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»Dem Himmelsgucker sind die Sterne schnuppe«

Sie gehören mit Sicherheit nicht zu den Schönlingen unter den »Barschverwandten«. Man kann dennoch nicht den Blick von ihnen abwenden. Wenn man sie erst einmal gefunden hat.

Werner Fiedler

TEXT: Werner Fielder

Die indonesische Lembeh Strait gilt bekanntlich schon tagsüber als Unterwasser-Geisterbahn. Doch bei Nacht wirken ihre Tauchgründe noch gespenstischer. Dazu passt, dass mir zu später Stunde aus dem dunklen Sand unverhofft eine dämonische Fratze entgegenstarrt. Ein Marmorierter Himmelsgucker! Die Begegnung könnte eine günstige Gelegenheit für eine ganze Bildserie sein.

Überhaupt Himmelsgucker! Welch seltsamer Name für einen Fisch. Und Sterngucker – die andere gebräuchliche Bezeichnung, übernommen vom englischen Stargazer – ist genauso kurios. Maßgeblich bei der Taufe des Sonderlings war allein seine Hauptblickrichtung. Denn die eingeschränkte Sicht über solchen Feinsediment-Habitaten gibt höchst selten den Blick auf‘s Firmament frei.

Um größere Beutetiere erfolgreich überrumpeln zu können, schießt der Himmelsgucker beim Zupacken rasant aus dem Sandversteck.

Doch dafür interessiert sich der Lauerjäger ohnehin nicht. Ihm genügt der Rundblick in die Umgebung, um potenzielle Beute frühzeitig zu entdecken. Nachts hilft dem Räuber dabei außerdem sein empfindliches Seitenlinienorgan, das ihm die Evolution auf den Rücken verlagert hat, damit er trotz der Sanddämmung noch feinste Druckwellen wahrnehmen kann.

Doch draußen zeigt er sich nur kurze Zeit in voller Größe.

Doch zurück zum unverhofft entdeckten Himmelsgucker, der beim Einbuddeln seinem klobigen Kopf eine Tarnmaske aus Feinsediment verpasst hat. Hervor schauen die kleinen Augen, die unscheinbaren Nasenlöcher und das breite Maul. Dessen Lippen sind von Hautfransen gesäumt, die wie martialische Zahnreihen anmuten, aber weich sind und beim Atmen das Eindringen von Sediment verhindern sollen.

Bald rüttelt sich der Jäger wieder tief ins Sediment und liegt erneut perfekt getarnt auf der Lauer.

Das unter dem Kopf verborgene Bauchflossenpaar hilft mit, die typische, leicht aufwärts gerichtete Lage des keulenförmigen Körpers zu stabilisieren. Auf diese Weise verbirgt sich der stoisch wartende Geselle exzellent vor eventuellen Fressfeinden und unvorsichtigen Beutetieren. Während ich warte, passiert lange nichts. Folglich bleibt viel Zeit, den (un)heimlichen Protagonisten in diversen Versionen zu fotografieren.

In Aktion

Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, tut sich etwas. Eine Krabbe kommt anmarschiert. Um potenzielle Beute anzulocken, hat der Himmelsgucker einen verblüffenden Köder-Trick in petto: Flüchtig betrachtet, scheint er die Zunge herauszustrecken. Doch tatsächlich quillt aus seinem Maul ein Bündel roter, sich windender Würmer, die tentakelähnliche Hautanhänge des Unterkiefers sind. Aber die Krabbe reagiert nicht darauf und geht ihres Weges.

Die sich nähernde Krabbe ignoriert den Köder.

Irgendwann später nähert sich ein kleiner Fisch, der nach einigen Manövern zufällig mitten auf der Tarnmaske landet. Besser geht es nicht. Der exakte Schärfepunkt ist gesetzt, doch den richtigen Moment zu erwischen, bleibt Glückssache. In der vagen Hoffnung auf einen Treffer löse ich mehrfach aufs Geratewohl aus – bis urplötzlich eine Sandwolke aufstiebt.

Der Himmelsgucker hat sich den Minihappen einverleibt. Leider ohne seinen Zugriff mit meinem Kamera-Auslöser zu synchronisieren. Während der turbulenten Aktion ging natürlich vorübergehend die Tarnung des Räubers verloren, so dass sich für kurze Zeit neue Fotochancen ergeben. Etliche Bilder zeigen das ganze Tier und gewöhnlich verborgene Details: die großen Brustflossen, die nach außen gewölbte Schwanzflossenkontur, die weichstrahlige hintere und die hartstrahlige vordere Rückenflosse.

das Leben der unvorsichtigen Grundel währt nur noch wenige Sekunden.

Letztere hat eine gewisse Abwehrfunktion, was noch mehr für die Dornen auf den Kiemendeckeln gilt. Beiden Defensivwaffen wurde früher sogar eine zusätzliche Giftwirkung zugeschrieben. Doch das hat sich nicht bestätigt. Um das Geschehen vor der Kamera direkt zu verfolgen, bleibt mir keine Zeit. Alles erlebe ich ausschließlich durch den Sucher. Denn schon gräbt sich der Himmelsgucker mit raschen Rüttelbewegungen wieder ein, dass die Sandkörnchen und Schwaden feinster Schwebeteilchen nur so wirbeln. Ein Blitzlichtgewitter begleitet auch diesen Epilog.

Fieser Trick: Bewegt der Himmelsgucker den Köder, gleicht er einer Ansammlung lebender Würmer.

INFOS:
Marmorierter Himmelsgucker
(Uranoscopus bicinctus)

Systematik
Teilklasse: Echte Knochenfische (Teleostei)
Unterdivision: Barschverwandte (Percomorphaceae)
Ordnung: Himmelsguckerartige (Uranoscopiformes)
Familie: Himmelsgucker (Uranoscopidae)

Merkmale
Alle etwa 50 Himmelsgucker-Arten haben einen ähnlichen Habitus, den auch der bis zirka 30 Zentimeter lange Marmorierte Himmelsgucker verkörpert. Sein wuchtiger, gepanzerter Kopf geht über in einen sich nach hinten zunehmend verjüngenden, seitlich abgeplatteten Körper. Das Maul ist steil aufwärts gerichtet. Die Augen sitzen hoch auf dem Kopf. Jeder Kiemendeckel trägt einen stabilen Dorn. Die hellbeige, zum Bauch hin weißliche Grundfärbung wird ergänzt durch braune Punkte und Flecken, die sich auf den Flanken zu zwei verwaschenen Bändern verdichten.

Verbreitung und Lebensraum
Die tropische Art kommt im Indopazifik ungefähr von der ostindischen Küste bis Ozeanien und von Japan bis Nordaustralien vor. Innerhalb dieses Areals besiedelt sie weiche Sedimentböden.

Lebensweise
Himmelsgucker graben sich gewöhnlich tief in den Sand ein, so dass nur noch die Augen und das Maul zu sehen sind. Sie praktizieren ausschließlich die Lauerjagd, oft unter Einsatz eines im Unterkiefer vorhandenen, ausstülpbaren Köders als Lockmittel. Erst wenn die Beute nah genug ist, wird sie durch blitzschnelles Saugschnappen gepackt und im Ganzen verschlungen. Über die Fortpflanzung der verborgen lebenden Einzelgänger ist wenig bekannt.