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TAUCHEN-Fehleranalyse: Angst beim Tauchen im Blauwasser

Beim Briefing wird der Abstieg auf 30 Meter besprochen. Die „alten Hasen“ freuen sich – nur Helmut ist mulmig zumute. Foto: W. Pölzer

Wenn Taucher mit unterschiedlicher Erfahrung auf UW-Tour gehen, sollte sich die Gruppe immer am schwächsten Mitglied orientieren. Klingt plausibel – in der Praxis sieht das häufig anders aus: „Alte Hasen“ können auf Anfänger einschüchternd wirken – wie bei der eingeschworenen Herrenrunde dieses Fehlerberichts. Wenn drei der Taucher schon mehrere hundert Stunden unter Wasser verbracht haben und der vierte Mann gerade einmal 20 Einträge im Logbuch und über keinerlei Erfahrung im Meer verfügt, sollte die Gruppe besonders aufmerksam sein. 

Michael M. ist mit seinen drei Freunden beim gemeinsamen Tauchurlaub – der erste Ausflug bei einer maximalen Tiefe von 15 Metern am Hausriff verläuft problemlos. Für den zweiten Tag planen die Taucher einen Abstieg an einer Steilwand.

Die Buddy-Teams freuen sich auf den Tauchgang im Blauwasser. Foto: W. Pölzer

Vor dem Riff wollen sie ins Wasser springen, auf eine Tiefe von 30 Metern abtauchen und sich langsam mit der seichten Strömung Richtung Riffwand ins Flachwasser treiben lassen. Leider ist beim Briefing niemanden aufgefallen, dass der sonst so agile Helmut immer stiller wurde. Als schwächster Taucher in der Gruppe war ihm bereits vorher mulmig zumute – wie er später resümierte.  Beim Abtauchen zeigt sich seine Nervosität. Er bekommt Angst, wirkt gestresst und hat gewaltigen Lufthunger.

Schon nach kurzer Zeit sind nur noch 50 bar im Tank. Foto: W. Pölzer

Bis zum Abstieg hat er in kurzer Zeit die halbe Flasche leergeatmet. Nur noch 100 Bar im Tank! Die Buddys beginnen mit dem Aufstieg. Bereits vor der Safety-Stop -Phase ist der Flascheninhalt auf 50 bar geschrumpft.  Michael reicht ihm daher den Oktopus, damit Helmut wieder unversehrt an die Oberfläche kommt. 

Hinterher wird diskutiert, wie es dazu gekommen ist. Helmut berichtet, dass ihn der Blauwasser-Tauchgang mit erfahrenen Tauchern eingeschüchtert hat.

 

Wenn Ängste beim Tauchen unerträglich werden

Fehler 1: Die erfahrene Herrenrunde übt gewaltigen Druck auf Helmut aus. Eine Gruppe sollte sich bei der Tauchgangsplanung am Buddy mit der wenigsten Praxis orientieren. Wenn sich Taucher auffällig anders benehmen, sollten die Buddys besonders aufmerksam sein.

Fehler 2: Hier hätte Helmuts Buddy beruhigend einwirken müssen – oder ihn an die Hand nehmen sollen. Durch seine Passivität steigert sich seine Angst.

Fehler 3: Der Abbruch des Tauchgangs ist richtig – kommt aber viel zu spät. Zum Glück ist Helmut nichts passiert!

Panik beim Tauchen: Todesangst in der Tiefe

EXPERTENTIPP, Prof. Dr. Claus-Martin Muth

Prof. Dr. med. Claus-Martin Muth

„Der beschriebene Fall passiert in dieser Art recht häufig – nicht immer mit einem so glimpflichen Verlauf. Bei Unfällen im Blauwasser kommen meist mehrere Faktoren zusammen, die im schlimmsten Fall katastrophal ausgehen können. Warum? Ursachen sind häufig Anspannung und Angst, die in Panik gipfeln. Der unerfahrenere Taucher hat sich der Situation von vornherein nicht gewachsen gefühlt. Wird jemand bei solchem Szenario auffallend ruhig, ist das häufig ein Zeichen für große innere Anspannung. Ist das der Fall, können Kleinigkeiten ausreichen, um eine unkontrollierte Panikreaktion hervorzurufen. Woher kommt diese Angst? Der Abstieg im Blauwasser ist für viele erfahrene Taucher eine fantastische Erfahrung – für Anfänger hat dieses Szenario eine unheimliche Aura. Das tiefe Blau sorgt für Verwirrung. Der Verlust von Fixpunkten führt zur Desorientierung. Mögliche Folgen sind Schwindelattacken, die sich über Angstmomente bis hin zu einer gefährlichen Panikreaktion steigern können. Im Grunde hatten alle vier Taucher riesiges Glück, dass der unerfahrene Buddy entweder vor Angst wie gelähmt war, oder aber ein eher ruhiges Naturell hatte. Nur so konnte nichts Schlimmeres passieren. Ein unkontrollierter Notaufstieg in Panik hätte nämlich nicht nur den betroffenen Taucher massiv gefährdet, sondern auch den Buddy und Mittaucher, die einen Rettungsversuch unternommen hätten. Deshalb ist es immens wichtig, auf erste Warnsignale des Körpers zu achten. Bei Unwohlsein und Angstgefühl sollte ein Tauchgang abgebrochen werden!“

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