TEXT & FOTOS: Herbert Frei
Begegnet man in freier Wildbahn einem dieser urzeitlichen Lebewesen, glaubt man, einen Unsterblichen vor sich zu haben. Störe (Acipenseriformes) sind Knochenfische, deren Körper an der Oberseite mit Knochenplatten versehen ist. Bei einigen Störarten sind die Knochenschilder so scharfkantig, dass man sich verletzen kann. Störfischer tragen daher Handschuhe.
Die Tiere sind anadrome Wanderfische, die vorzugsweise im Meer leben und nur zum Ablaichen die Flüsse hochschwimmen. Nur wenige Arten, wie der ein Meter große Sterlet (Acipenser ruthenus), verbringen ihr ganzes Leben in Seen oder Flüssen. Da Störe überwiegend bodennah leben und im Meer große Tiefen von 400 bis 600 Metern bevorzugen, fehlen Unterwasserfotos aus diesem Lebensraum. Störbilder stammen in den aller meisten Fällen aus dem Süßwasser.
Im Süßwasser gibt es keine mächtigeren Fische als die Störe. Ein wahrer Riese ist der Hausen (Huso huso), der ein Längenmaß von angeblich bis zu acht Metern und ein Gewicht von mehr als zwei Tonnen erreichen konnte. Solche riesigen Exemplare sind allerdings seit langer Zeit nicht mehr gesichtet worden. Dennoch: mit diesen Gardemaßen muss er sich nicht mal neben einem Weißen Hai verstecken. Natürliche Feinde haben die kapitalen Störe nicht.
Im Meer machen selbst große Haie einen Bogen um die gepanzerten Riesen. Mit über 100 Jahren gehören sie zu den sehr langlebigen Fischen. Es wird angenommen, dass die erst mit 25 Jahren geschlechtsreifen Fische wie der Hausen und der Beluga 150 bis 200 Jahre alt werden können. Dafür produzieren sie in Abhängigkeit ihres Körpergewichts jährlich bis zu 42 Kilogramm Rogen und somit pro Laichvorgang mehr als 14 Millionen Eier.
Während sich die kleinen Störe von Schnecken, Muscheln, Krabben, Würmern, Wasserinsekten, kleinen Fischen und sogar von Pflanzen ernähren, machen die großen Exemplare Jagd auf alle Arten von größeren Fischen. Die hervorstehende Schnauze ist hart wie ein Kantholz und dient zur Verteidigung sowie zum Wühlen im Boden. Mit den Barteln an der Unterseite ertastet der Stör seine Nahrung.
Geografische Verbreitung und Gefährdungsstatus
Die größten verbliebenen Störpopulationen liegen auch heute noch im Kaspischen Meer, im Schwarzen Meer, im Fluss Amur nahe China, im Asowschen Meer und in den großen Seen Nordamerikas. In Europa sind die Bestände durch unkontrolliertes Abfischen so geschrumpft, dass die Wissenschaft verzweifelt versucht, den in der Natur ausgestorbenen Europäischen Stör (Acipenser sturio) nachzuzüchten. Von ihm gibt es in freier Wildbahn keine Unterwasser-Aufnahmen.
Die Wiederansiedelung in ihrem angestammten Lebensraum und der Schutz von Stören wird weltweit seit vielen Jahren vorangetrieben, um den Bestand an Wildstören zu erhöhen. Man differenziert in langnasige und kurznasige Exemplare. Für Laien ist die Bestimmung der diversen Arten extrem schwierig, denn Störe können sich untereinander paaren und bilden dann die »Bester« – fortpflanzungsunfähige Bastardformen.
Nur wirkliche Störexperten sind dann noch in der Lage zu sagen, wer hier mit wem zusammen war. Die Tiere sind Einzelgänger. Nur in der Laichzeit kommen sie in Gruppen zusammen. Bedroht in ihrem Bestand sind Störe durch die Vernichtung ihres Lebensraums (Barrierefreiheit in Flüssen) sowie die Sucht nach dem Stör-Rogen, dem weltweit beliebten Kaviar.
Man schätzt, dass jährlich fast acht Tonnen schwarz gewonnener Kaviar durch Stör-Wilderei in den Handel gelangt. Der WWF hat ermittelt, dass von den 27 bekannten Störarten 17 akut vom Aussterben bedroht sind. Die restlichen zehn Arten sind in freier Wildbahn so stark gefährdet, dass man annimmt, dass auch sie zukünftig nur in Aquarien und Zuchtanstalten überleben.
Der Bestand an Stören hat in den letzten 100 Jahren um über 70 Prozent abgenommen. Schuld daran ist der Mensch mit seiner Gier nach dem »schwarzen Gold«. Wenn man Stören den Rogen sanft entnimmt, kann man das etwa sechsmal machen. Dazu wird der Stör betäubt, aufgeschnitten und nach der Entnahme der Eier wieder zugenäht.
Stör-Wilderer machen das aber nicht. Sie töten den Stör, entnehmen den Rogen und werfen den Fisch zurück ins Wasser. Auf diese Weise werden ganze Stör-Populationen ausgelöscht.
Kaviar ist teuer, weil es ihn nicht in unbegrenzter Menge zu kaufen gibt. Beim Beluga-Kaviar liegt das Kilogramm bei weit über 5000 Euro. Der teuerste Stör-Rogen ist der Almas-Kaviar (Almas bedeutet auf Persisch »Diamant«) aus dem Iran. Gewonnen wird er aus über hundertjährigen Stören. Und verkauft wird er nur in Dosen aus 24-karätigem-Gold – das Kilo für über 32.000 Euro.
Tipps für die Störfotografie
Waren vor 30 Jahren Störaufnahmen aus den Binnengewässern Mitteleuropas noch echte Raritäten, so hat sich das Blatt inzwischen gewendet. Die mächtigen Knochenfische wurden und werden immer noch fleißig ausgesetzt. Der absichtliche Besatz erfolgt meist durch ansässige Tauchschulen, die im Stör einen Werbeträger sehen, was so falsch nicht ist.
In diesen Gewässern begegnet man den Stören oft hautnah, weil sie an Taucher gewöhnt sind. Sie werden dort mitunter auch gefüttert, was sie handzahm macht. Man kann sie sogar streicheln und in den Arm nehmen, was im Stör aber kaum Gefühle weckt, denn er ist ein Fisch!
Mit solchen Tieren sind auch Bilder mit Modell oder Tauchpartner möglich. Ganz einfach ist es trotzdem nicht, denn Störe machen in der Regel, was sie wollen. Manche Exemplare lassen einen trotz Fraternisierungsversuchen nicht näher als zwei Meter heran.
Hat man Glück, und es schwimmt einem ein zutrauliches Exemplar vor die Linse, kann man agieren. Auch kleine Störe sind meist bis zu 60 Zentimeter groß, sodass es ohne ein leichtes Weitwinkelobjektiv kaum geht.
Die wirklich großen Exemplare von über einem Meter bis annähernd zwei Metern verlangen nach einem Superweitwinkel-Objektiv oder einem Fisheye. Kompaktfotografen sind mit einem starken Weitwinkelkonverter gut bedient.
Blitzen ja oder nein? Meistens besser ja, denn auch die grauen bis grau-schwarzen Riesen vertragen immer etwas mehr Licht, als es die Umgebung liefern kann. Bei Gegenlichtaufnahmen, sofern nicht unbedingt eine Silhouette gewünscht ist, jedenfalls immer blitzen oder von unten mit einer starken LED-Leuchte aufhellen.