In diesem Artikel:
– Korallenschutz auf PomPom
– Methoden des künstlichen Riffaufbaus
– Was ist Dynamitfischen
– Die Meeresschutzorganisation TRACC vorgestellt
– Interview mit dem Geschäftsführer von TRACC zu den aktuellen Entwickungen
(Dieser Artikel erschien im Jahr 2020 – neuere Entwicklungen zu der Thematik finden sie in unserer aktuellen Sonder-Ausgabe Save the Ocean).
Der Tag beginnt früh auf der malaysischen Insel Pom Pom im Meer der Provinz Sabah. Es ist warm. Um die 30 Grad Celsius. Morgens ist die Luft frisch, im Laufe des Tages wird sie schwer. Der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee verheißt Frühstück.
Den Geruch stelle ich mir nur vor. Denn ich sitze vor meinem Bildschirm in Deutschland und schaue Robin Philippo zu, wie er gelegentlich an seinem Kaffee nippt, den weißen Sandstrand im Hintergrund und erzählt: »Als ich zum ersten Mal auf Pom Pom tauchen war, gab es keine Raubfische oder größeren Fische. Es war unfruchtbares Land, nur Tod und Verfall. Die Möglichkeit, es in ein funktionierendes Ökosystem mit allen Schichten bis hin zu den größten Raubfischen umzuwandeln, gibt mir sehr viel zurück,« beschreibt er seine Motivation hinter dem Projekt, dessen operativer Direktor er ist.
Den Niederländer habe ich während einer Reise in Indonesien kennengelernt. Er war frisch gebackener Divemaster. Wohin ihn sein Leben treiben sollte, wusste der junge Robin damals noch nicht. Dank Facebook hielten wir sporadischen Kontakt. Sein Engagement bei TRACC habe ich neugierig verfolgt. Denn TRACC ist eine echte Hands-On-Unternehmung – gelebter Meeresschutz vor Ort.
Das Riff um das Parade-Atoll Pom Pom Island ist vier Kilometer lang. Massives Befischen mit Sprengkörpern, das Dynamitfischen, hat enorme Schäden an der Unterwasserwelt hinterlassen. Der Meeresboden ist übersät mit Korallenschutt. Er bildet sich, wenn ein durch Dynamitfischen geschwächtes Riff von tropischen Wirbelstürmen getroffen wird. Losgelöste große Riffbrocken werden über den Grund geschoben und zermalmen alles auf ihrem Weg.
Das äußerst destruktive Dynamitfischen findet immer noch statt, obwohl diese Art zu fischen in Malaysia verboten ist. Die örtlichen Behörden tun viel um es zu unterbinden. Sie stoßen jedoch immer wieder an ihre Grenzen, da das Problem auf tiefer liegende, gesellschaftliche Schwierigkeiten zurückzuführen ist.
Die Gegend um Semporna in der Provinz Sabah besteht zu großen Teilen aus vielen kleinen Inseln und Atollen. Sie wird unter anderem von dem Seenomaden-Volk der Bajau bevölkert. Mit 14 Prozent bilden sie die zweitgrößte ethnische Gruppe in Sabah. Viele siedelten in den letzten 50 Jahren von dem unruhigen, südphilippinischen Sulu-Archipel nach Malaysia über.
Hier sind sie staatenlos und werden gesellschaftlich ausgegrenzt. Sie dürfen weder offiziell arbeiten, noch steht ihnen der Zugang zu Bildungseinrichtungen offen. Aus dieser Not heraus suchen sie nach billigen Methoden, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Die Konsequenzen ihres Handeln sind ihnen häufig nicht bewusst. Oder sie werden aus Mangel an Alternativen einfach verdrängt.
Daher ist eine wichtige Aufgabe von TRACC, die Bajau zu informieren, zu schulen und ihnen nachhaltigere Überlebensstrategien zu vermitteln. Mittel- bis langfristig soll der Tourismus, vor allem der Tauchtourismus zu einer verbesserten Lebensgrundlage der Bajau führen. TRACC selber beschäftigt in seinem Inselcamp auf Pom Pom einige Bajau-Mitarbeiter. Die Behörden tolerieren das.
Robin Philippo erklärt mir das derzeitige Vorgehen der Behörden so: »Es gab über viele Jahrzehnte einen enormen Zustrom von Fischbomben- und Sprengfischern, der zur Zerstörung von Pom Pom geführt hat. In den letzten Jahren haben die Behörden die Durchsetzung der Vorschriften verstärkt. Sie nehmen aufgrund der vermehrten Patrouillen und der Bemühungen von Tauchern regelmäßig Festnahmen vor.
Jeder, der eine Fischbombe hört, kann einen Hinweis geben auf die Geräusche: »leise, mittel, laut, extrem laut«. Zudem werden Zeit, Ort sowie Datum protokolliert. Die Behörden verwenden diese Daten, um zu patrouillieren und festzustellen, wo die Fischbombenanschläge stattfinden.
Zusätzlich gibt es jetzt mehrere Orte mit Sprengstoffdetektoren in den Gewässern um Semporna.« Es wird also seitens der Behörden einiges unternommen, um die Praktiken zu unterbinden. Wenn sie das Problem an der Wurzel anpacken möchten, muss die Situation der Bajau verbessert werden.
Der Riffaufbau um das kleine malaysische Eiland hat mit weiteren Schwierigkeiten zu kämpfen. Da der Meeresgrund um die Insel schnell schräg abfällt, rutscht der Korallenschutt stetig nach unten. Zwar halten junge Korallen, die darauf angesiedelt werden. Werden sie aber größer und schwerer, rutschen sie ab und haben kaum Überlebens-Chancen. Die Grundlage für künstliche Riffe sind Betonformen. Auf dem instabilen, abfallenden Korallenbruch halten diese jedoch nicht.
Daher haben die Wissenschaftler von TRACC nach neuen Methoden gesucht, Ankerpunkte für Korallen zu schaffen. Nach einigen Rückschlägen haben sie eine erfolgversprechende und kostengünstige Möglichkeit gefunden: das Stufen-Riff. Treppenförmig werden Strukturen geschaffen, auf denen angezüchtete Korallenfragmente platziert werden.
Die Stelzen bilden alte Glasflaschen. Diese Art der Riff-Restauration ist sehr erfolgreich, denn sie stabilisiert den Grund und bildet die Basis für weiteres Korallenwachstum am Hang, was wieder Fische anzieht.
Robin ist mittlerweile lange auf Pom Pom und sieht eine echte Veränderung: »Fünf Jahre und unzählige Stunden der Korallenvermehrung und Erhaltungsmaßnahmen später: Ich sehe Veränderung, die ich kaum fassen kann. Jäger vom oberen Ende der Nahrungskette kehren zurück, die Artenvielfalt nimmt zu, Schwarmfisch ist wieder da. Unsere Wissenschaftler sind alle erstaunt angesichts der Erholung. Und das alles dank der helfenden Hände vieler Freiwilliger.«
Die freiwilligen Helfer kommen von überall her. Jeder ist willkommen. Eine besondere Qualifikation ist nicht notwenig. Tauchen oder zum mindestens den Wunsch, es zu lernen, sollte man mitbringen. Zwei Tauchlehrer auf der Insel bieten sehr günstig Kurse an, ab 220 Euro kann man Tauchen lernen. Die Motivation aller ist die gleiche: Ozeane schützen und bewahren. Das bringt die Menschen auf der gut zwei Kilometer langen Insel zusammen und entfacht Enthusiasmus.
Die Energie im Camp ist eine besondere. Was wichtig ist, denn bei TRACC gibt es viel zu tun. Es ist kein Ferienresort. Hier wird nicht nur Riff-Aufforstung betrieben, sondern auch aktiver Schutz für Meeresschildkröten. Auf der Insel befinden sich Nester der Reptilien. Hier wird gezählt und bewacht, denn immer wieder werden Eier ausgegraben und gestohlen. Ältere Tiere werden markiert.
Auf die Frage, was Robins Lieblingstauchplatz auf Pom Pom ist, sagt er: »North tip, die Nordspitze. Dort kann es zu starken Strömungen kommen, vor allem an der Steilwand. Und dort wird man immer wieder von Adlerrochen, Napoleon-Lippfischen, Buckelkopf-Papageifisch-Schwärmen und Fischmassen überrascht. Zudem gibt‘s mehr Schildkröten auf einem Haufen, als ich je gesehen habe.«
Die Tauchbedingungen auf Pom Pom sind tropentypisch: 27 bis 30 Grad Wassertemperatur, Sichtweiten zwischen zehn und 20 Meter.
Die weltweite Corona-Pandemie hat die Organisation vor neue Herausforderungen gestellt. Da Malaysia seine Grenzen geschlossen hatte, kamen keine neuen freiwilligen Helfer von Übersee nach. Die Hauptfinanzierungsquelle drohte zu versiegen.
»80 Prozent unserer Helfer kommen aus dem Ausland. Sie finanzieren uns. Wir hatten keinerlei Einkommen und hofften, dass sich die Situation so schnell wie möglich normalisierte,« erklärte mir Robin via Facebook. Denn es gäbe, so der damals 29-jährige Niederländer, neben der finanziellen Unsicherheit eine Menge Arbeit am Riff, die jetzt nicht gemacht werden kann.
Er gießt sich einen Kaffee ein, wir sprechen weiter über seine Arbeit und wie wichtig es ihm ist, Menschen mit seinem Handeln zu inspirieren und zu motivieren. Wir beenden das Gespräch. Es wird Zeit für ihn zu tauchen und seiner Leidenschaft nachzugehen: neues Leben am Riff zu schaffen.
Wie entsteht ein neues Riff?
Vier Methoden zur Riff-Restauration:
1) Korallen-Kekse:
Beschädigte Korallenfragmente, die auf dem Schutt liegen, haben ein hohes Sterblichkeitsrisiko. Die Bergung dieser Korallen und ihre Befestigung auf einer Betonunterlage, die Korallenkeks genannt wird, bietet eine höhere Chance auf Heilung. Die Korallen werden in nassen Beton eingesetzt und unter Wasser ausgehärtet. Nach einem Jahr in der »Korallenbaumschule« werden gesunde Korallenkekse in vielen künstlichen Riffprojekten verwendet.
2) Module künstlicher Riffkämme
(Artificial Reef Crest – ARC-Module):
Ein destabilisierter Riffkamm führt häufig zu einem Unterwasser-Landrutsch, wodurch loser Korallenschutt in tiefere Riffe gleitet. Hier ist ein Eingreifen erforderlich, um die Basis für die Stabilität des Schutts und die anschließende Erholung der Riffe zu schaffen. ARC-Module werden zum Preis eines Starbucks-Kaffees hergestellt. Die Betonmischungen bestehen aus Korallenschutt, Sand, der am Strand gesammelt wird, sowie Granitgestein. Zement wird verwendet, um Schutt und Gestein zu »verkleben«. Diese Einheiten sind Stützen des Riffkamms und bieten gleichzeitig eine Riffkomplexität, um einzigartige Meeresnischen aus der umgebenden Biodiversität zu unterhalten. Korallenkekse werden als billige und einfache Methode zur direkten Korallenwiederherstellung platziert.
3) Stufen-Riff-Module:
Stufen-Riff-Module werden auf dem beschädigten Riffhang installiert, um eine stabile Basis für Fische und Wirbellose im Meer zu schaffen. Außerdem werden auf der Oberfläche Korallenkekse gepflanzt, um die Korallenbedeckung direkt zu erhöhen. Diese Einheiten werden mit der gleichen Mischung wie die ARC-Module hergestellt und verwenden ausrangierte Glasflaschen. Sechs Glasflaschen pro Einheit bilden die Beine der »Stufe«, so dass sie horizontal auf einem 90-Grad-Hang sitzen kann. Mit der Zeit nimmt die marine Vielfalt wieder zu, insbesondere aufgrund der hohen strukturellen Komplexität der Riff-Module.
4) Bepflanzung mit Korallen:
Es gibt viele Techniken, die von TRACC bei der Korallenanpflanzung eingesetzt werden. Eine ist die Korallenbepflanzung mit aquarientauglichem Epoxidharz. Es wird verwendet, um gesunde Fragmente aus einer Korallenvermehrungszucht auf künstlichen Riffeinheiten anzupflanzen. Korallen aus einer einzigen Kolonie werden in mehrere Teile zerlegt. Wenn sie nahe beieinander gepflanzt werden, verschmelzen sie miteinander. Diese Technik ist als Korallen-Mikrofragmentierung bekannt. Der direkte Punkt, an dem das Korallenfragment gepflanzt wird, befindet sich zwischen benachbarten Einheiten künstlicher Riffe, die somit zusammenwachsen. Die Hartkorallen verkrusten dann den Schutt, auf den sie gepflanzt werden.
Dynamitfischen
Der Begriff »Dynamitfischen« ist etwas irreführend. Man denkt dabei an eine Stange Dynamit mit Zündschnur. Ein grimmig dreinschauender Gesellen zündet sie an, mit einer Zigarette und wirft sie dann ins Wasser – und BOOM – eine Fontäne schießt in die Luft. »Echtes« Dynamit ist allerdings viel zu teuer.
Die englischen Begriffe »fish bombing« oder »blast fishing« treffen es schon eher. Bei den Sprengsätzen handelt es sich meist um improvisierte Ladungen, die verheerende Wirkung zeigen. Glasflaschen werden mit Düngemittel wie Ammonium-Nitrat gefüllt und zur Explosion gebracht. Die Druckwelle breitet sich im Wasser radikal aus. Da Wasser nicht komprimiert werden kann, sind die Folgen dieser Druckwelle verheerend.
Fische werden direkt getötet, betäubt oder schwimmunfähig, da ihre Schwimmblasen platzen. Damit möglichst viel Fisch getroffen wird, werden die Tiere vorher angefüttert. Die Methode gilt als höchst ineffizient, da gerade einmal zehn Prozent der getöteten Tiere Speisefische sind. Ausserdem nimmt das gesamte Ökosystem dauerhaft Schaden. Viele Fische sinken einfach ab. Die Verlustraten sind sehr hoch.
Größtenteils können sich Korallen nach intensiver Bebombung nicht mehr selbst regenerieren. Aus Sicht der Fischer ist es eine schnelle und billige Fangmethode. In den meisten Ländern ist diese Fischerei-Methode verboten. Leider fehlen vielerorts die Mittel, das Verbot durchzusetzten. Auch sind es häufig soziale und gesellschaftliche Probleme, die Menschen zu dieser Art des Fischens treiben.
TRACC – Tropical Research And Conservation Center
»Saving the ocean, one coral, one turtle and one shark at a time.«
TRACC-Motto
Die Meeresschutzorganisation wurde 2011 auf der malaysischen Insel Pom Pom gegründet. Sie ist eine unabhängige gemeinnützige Organisation (NGO), die sich ausschließlich durch Spendengelder und Gelder ihrer freiwilligen Helfer finanziert. Sie bezieht keinerlei öffentliche Mittel. TRACC wurde 2011 eingeladen, das Riff auf Pom Pom zu begutachten. Die Untersuchung ergab: Die Schäden am Riff waren zu groß, um eine natürliche Erholung zu ermöglichen.
Menschliches Eingreifen wurde notwendig, um die steilen Meeresabhänge rund um das Atoll in der Celebessee zu stabilisieren und das Gebiet mit gesunden Korallen zu besäen.
Freiwillige HelferInnen sollten mindestens zwei Wochen dort bleiben. Zehn bis 30 Freiwillige sind auf der Insel. Ein zweiwöchiger Aufenthalt kostet 1300 Euro. Wer während der maximalen Zeit von drei Monaten auf der Insel Pom Pom mithelfen möchte, bezahlt 4250 Euro.
Für Tauchlehrer, Divemaster oder ausgebildete Meeresbiologen werden Sonderkonditionen angeboten. Angehende Meeresbiologen können auf Pom Pom Felderfahrung sammeln und den Wissensnachweis auf A-Level-Niveau der Universität Cambridge erwerben.
tracc.org
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Interview mit Robin, Geschäftsführer von TRACC (Stand Oktober 2024)
TAUCHEN: Wie alt bist du?
Robin: 33 Jahre alt.
T: Wie lange bist du schon auf Pom Pom Island und bei TRACC aktiv?
R: Ich bin seit 2015 auf Pom Pom und seit 2017 aktiv bei TRACC dabei.
T: Wie war dein Werdegang innerhalb der Schutzorganisation? Welche Rolle hast du heute bei TRACC?
R: Ich habe als »Plus-One« begonnen, als Partner einer der Managerinnen der Organisation. Durch sie entwickelte sich meine Leidenschaft für den Umweltschutz. Dank meines Hintergrunds im Management wurde ich schließlich in den operativen Bereich eingebunden und übernahm die Rolle des operativen Direktors. Heute bin ich Geschäftsführer und kümmere mich um alle Belange des Unternehmens.
T: Wie sieht ein typischer Tag auf Pom Pom Island für dich aus?
R: Meistens starte ich den Tag mit einem Workout, einer Schwimmrunde oder einem Tauchgang. Dann gehe ich ins Büro und organisiere das Tagesgeschäft. Ein Tauchgang zwischendurch dient als Pause von der Bildschirmarbeit, die sonst fast den ganzen Tag ausfüllt. Den Abend beschließe ich oft mit einer weiteren Schwimmrunde oder einem Training. Manchmal genieße ich zum Sonnenuntergang ein kühles Getränk, bevor wir uns zur täglichen Personalbesprechung treffen. In letzter Zeit habe ich häufiger Nachttauchgänge gemacht, die ich absolut liebe.
T: Was ist deine persönliche Motivation, dieses Projekt voranzutreiben?R: Ich liebe dieses Projekt und die Menschen, die daran beteiligt sind – alle haben den Wunsch, etwas zurückzugeben. Unsere Organisation soll wachsen und die Insel Pom Pom wieder zu dem machen, was sie einmal war. Nachdem ich so viel Tod und Verfall am Riff gesehen habe, ist meine Motivation, das Riff wiederherzustellen und kommenden Generationen die Bedeutung der Riffe näherzubringen. Außerdem bilden wir verantwortungsbewusste Taucher aus, die sich weltweit für den Schutz des Ozeans einsetzen können.
Das neue Riffprojekt
T: Warum braucht es einen neuen Ansatz zur Riffsanierung? Was ist besonders an eurem Ansatz und was erwartest du davon?
R: Die Wiederherstellung von Riffen in Hanglage war bislang erfolglos. Unser Ziel ist es, eine Lösung für durch Sprengstofffischerei zerstörte Riffe zu finden – nicht nur auf Pom Pom, sondern auch in anderen betroffenen Gebieten in Südostasien, Afrika und Südamerika. Ich erwarte, dass wir ein stabiles Substrat auf schrägen Riffen schaffen können, das nicht abrutscht und den Korallenlarven einen stabilen Ort zur Ansiedlung bietet. So könnten wir das Mikro-Ökosystem regenerieren und zur ökologischen Verbesserung von Pom Pom beitragen.
T: Wer ist an dem Projekt beteiligt?
R: Aktuell sind TRACC und das Reef Design Lab (RDL) unter der Leitung von Alex Goad beteiligt, der das Riff entworfen hat. Alex besitzt das Patent, und wir arbeiten eng zusammen, um diese Technologie weiterzuentwickeln und zu verbreiten. Das Team von RDL und TRACC unterstützt uns dabei.
T: Wann habt ihr begonnen, an dem neuen Ansatz zu arbeiten?
R: Unsere Organisation hat in den letzten Jahren nach Lösungen für steile Riffabbrüche gesucht. Ende 2022 kam ich zufällig mit Alex in Kontakt, der gerade am Projekt MARS 1 auf den Malediven arbeitete, dem damals größten künstlichen Riff. Es stellte sich heraus, dass er nur zehn Minuten von meinem Wohnort in Melbourne entfernt wohnt. Ein kurzer Austausch entwickelte sich zu einem stundenlangen Gespräch über die Riffproblematik auf Pom Pom und die Arbeit von TRACC und RDL. Aus diesem Austausch entstand das Modell, das jetzt vielversprechend für die Sanierung schräger Riffe aussieht.
T: Worin unterscheidet sich euer neuer Ansatz?
R: TRACC wollte eine Lösung, die direkt auf der Insel genutzt werden kann, ohne einen 3D-Drucker und ohne dassschwere Maschinen erforderlich sind. RDL hat, basierend auf den Erfahrungen vieler internationaler Kooperationen, einenProzess entwickelt der die Probleme löst. Gussformen werden im 3D-Druckverfahren
angefertigt und anschliessend mit einer Zementmischung gefüllt. Diese
Vorgehensweise ermöglicht eine Produktion und Montage direkt vor Ort. Damit verringert sie die Komplexität der Herstellung. Das ist fantastisch und beseitigt viele Hürden für Inselgemeinden und Projekte mit geringer Finanzierung. Es wäre die Lösung eines globalen Problems.
T: Wie schwer sind die künstlichen Riffblöcke?
R: Die großen Einheiten wiegen 26 kg und die kleinen 5 kg. Die Anlage, die wir bereits installiert haben, wiegt insgesamt fast 500 kg.
T: Wie stellt ihr sicher, dass die Blöcke nicht die steilen Hänge hinunterrutschen?
R: Die Strukturen werden auf einer Neigung von 25 Grad in etwa 10 Metern Tiefe verankert, und das Gewicht in Kombination mit 16 Ankerpunkten sollte sicherstellen, dass sie stabil bleiben. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend, aber wir sind noch in der Testphase.
T: Über welchen Zeitraum laufen diese Untersuchungen?
R: Zunächst planen wir, die Riffe im ersten Jahr zu etablieren, und dann weitere drei bis fünf Jahre Forschungsarbeit. Das Ziel ist der wissenschaftliche Nachweis, dass dieser Ansatz auch für zerstörte Riffe in Hanglagen weltweit anwendbar ist.
T: Wie werden neue Korallen die Strukturen besiedeln? Werden sie gepflanzt oder hofft ihr auf natürliche Ansiedlung?
R: Ziel ist es, die Strukturen so zu gestalten, dass Korallen sich von selbst ansiedeln können, jedoch werden wir eventuell auch Bepflanzungen vornehmen, um das Wachstum zu unterstützen.
T: Wie werden die Fortschritte und der Erfolg des Projekts überwacht?
R: Wir planen, drei verschiedene Strukturen an vier Standorten auf der Insel zu installieren und monatliche Untersuchungen durchzuführen. Dabei prüfen wir, ob die Strukturen stabil bleiben und analysieren Fischreichtum, Artenvielfalt, Ansiedlung von Korallen und die Entwicklung des biologischen Bewuchses. Ein Erfolg wäre es, wenn die Strukturen auch auf schrägen Flächen halten und die Korallenlarven eine stabile Grundlage zur Besiedlung finden.
T: Was sind Eure nächsten Schritte?
R: Nun kommt der Forschungsteil. TRACC wird mit seinen Wissenschaftlern, seinem Tauchteam und nationalen und internationalen Freiwilligen ein Forschungsprojekt durchführen, um diese künstlichen Strukturen speziell auf geneigten Riffen zu testen. So erhalten die Korallen die Möglichkeit, sich anzusiedeln, und die Riffe können sich schneller erholen. Das MARS II-Projekt von RDL wird an vier verschiedenen Standorten vor Pom Pom durchgeführt: im Norden, Osten, Süden und Westen. An jedem Standort werden drei Installationen mit je 16 Modulen und zusätzlich 13 kleinen »Platten« zur Vervollständigung des Designs angebracht. Insgesamt werden 192 Module und 156 Platten installiert. In den kommenden drei bis fünf Jahren werden TRACC und RDL nicht nur beobachten, wie sich diese Installationen auf einem abfallenden Riff halten, sondern gleichzeitig die Ergebnisse meereswissenschaftlich untersuchen, die wir mit drei verschiedenen Methoden erzielen könnten.
T: Was sind die größten Herausforderungen für das Projekt, und wie geht ihr damit um?
R: Die größte Herausforderung sind derzeit die finanziellen Mittel. Da wir ein Projekt sind, das auf Freiwilligenarbeit basiert, sind die Mittel immer knapp. Mit ausreichender Finanzierung könnten wir die Intensität und Effizienz des Projekts steigern und Ergebnisse schneller erzielen.
T: Ist dieser Ansatz nur für steile Hänge geeignet, oder könnte er auch auf flachen Riffstrukturen funktionieren?
R: Wir werden Tests an Hängen mit einer Neigung von 15 bis 50 Grad durchführen, aber theoretisch sollte dieser Ansatz auch auf flachen Riffen funktionieren. Reef Design Lab konzentriert sich darauf, wie die Technologie auch bei flachen Strukturen angewendet werden könnte.
Die Organisation TRACC Borneo
T: Wie hat sich TRACC Borneo in den letzten vier Jahren entwickelt?
R: Unsere Organisation hat erhebliche Fortschritte erzielt. Wir konnten viele Erfolge verzeichnen und auch Rückschläge meistern. Besonders stolz sind wir darauf, verantwortungsbewusste Taucher auszubilden, die unsere Vision teilen.
T: Mit wem arbeitet TRACC zusammen und was ist eure Vision?
R: Wir kooperieren mit verschiedenen Organisationen und Experten weltweit. Unsere Vision ist es, nachhaltige Lösungen für den Schutz von Riffen zu finden und das Bewusstsein für den Erhalt mariner Ökosysteme zu fördern.
T: In einem unserer letzten Artikel wurde die Problematik des Dynamitfischens bei den Bajau erwähnt. Haben sich ihre Praktiken verändert?
R: Wir haben einige Fortschritte gesehen, aber es ist ein langsamer Prozess. Wir arbeiten weiterhin daran, alternative Methoden zu fördern und die Bajau für den Schutz der Riffe zu sensibilisieren.
(Interview: Benjamin Schulze)