Biologie

Aufgedeckt: Spanien ist Umschlagplatz für Haiflossen

2.    An den 100 Kilometer langen Langleinen sterben nicht nur Blau- und Makohaie, sondern auch etliche andere Tiere. Welche Tierarten sind betroffen und was passiert mit ihnen?

Keiner der Wissenschaftler, mit denen wir in Spanien oder anderswo gesprochen haben, wollte uns hierzu ein offizielles Statement vor der Kamera geben. Die Lobbyarbeit funktioniert. Alle kuschen. Hinter vorgehaltener Hand wurde uns aber bestätigt, was wir schon vermutet haben: Longimanus, Weißer Hai, Hammerhai, alle geschützten Arten, hängen genauso an den Langleinen und werden wieder ins Meer zurück befördert, da sie in der EU nicht angelandet werden dürfen. Die offizielle Version: Die Tiere werden lebend wieder ins Meer entlassen. Die Realität sieht anders aus. Longimanus, Weißer Hai und all die anderen geschützten Arten wie Fuchshai und Makrelenhai gehören zu den Hochseehaien ohne aktive Atmung. Es dauert ein paar Stunden, wenn überhaupt, und die Tiere sind tot! Da die Langleinen tagelang in den Meeresströmungen unkontrolliert herumschwimmen, stirbt der größte Prozentsatz der Tiere. Dazu kommen Seevögel, Delphine, Robben und Schildkröten, die in die Haken geraten. Alles, was im Meer unterwegs ist und nach Nahrung sucht, landet an den Haken, ohne Ausnahme. Die Langleinenfischerei ist die brutalste Form der Zerstörung unserer Meere, bis zu 300 Kilometer lang sind die Leinen der großen Trawler, pro 100 Kilometer mit 20 000 Haken versehen. Ich bin immer wieder sprachlos wegen diesem Raubbau an der Natur, der nur weil er für die Öffentlichkeit nicht sichtbar ist von allen ignoriert wird.

So funktioniert die Langleinenfischerei:

3.    Es werden auch immer mehr die nicht geschlechtsreifen Tiere abgefischt, was bedeutet das für die Blauhai-Populationen?

Das ist die größte Katastrophe! Blauhaie vermehren sich im Verhältnis zu anderen Haien sehr produktiv. Sie werden schon sehr früh geschlechtsreif, die Weibchen mit fünf bis sieben Jahren, die Männchen mit vier bis sechs Jahren und bringen nach neun bis zwölf Monaten Tragzeit bis zu 30 Junge zur Welt. Doch selbst diese Haiart hat dem Fangdruck der Spanier im Atlantik nichts entgegenzusetzen. Noch, so schein es, sind die Fangzahlen stabil. Es wird aber, und da gehe ich mit einigen Experten konform, keinen langsamen Rückgang geben, sondern ein abruptes Sterben. Meine persönliche Meinung ist, dass in den folgenden Jahren es sehr schlagartig zu einen Einbruch der Blauhai-Population im Atlantik kommen wird. Die Bestände werde extrem schnell zusammenbrechen, da gerade in diesem Moment die kommende Generation abgefischt wird. Diesem Fangdruck hat selbst der Blauhai nichts entgegenzusetzen. Die einzige Lösung ist und bleibt, die Langleinenfischerei zu verbieten!
Deswegen hat Andreas Bode, einer unserer aktiven Mitstreiter, gemeinsam mit Sharkproject eine Petition an das EU-Parlament gestartet. Hier geht es zur deutschen Version der Petition.

Das MSC-Siegel steht eigentlich für nachhaltige Fischerei.
Das MSC-Siegel steht eigentlich für nachhaltige Fischerei.

4.    Die Haifang-Firmen aus Vigo haben tatsächlich das MSC-Siegel beantragt. Warum? Glauben Sie daran, dass sie es bekommen?

Bei dem MSC-Siegel glaube ich an gar nichts mehr. Schließlich hat die kanadische Dornhai-Fischerei auch das MSC-Siegel bekommen. Schon verrückt, es gab somit MSC zertifiziere Haiflossen als Export nach Asien. Als Sharkproject damals beim MSC angefragt hat worauf die Bestandszahlen der Dornhaie im Fangenbiet im Nordostpazifik beruhen, kam als Antwort: „Auf den Aussagen der Fischer, die dort seit 30 Jahren Dornhai fangen.“ So ähnlich war es dann auch auf der Webseite des MSC zu lesen. Stabile Bestände, keine Zahlen. Mittlerweile gibt es keinen MSC zertifizierten Dornhai mehr, da beide Fischereien, die auf Dornhai gefischt haben, festgestellt haben, dass die Bestände doch nicht so stabil sind, wie man dachte.
Laut MSC sind fast alle Fischereiarten inklusive Longlining für das Siegel zugelassen. Das MSC braucht nun für die Prüfung ein dreiviertel Jahr, dann wird das Ergebnis feststehen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wenn die Kriterien wie Überwachungskameras bei Fangeinholen und einige andere Kriterien erfüllt werden, diese Flotte durchaus das MSC Siegel bekommen wird. Das ist der Grund warum ich nichts mehr auf das MSC-Siegel gebe. Schauen wir doch mal ganz sachlich in die Kühltheken unsere Supermärkte, in manchem Discounter sind bis zu 90 Prozent der Fischprodukte MSC zertifiziert. Es sind mittlerweile solche Massen an MSC zertifiziertem Fisch auf dem Markt, das soll nachhaltig sein? Wir müssen endlich begreifen, dass Fisch kein Massenprodukt sein darf, das ich in viereckiger, panierter Form jeden dritten Tag meinen Kindern zu essen gebe. Fisch muss ein Luxusgut werden. Die Wertschätzung des Fisches muss sich drastisch ändern, das gilt übrigens auch für Fleisch, da haben wir das gleiche Dilemma.

6.    Wie ist der weltweite Trend im Bezug auf die Haiflossen?

Auf den ersten Blick recht gut. Dank umfangreicher Aufklärungsarbeit haben sich in Südchina 84 Prozent der Chinesen gegen den Konsum von Haifischflossensuppe ausgesprochen. Die chinesische Regierung unterstützt diese Initiative und bannt den Hai sogar von der Speisekarte bei offiziellen Banketts. Kalifornien mit der größten im Ausland lebenden chinesischen Gemeinde hat, wie einige andere amerikanische Bundesstaaten auch, schon vor einiger Zeit den Haihandel gebannt. Ich wünschte die EU wäre auch endlich so weit. Costa Rica steigt, seitdem Laura Chincilla als Präsidentin abgewählt wurde, wieder in den Haihandel ein. Die Private Docks in Punta Arenas sind von der taiwanesischen Haifischflossen-Mafia wieder eröffnet worden und aktuell 2500 Tonnen Hammerhaie, obwohl sie CITES geschützt sind, von der Regierung offiziell zum Fang frei gegeben worden. Somit gibt es gute, aber auch schlechte Nachrichten. Das Problem dabei ist und bleibt, dass die wenigen noch verbleibenden Haie sich nicht schnell genug reproduzieren, um dem Fangdruck standhalten zu können. Der Markt für Haiflossen ist immer noch weltweit gegeben. Übrigens aus Europa stammen 30 Prozent aller weltweit gehandelten Haiflossen. Wir sollten also das Problem nicht so weit von uns weisen. Europa, allen voran Spanien und Portugal, ist tief in diesem Geschäft etabliert.

Schillerlocken werden aus den Bauchlappen des Dornhais hergestellt (Nicor/Wikipedia).
Schillerlocken werden aus den Bauchlappen des Dornhais hergestellt (Nicor/Wikipedia).

7.    Deutschland importiert jährlich bis zu 300 Tonnen Blau- und Mako- sowie 300 Tonnen Dornhaie. Was passiert mit dem Fleisch?

Erst einmal müssen wir uns diese Zahlen genauer anschauen. 2014 hat Deutschland 296 Tonnen überwiegend Blau- und Makohai importiert, ein bisschen mehr als 2013 mit 265 Tonnen. Der Großteil des Imports besteht aus Filets, somit muss man den Faktor 2,4 ansetzen, um auf das Lebendgewicht der Tiere zu kommen, die wirklich dafür gestorben sind. Somit reden wir von weit höheren Zahlen. Dazu kamen 2013 255 Tonnen Dorn- und Katzenhai, der größte Teil gefroren aus den USA. In 2014 waren es nur noch 90 Tonnen Dorn- und Katzenhai, was vielleicht einfach daran liegen mag, dass zum einen die MSC-Fischerei aufgegeben hat und zum anderen schlicht keine Tiere mehr vorhanden sind. Der Dornhai gilt dort als fast ausgestorben und steht unter strengem Schutz in der EU. Sein Fang ist verboten! Trotzdem wird er importiert. Was mit den Dornhaien passiert, ist klar: Sie werden zu Schillerlocken verarbeitet! Aber was mit den Katzenhaien passiert? Keine Ahnung. Vielleicht landen sie im Buffet beim Mongolen, oder als Steaks bei „hippen“ Restaurants. Vielleicht sind sie auch einfach falsch deklariert und sind in Wirklichkeit Dornhaie. Fakt ist, dass wir zig Meldungen bekommen über Haie im Buffet beim Mongolen um die Ecke. Auch gehobene chinesischen Restaurants bieten immer öfter Haisteak an. Entwarnung kann ich bei der Haifischflossensuppe für drei Euro im Schnitt geben. Wir bekommen diese Meldungen immer wieder von treuen Mitstreitern. Wer das bestellt, kaut auf Hühnerknorpel rum. Guten Appetit!

8.    Was fordert Sharkproject?

Wir fordern die EU-Fischerei-Kommission und das EU-Parlament dazu auf, endlich zu reagieren. Die Fischfangpolitik muss sich drastisch in Europa, und im Übrigen auch weltweit, ändern. Wir müssen endlich begreifen, dass der Raubbau, den wir in unseren Meeren betreiben, so nicht weiter gehen kann. Kein Fischer, kein Fischereiunternehmen darf mehr EU-Subventionen erhalten, wenn es nicht eindeutig nachweisen kann, dass es wirklich nachhaltig im Sinne der Ozeane arbeitet. Wir müssen die lokale Fischerei unterstützen. Viele lokale Fischer werden regelrecht in die Illegalität getrieben, da ihnen die großen Fischtrawler die Fische vor der Nase weg fangen, das ist nicht nur in Afrika so, sondern auch ganz massiv in der EU und auch auf den Azoren. Sie sind zum Teil gezwungen in den Schutzgebieten zu fischen, da sie nicht mehr wissen wovon sie morgen leben sollen. Wir brauchen umfassende große Schutzgebiete, zum Beispiel die 200-Meilen-Zone um die Azoren, das wichtigste Rückzugsgebiet der Atlantischen Haie. Dies könnte auch ein Modell für Madeira, die Kanaren und die Kapverden sein. Die Langleinenfischerei muss massiv mit Quoten belegt werden und die EU-Flotten drastisch reduziert werden. Das wäre schon mal ein Kompromiss, trotzdem muss das Ziel sein, Longlining komplett in der EU und in allen EU-Gewässern zu verbannen. Der Crash wird so oder so kommen, wenn schlicht keine Haie mehr an die Haken der Trawler gehen. Wir haben es in der Hand, dem vorzubeugen und die Haipopulation zu erhalten. Dafür kämpfen wir!

9.    Was kann jeder tun, um diese Ausbeutung zu verhindern?

Der Verbraucher hat die Macht! Ganz einfach, keinen Hai, keinen Schwertfisch, keinen Thunfisch essen! Alle drei Arten sind nicht nur massiv mit Methylquecksilber verseucht, sondern auch hoch gefährdet und Ziel des Longling. Wer meint, dass Thunfisch nicht so schlimm ist, der irrt. Thunfisch ist genauso hoch mit Methylquecksilber belastet wie Hai und Schwertfisch. Das ist in höchstem Maße gesundheitsgefährdend, speziell für Kinder, Jugendliche und Schwangere. Dieses Schwermetall kennt keine Barrieren im Körper, verursacht irreparable Hirnschäden und hat eine Halbwertszeit von 25 bis 30 Jahren im Körper. Somit reichert es sich bei jedem Konsum an. Also Finger weg davon!
Sollte man Hai in der Theke sehen, egal ob als Schillerlocke beim Fachhandel oder beim Mongolen um die Ecke, sollte man den Händler oder Kellner ruhig drauf ansprechen. Ich selber kaufe oder esse dort nicht, wo so etwas angeboten wird, das versteht sich bei mir von selbst, aber das muss jeder Verbraucher selber entscheiden. Wir sollten uns immer bewusst sein, dass wenn kein Konsum besteht, auch kein Handel vorhanden ist, der Markt für diese Produkte somit zusammen bricht. Es liegt also in unserer Macht! Das gilt auch für deutsche Urlauber, die in Spanien Urlaub machen und feststellen, dass zum Beispiel „Biensabe Andaluz“ auf der Speisekarte steht. Früher wurde dieses Gericht mit Hundshai, heute mit Blauhai zubereitet.

Weitere Informationen unter www.sharkproject.org

Wie der MSC auf die Vorwürfe von Sharkproject reagiert, lesen Sie hier