baeri, Waxdick, Sternhausen, Hausen) selbst an Privatleute, die sie im Gartenteich schwimmen lassen oder in Steinbrüchen (Löbejün) und Outdoor-Centren (Ibbenbüren) aussetzen. Dagegen haben die Behörden eigentlich nichts, denn Störe sind keine aggressiven Invasoren oder ungeliebte Zuzügler. Sie sind friedlich, verdrängen keine heimischen Arten, nehmen niemandem das Futter weg. Störe, auch das muss man wissen, können meterlang werden und finden sich dann nicht mehr mit Würmchen, kleinen Schnecken und Wasserasseln ab. Um ihren Eiweißgehalt zu decken, fressen sie auch mal ein Rotauge, einen kleinen Hecht oder eine Schleie. Von den Anglern und Naturschützern werden sie zwangsläufig geduldet. Aus den heimischen Gewässern kann man sie kaum noch entfernen. Es will auch niemand. So werden auch zukünftig Störe, die dem Gartenteich entwachsen sind, in Freiheit entsorgt. Zur visuellen Unterhaltung von Tauchern.

Schmuckschildkröten

Schmuckschildkröten verdrängen die unter anderen die Europäische Wasserschildkröte. Außerdem sind sie extrem gefräßig. Foto: H. Frei
Schmuckschildkröten verdrängen die unter anderen die Europäische Wasserschildkröte. Außerdem sind sie extrem gefräßig. Foto: H. Frei

Niedlich sehen sie aus, bunt und sogar lustig. Aber Schmuckschildkröten (Trachemys scripta scripta) und hier insbesondere die Rotwangenschildkröten, sind Invasoren, die ganze Gewässer aufmischen. Dabei verdrängen sie die nur noch an wenigen Stellen lebende europäische Wasserschildkröte, durch ihre höhere Populationsrate. Wer einmal im Gartenteich eine Schmuck- oder Rotwangenschildkröte (Trachemys scripta elegans, siehe Foto) beheimatet hatte, wird wissen, dass schon nach kurzer Zeit, der Teich zu einer leblosen Wasserwüste verkommen ist. Die aus Nordamerika eingeschleppten Wasserschildkröten hausen wie die Berserker, bringen alles um, fressen Freund und Feind, greifen auch größere Fische an und ziehen kleine Wasservögel in die Tiefe. Bringt man seine Finger nicht in Sicherheit, fehlt zumindest ein Stück Haut. Ist alles leergefressen, verlassen sie den Teich und wandern weiter.
Die Hoffnung, dass die Einwanderer die strengen Winter in Mitteleuropa nicht überleben würden, hat sich als haltlos erweisen. Sie graben sich in Ufernähe ein und sind im Frühling wieder putzmunter. Auch der Nachwuchs kommt problemlos über die Runden. Man muss nur im Schilf und in den Pflanzengürteln etwas suchen und die Augen offen halten, dann erspäht man die bunten Gesellen. Entnehmen, um sie mit nach Hause zu nehmen ist nicht strafbar, denn die Eindringlinge stehen nicht unter Naturschutz. Bei den nordamerikanischen Wasserschildkröten ist es ähnlich wie bei allen eingeschleppten Arten. Man wird ihrer irgendwann überdrüssig und entsorgt sie in Tümpeln, Waldweihern und stillen Flussnebenarmen. Zur Freude von Tauchern, zum Ärger von Naturschützern.

Muscheln

Dreikantmuscheln überwuchern alles. Sie verschließen in den Binnenhäfen die Ansaugrohre von Löschwasserleitungen. Foto: H. Frei
Dreikantmuscheln überwuchern alles. Sie verschließen in den Binnenhäfen die Ansaugrohre von Löschwasserleitungen. Foto: H. Frei

Kein Invasor ist so erfolgreich wie eingeschleppte Muscheln. Sie verbreiten sich wie eine Seuche. Man kann das als Taucher explizit vor Ort sehen. Dreikantmuscheln haben die UW-Welt im Süßwasser erobert. Einer Epidemie gleich haben die anfangs unterschätzten Dreissenidae ihre Reviere ausgedehnt. Teils bis 40 Meter Tiefe, wo Enten, Blässhühner und andere Wasservögel sie nicht erreichen können. Feinde haben sie schon, aber eben nicht genug. Auch der Bisam, ein ebenfalls nicht geschätzter Geselle, nagt an ihnen, doch das reicht nicht. Karpfen fressen sie, gehen aber gemeinhin nicht so tief hinunter. In den Binnenhäfen großer Städte treten sie so zahlreich auf, dass die Siebe der Löschwasserrohre jährlich von ihnen gesäubert werden müssen. Taucher steigen hinunter und kratzen mit Metallbürsten die Ansaugstutzen frei. Auch Trinkwasser-Ansaugrohre sind vom Kollaps bedroht, weil sie mit Dreikantmuscheln zuwachsen. Es gibt Stellen, da findet man auf einem Quadratmeter bis zu 100 000 Tiere in dicken Schichten übereinander.

Wo Dreikantmuscheln in Massen auftreten, sind die heimischen Mahler- und Teichmuscheln in ihrer Existenz bedroht

Denn Dreissena polymorpha überwuchert die großen heimischen Muscheln und raubt ihnen die Nahrung. Die Großmuscheln verhungern. Ebenso sind die Laichplätze von Forellen und Saiblingen gefährdet, weil sich die Muscheln extensiv am Grund ausbreiten. Da die Dreiecksmuschel nur bis rund 40 Meter in die Tiefe vordringt, war die logische Überlegung, die Trinkwasseransaugrohre in den Seen eben etwas tiefer zu legen. Das hat nur eine Zeitlang funktioniert, dann waren die Rohre wieder zu. Diesmal aber nicht von Dreissena, sondern von der Quagga-Muschel (Dreissena rostriformis bugensis) einer Unterart der Dreikant- oder Wandermuschel. Quagga stammt aus der Schwarzmeer-Region und kann tiefer tauchen. Man vermutet, dass sie nach der Jahrtausendwende mit Motorbooten oder Lastkähnen nach Deutschland kam, wo sie 2005 erstmals nachgewiesen wurde. In der Schweiz fand man 2015 erste Exemplare. Ihre Ausbreitung geht rasant vonstatten. Auch Quagga tötet die großen heimischen Muscheln, indem sie diese so dicht besiedelt, dass sie ihre Schalen nicht mehr öffnen und schließen können. Allerdings wohl nicht überall, denn es gibt Wassergräben, in denen sie nur die Ränder besiedelt hat.
Das Problem der Muschel-Epidemie ist die hohe Reproduktionsrate der Einzeltiere. Manche Arten geben bis zu 8000 Jungtiere im Jahr ab. Außerdem können sich die Weichtiere ungeschlechtlich fortpflanzen. Das eröffnet Chancen für eine ungezügelte Verbreitung.

Wimpelkarpfen

Wimpelkarpfen sind harmlose Kleinode, die man nur vereinzelt in Baggerseen mit wenig Raubfischbestand hin und wieder antreffen kann. Foto: H. Frei
Wimpelkarpfen sind harmlose Kleinode, die man nur vereinzelt in Baggerseen mit wenig Raubfischbestand hin und wieder antreffen kann. Foto: H. Frei

Im Prinzip gehören sie zu harmlosen Einwanderern, weil sie keine andere Tierart verdrängen. Ob sie deshalb zu uns passen, sei dahingestellt. Durch Gartenteichbesitzer und Aquarianer gelangen sie vereinzelt in unsere Gewässer, wo sie wie exotische Geisterwesen durch die grüne UW-Welt schwimmen. Wimpelkarpfen (Myxocyprinus asiaticus), auch Süßwasser-Fledermausfische genannt, werden in europäischen Gewässern maximal 60 Zentimeter groß. In ihrer angestammten Heimat, dem Jangtse in China, wurden schon 1,3 Meter große und 35 Kilogramm schwere Exemplare gefangen. Ihre Nahrung besteht überwiegend aus Algen, Plankton, kleinen Krebschen und Wasserinsekten. Ausgewiesene Laichfresser sind sie nicht, jedenfalls wurde ein solches Verhalten bis dato nicht nachgewiesen. In heimischen Gewässern ist ihr Überleben bei extensiven Raubfischpopulationen etwas problematisch. Gefahr droht ihnen von Hecht und Waller und eventuell von Anglern, denn sie schmecken angeblich sehr gut.

Amurkarpfen

Amurkarpfen haben sich als Wasserpflanzen-Schädlinge entpuppt. Foto: H. Frei
Amurkarpfen haben sich als Wasserpflanzen-Schädlinge entpuppt. Foto: H. Frei

Können Karpfen schädlich sein? Erstmal nicht, denkt man. Aber der Amur-, auch Graskarpfen genannt, ist ein Invasor, der nicht überall gern gesehen ist. Außerdem ist er mit unseren Kapfen nicht verwandt, denn er gehört eigentlich zur Gruppe der Weißfische. Ctenopharyngodo idella, so sein wissenschaftlicher Name, wird bis 1,3 Meter lang und über 50 Kilo schwer und stammt ursprünglich aus China, wo der Fluss Amur ihm seinen Namen gab. Als weit verbreiteter Teichfisch wird er seit dem 10. Jahrhundert bis heute in China als Nahrungsmittel geschätzt.

Mit Arbeitsauftrag nach Europa importiert

Nach Europa kam er in den 1960er-Jahren zur Bekämpfung von Wasserpflanzen in verkrauteten Seen und zur Dezimierung der eingeschleppten Wasserpest an den Turbinenschächten von Wasserkraftwerken. Was man nicht bedachte, war sein Heißhunger auf alle Arten von Wasserpflanzen und deren geringe Verwertbarkeit. In Amur-besetzten Gewässern räumten die schwimmenden Veganer in der Uferzone so mit den Wasserpflanzen auf, als habe man einen Rasenmäher eingesetzt. Einzelne Exemplare wurden dabei beobachtet, wie sie die Köpfe aus dem Wasser streckten und das Gras am Uferrand abweideten. Große Exemplare sind in der Lage, ganze Schilfgürtel und Seerosenfelder wegzufressen.

Armurkarpfen sind Düngerproduzenten

Neben seiner Gefräßigkeit verunreinigt er die Gewässer mit seinen Ausscheidungen, weil nur ein kleiner Prozentsatz (15 bis 30 Prozent) der Wasserpflanzen verdaut und in körpereigene Substanzen umgewandelt werden. Der Großteil wird unverdaut als phosphor -und stickstoffreicher Stuhlgang ausgeschieden und gelangt somit als Dünger in das Wasser, was die Algenbildung anregt. Wo Graskarpfen leben, hat man als Taucher meistens wenig Freude am genussvollen Dahingleiten, macht man zudem als UW-Fotograf nur selten einen Stich, weil die Transparenz zumindest in Teichen und kleinen Seen mitunter gegen Null tendiert. Fangen lassen sich Amurkarpfen zudem schlecht, weil sie nur auf Grasbüschelköder und Maiskörner reagieren. Und das nicht immer.

Schlangenkopffisch

Schlangenkopffisch: Über ihre Schädlichkeit ist bei uns noch wenig bekannt. Man weiß auch nicht genau, ob sie kalte Winter überleben. Foto: H. Frei
Schlangenkopffisch: Über ihre Schädlichkeit ist bei uns noch wenig bekannt. Man weiß auch nicht genau, ob sie kalte Winter überleben. Foto: H. Frei

Bis jetzt wird er nur vereinzelt angetroffen. Die Familie der Schlangenkopffische zählt über 40 Arten. Deshalb kann man auch nie sicher sein, welche Art man antrifft, wenn man einem dieser skurrilen Wasserbewohner begegnet. Im klassischen Sinn gelten sie als Raubfische, weil sie sich neben Wasserinsekten und Schnecken auch von Fischen ernähren. In Asien und Afrika werden Schlangenkopffische in Aquakulturen gezüchtet und sind fester Bestandteil der heimischen Küche. Die unterschiedlichen Arten bewegen sich in einem Größenverhältnis zwischen 15 Zentimetern und 1,8 Metern. Wenn die Gewässer unter Sauerstoffarmut leiden, können sie für einen begrenzte Zeit auch Luft atmen.

Schlangekopffische: Wie geht es mit ihnen bei uns weiter?

Fraglich, ob sie sich bei uns halten und fortpflanzen können. Fachleuchte glauben, nein, da es im Winter noch zu kalt wird. Weil sie bei uns noch selten sind, scheint die Gefahr klein zu sein, dass sie die heimischen Fischwelt nachhaltig beeinflussen können. Anders in den USA, wo sie auf Hawaii und in Florida ausgesetzt wurden, dort stabile Populationen bildeten und massive Schäden an Jungfischen verursachen.

Schwammartiges Moostierchen

Gilt noch nicht als bedrohlich: Schwammartiges Moostierchen. Foto: H. Frei
Gilt noch nicht als bedrohlich: Schwammartiges Moostierchen. Foto: H. Frei

Als Ursprungsort gilt für das Schwammartige Moostierchen (Pectinatella magnifica) das Gebiet östlich des Mississippis in den USA. Von dort gelangte es nach Asien und auf Umwegen auch zu uns. Vermutlich aber schon 1883, wo es zuerst nahe Hamburg in der Elbe entdeckt wurde, was den Schluss zulässt, dass es im Ballastwasser großer Handelsschiffe eingeschleppt wurde. 1922 war es bereits die Moldau in der Tschechischen Republik hochgewandert und gelangte so bis nach Niederösterreich. In Deutschland wurden Kolonien in der Oberrheinebenen gesichtet, vereinzelt in abgelegenen Auwaldseen. Wie sie dorthingelangen ist ein Rätsel. Eventuell im Gefieder von Wasservögeln. Dass sie sich dort sauwohl fühlen und große Kolonien bilden, kann durch die hohen Wassertemperaturen im Sommer erklärt werden.
Die länglichen bis runden Kolonien bestehen aus unzähligen Einzeltieren, die zusammen über ein Kilogramm wiegen können. Mittels Tentakelkranz wird die Nahrung aus dem Wasser gefiltert. Noch gilt das Schwammartige Moostierchen nicht als bedrohlich, was sich aber schnell ändern kann, wenn es in Gewässer eindringt und dort Ansaugstutzen für Löschanlagen (Binnenhäfen) und Filtervorrichtungen (Trinkwasserentnahmen) zuwuchert. So geschehen in den USA und Asien.

Was sind Neozoen?

Noch geistert in der Wissenschaft die Vorstellung umher, dass alle seit 1492 unter Mitwirkung von Menschen in fremde Gebiete eingeschleppte Tierarten unter den Begriff Neozoen fallen. Das, so manche Forscher, müsse man aber mittlerweile relativieren und aus anderen Perspektiven sehen. Tierische und pflanzliche Einwanderer kommen zu uns auch ohne absichtliches Zutun des Menschen. Im Gefieder von Vögeln, im Reisegepäck, als Eier und Larven am Tauchequipment, an Autoreifen, im Ballastwasser von Schiffen, sie wandern mit dem Kühlwasser zu uns, mit der Strömung oder werden durch Wind und Regen zu uns getragen. Auch von Menschen gebaute Kanäle und Wasserstraßen dienen der zufälligen, unbeabsichtigten und unwissentlichen Verbreitung tierischer Arten.
Einwanderer, die seit Jahrzehnten bei uns heimisch sind und die Tierwelt nicht negativ beeinflusst haben, sind etabliert und gelten irgendwann als heimisch. Wie der Sonnenbarsch, dessen Vorkommen in ganz Deutschland zur Normalität geworden ist. Ein Einwanderer, der aber die heimische Unterwasserwelt nicht nennenswert beeinflussen konnte. Räuber wie Hecht, Waller und Zander dezimieren die Bestände und halten sie klein. Seltsames tut sich beim eigentlich heimischen Kaulbarsch, der in vielen Gewässern kaum noch zu finden ist, sich aber im Bodensee zu einem Massenphänomen entwickelt hat. In den Uferzonen des schwäbischen Meeres ist er mittlerweile die dominierende Fischart. Keiner weiß, warum. Denn Hechte und Waller gibt es im Bodensee mehr als genug.