TEXT – Bernd Klinger
Wir waren schon eine Woche auf der wunderschönen Insel Bali und völlig fasziniert von den Tauchspots direkt vor dem Hotel. Und so tauchten wir pro Tag mindestens dreimal am Hausriff. Die Maximaltiefe hier waren 20 Meter. Die Durchschnittstiefe betrug 14 Meter, sagten uns unsere Tauchcomputer. Geringe Tiefe, viel zu sehen und noch mehr zum Fotografieren – da dauerte ein Tauchgang schon mal 90 Minuten und ab und an auch etwas länger.
Am Tag unserer Weiterfahrt ins nächste Resort wollten wir uns vorher noch einen entspannten Tauchgang gönnen. Ein letzter Blick auf die wunderschönen künstlichen Riffgebilde, die alle in maximal 15 Meter Wassertiefe standen. Nach etwa 60 Minuten tauchten wir nochmals Richtung Hausriff-Außenkante, um zu schauen, ob wir vielleicht die ein oder andere Schildkröte noch beim Fressen auf der vorgelagerten Seegraswiese erwischen würden.
Leider war das nicht der Fall. Daher machten wir noch einen kleinen Zwischenstopp in 18 Metern Tiefe, um den kleinen Weißspitzen-Riffhai zu finden. Ein toller letzter Abschiedsgruß! Er war da und ließ sich in Ruhe fotografieren. Nach 92 Minuten stiegen wir wieder aus dem Wasser. Jetzt war Eile angesagt, denn das Taxi kam in 30 Minuten. Zum Glück waren wir schon überall ausgecheckt.
Mit einem kühlen Dekobier in der Hand saßen wir kurze Zeit später im Taxi. Die Fahrt sollte etwa 2,5 Stunden dauern. Und weil die Standardroute an der Küstenstraße eher langweilig war, entschieden wir uns, den Weg durchs Hinterland zu nehmen. Daher fuhren wir Richtung Dschungel. Es wurde immer grüner und kühler. Und die Straße von Kurve zu Kurve immer steiler.
In dem einen Moment konnten wir die Wolken noch sehen, kurze Zeit später waren wir in den Wolken mittendrin. Und eine halbe Stunde später sogar über den Wolken. Die Landschaft war wunderschön: grüne Steilhänge, Täler mit Reisfeldern und die Aussicht auf ferne Vulkane. Als ein leichter Kopfschmerz einsetzte, dachte ich mir noch nichts dabei.
Das Bier war leer, vielleicht lag es daran. Ein Schluck Wasser würde sicher helfen. Die Fahrt über den Wolken dauerte mittlerweile schon eine Stunde. Die Kopfschmerzen wurden immer schlimmer. Plötzlich begann die Bauchdecke oberhalb meines Bauchnabels zu jucken. Als ich der Sache auf den Grund ging, sah ich eine handtellerbreite Rötung.
Genau diese Stelle juckte mehr und mehr. Die Fahrt führte nun wieder ins Tal. Zum Jucken und den Kopfschmerzen kamen nun noch Bauchkrämpfe. Nach drei Stunden Fahrt im Hotel angekommen, bekam ich heftigen Durchfall. Die Kopfschmerzen konnten durch zwei Paracetamol gelindert werden, doch der rote Fleck auf dem Bauch blieb.
Den restlichen Abend und den halben nächsten Tag verbrachte ich damit, Wasser zu trinken, Tabletten zu nehmen und die Nähe zur Toilette zu suchen. Kein Tauchen, wie es eigentlich geplant war. Nach insgesamt zweieinhalb Tagen war wieder alles gut. Der Urlaub und das Tauchen konnten weitergehen.
Was war passiert? Unsere Hausriff-Tauchgänge hatten wir mit Luft durchgeführt und wegen der geringen Tiefe nicht daran gedacht, dass das nicht mit unserer geänderten Routenführung durch die Berge zusammenpassen könnte. Im Nachhinein stellten wir fest, dass die Taxi-Tour auf 1600 Meter Höhe führte.
Nimmt man alle Anzeichen zusammen, stimmen viele davon mit den typischen Zeichen einer leichten Dekompressionserkrankung überein. Auch das Team der Tauchbasis meinte, dass das sehr wahrscheinlich ist. Daran hatten wir nicht gedacht.
Anmerkung der Redaktion: Bei diesem Fall wäre es sinnvoll gewesen, frühzeitig, also bei Eintreten der ersten offensichtlichen Symptome (Jucken, Hautreizungen) eine der einschlägigen tauchnotärztlichen Hotlines (Aquamed, DAN, VDST) anzurufen und das weitere Vorgehen zu besprechen, denn genau für solche Fälle gibt es Tauchsportversicherungen und deren telefonische Beratung.
Das sagt der Experte
Prof. Dr. Claus-Martin Muth, Facharzt für Anästesiologie und Notfallmedizin
Es handelt sich hier tatsächlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um einen Deko-Unfall, der ursächlich durch die sehr früh nach dem Tauchen begonnene Autofahrt in die Höhe ausgelöst wurde.
Nach dem Tauchen ist der Körper nahezu nie vollständig entsättigt, sondern es ist noch ein erhöhter Anteil Reststickstoff vorhanden, der sich bei einer weiteren Druckreduktion wie eben beim Fliegen oder bei Passfahrten rasch entsättigen, Gasblasen bilden und Symptome verursachen kann.
Autofahrten sind im Vergleich zur Flugreise aber weniger kritisch, weil die Druckabnahme langsamer erfolgt. Allerdings ist es auch hierbei insbesondere nach dekopflichtigen Tauchgängen oder nach Tauchgängen mit langer Aufsättigung der langsameren Gewebe wie im vorliegenden Fall und sehr kurzer Pause vor der Autofahrt schon häufiger zu teils auch schweren, neurologischen Dekompressionsunfällen gekommen.
Im Zweifel ist es daher besser, ein paar Stunden mit der Autofahrt in die Höhe zu warten, oder, wenn möglich, erst noch eine Nacht vor Ort zu schlafen und am nächsten Tag dann »entgast« und ausgeruht zu starten.
IST DIR AUCH EIN TAUCHUNFALL PASSIERT? SCHREIB IHN UNS AN [email protected]