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Kompromisslos Trockentauchen? Der SL-O1 von SEAL Drysuits

SL-01 heißt der erste Trockentauchanzug des polnischen Herstellers Seal Drysuits, einer Tochter des in der Tech- und Höhlentauchszene weitverbreiteten Herstellers xDeep. Das Marketing verspricht kompromissloses Trockentauchen. Hält der Anzug dieses Versprechen?

Helene-Julie Zofia Paamand

Die Außentemperatur liegt bei acht Grad Celsius. Eine steife Brise mischt die Nordsee im schwedischen Kattegat auf. Der Wellengang ist nicht hoch. Vielleicht etwas über 1,5 Meter. Dafür ist er sehr unstet. Die Brandung kommt von allen Seiten. Die Fotoausrüstung im Schoß, kippe ich rückwärts vom Aluboot der Tauchbasis Smögendyk ins Wasser. Jetzt im April beträgt die Wassertemperatur an der Oberfläche ebenfalls acht Grad. Weiter unten, angepeilt sind 30 Meter Tiefe, warten vier Grad auf mich. Die Tauchgangsdauer wird zwischen 50 und 60 Minuten angesetzt.

Lange Prototypen-Testphase

Diese Bedingungen sind exakt die Verhältnisse, die ich mir für den Test des Trilaminat-Trockentauchanzugs SL-01 von Seal Drysuits vorgestellt habe. Natürlich ist der Anzug nicht das wärmende Element. Unter ihm trage ich neben diversen Fourth Element-Schichten aus Base- und Midlayern auch eine Heizweste der Firma Mares. Doch um Isolationseigenschaften und Temperaturen geht es bei diesem Ausrüstungstest nicht.

Viel mehr interessieren mich die Beweglichkeit, die Verarbeitung, das allgemeine Handling und das Tragegefühl des SL-01. Denn laut dem Hersteller xDeep, der hinter der Firma Seal steckt, wurden diese Features über eine Entwicklungszeit von drei Jahren grundlegend neu durchdacht. Immer wieder wurden Prototypen des Anzugs an die Höhlentauchteams gegeben, die xDeep unterstützt. In den drei Jahren der Testphase wurden neun verschiedene Modellversionen produziert. Immer standen laut Hersteller der praktische Nutzwert und eine extreme Durabilität bei maximaler Beweglichkeit im Fokus. 

Der erste Kontakt

Die abriebsgefährdeten Bereiche wie Schultern, Ellenbogen, Knie und Gesäß sind aus einem schnittresistenten Material namens »Superfabric« gefertigt. Es soll so fest sein wie Kevlar, nur wesentlich flexibler, vor allem, wenn unter Wasser Druck und Feuchtigkeit hinzukommen. In der Tat sind die Beweglichkeit und auch der äußerst ergonomische Schnitt des Anzugs unter Wasser sehr angenehm. Ausladende Flossenbewegungen sind gut möglich.

Auch die Flaschenventile beim Backmount-Tauchen – wenn die Tauchflaschen auf dem Rücken des Tauchers liegen – sind trotz vieler auftragender Schichten unter dem Anzug sehr gut zu erreichen. Die Beweglichkeit ist insofern wirklich so gut wie versprochen, meines Erachtens. In punkto Verarbeitung sei vorauszuschicken: Den Anzug habe ich nicht mit »Samthandschuhen« angefasst. Das muss man auch nicht, denn er ist sehr gut gefertigt. Weder an den Knien noch an anderen Stellen sah man auch nur irgendeine Veränderung während meines Tests (Testtauchgangsdaten folgen am Schluss).

Das Handling, also das An- und Ausziehen, klappte ruckzuck. Die Hosenträger sind schnell von ihren Befestigungen gelöst, sollte das einmal notwendig sein. Der Reissverschluss öffnet sich sehr weit. Die beiden seitlichen Beintaschen fallen üppig aus. Eine Zusatztasche für Wetnotes ist ebenfalls gut und schnell erreichbar.

Der Zipper genau betrachtet

Der Reißverschluss ist ein quer über die Brust verlaufender Frontzipper, wahlweise aus Kunststoff (Firma: TiZip) oder Metall (Firma: Dynat G10). Über dem eigentlichen Trockenzipper liegt noch ein weiterer Kunststoff-Reißverschluss zum Schutz des ersten Zippers. Der Trockentauch-Reißverschluss hat mir beim ersten Testtauchgang Wassereinbruch beschert, wegen eines Bedienungsfehlers aus Unwissenheit. Denn damit der Zipper sich nicht von allein öffnen kann, wird er unter einer Schlaufe durchgeführt. Führt man ihn dort nicht durch, schließt der Reißverschluss eventuell nicht vollständig. Wassereinbruch ist dann die Folge. Das passiert genau ein Mal. Dann weiß man, was Sache ist.

Boots und mehr …

Zum Trocknen des Anzugs sind zwei Halteschlaufen im Inneren angebracht, womit der Seal SL-01 einfach und effektiv aufgehängt und getrocknet werden kann. Die Füßlinge sind optional entweder aus Neoprensocken oder aus angesetzten Neoprenfüßlingen. Ich tauchte die Version mit den Socken. Der Vorteil: Man kann Rockboots in seiner eigenen Größe nutzen, was bei einem Testanzug am meisten Sinn macht. 

Armmanschetten, Handschuhe und Anpassungen

Bei diesem Testmodell waren Silikonmanschetten an den Handgelenken verbaut. Bis auf Neoprenmanschetten gibt es alle Variationen im Angebot. Latex ohne vorinstallierte Ringe für Trockentauchhandschuhe, Latex mit diesen Ringen. Es werden die Trockentauchhandschuh-Systeme Antares von Si-Tech und Ultima von Waterproof angeboten. Wer für lange Tauchgänge ein Urinalventil benötigt, erhält dies auf Wunsch ebenfalls.

Bestellung und Anpassen

Sollten Sie sich für den SL-01 interessieren oder ihn gar kaufen wollen, ist der Orderprozess über die Webseite des Herstellers möglich. Dort wird man mit einem Konfigurator durch den Auswahlprozess gelotst. Da jeder Anzug im polnischen Werk maßangefertigt wird, kann er gut auf individuelle Bedürfnisse abgestimmt werden. Bestellt wird über einen Händler, zu dem man mit dem im Netz generierten Code geht. So ruft der Händler die richtige Konfiguration ab. Entweder nimmt der Händler dann Maß oder der Kunde selbst. Da verschiedene Kontrollmaße genutzt werden, errechnet eine KI-basierte Software des Herstellers, ob sauber Maß genommen wurde oder ob es möglicherweise Messfehler gab. Dann wird nochmal nachjustiert. Insgesamt ein interessantes und innovatives Konzept. 

Fazit

Der Testtauchgang in der Nordsee verlief ruhig, mit einigen ortstypischen Seehasen und nordischen Nacktschnecken. Das Fazit zum Anzug: Bei dem zerfahrenen Wellengang und dem mit Ausrüstung beladenen Wiedereinstieg ins Aluboot machte der SL-01 jedes Mal ein gute Figur. Vor allem seine Beweglichkeit und seine Verlässlichkeit waren sehr hilfreich. Die Verarbeitung und die verwendeten Materialien bewegen sich im Oberklasse-Bereich, was man bei einem Anzug für fast 3000 Euro auch erwarten darf. Das kleine Startproblem Wassereinbruch durch den Reissverschluss ist auf meine fehlerhafte Bedienung zurück zu führen. Entsprechend kann das Produkt hier für nicht. Wer das Geld hat und den Bestellprozess nicht scheut, dem kann man dieses Produkt unbedingt empfehlen. Mit Sicherheit wird dieses sehr robuste Ausrüstungsteil lange halten. Kompromisslos, wie in der Werbung versprochen, sind bei dem Anzug vor allem die vielen Konfigurationsoptionen.

Technische und Tauchgangsdaten