Aus Fehlern lernen

Die Retter in der Not – was Notfallhotlines leisten

Die Kanaren – ganzjähriges Tauchreiseziel, dessen bergige Landschaften besonders reizvoll sind. Berge und Tauchen bringen jedoch auch Probleme mit sich. Leichte Dekompressionsunfälle (DCS) wegen der Höhendifferenz zwischen der Tauchbasis und der Unterkunft kommen immer wieder vor. Ein Fall aus den Akten der Medical Helpline Worldwide (MHW).

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TEXT – Medical Helpline Worldwide

Uwe meldete sich auf den Kanaren über die 24/7-Notfallnummer bei dem diensthabenden Taucharzt der MHW. Uwe war schon seit ein paar Tagen vor Ort und litt nach seinem letzten Tauchgang unter Tauchflöhen, ungewöhnlich starker Müdigkeit sowie Hauterscheinungen, wie sie bei Tauchunfällen häufig vorkommen (Cutis Marmorata).

Im Gespräch konnte der Taucharzt durch systematisches Erfragen schnell herausfinden, was passiert war. Da Uwe in den letzten Tagen mehrere Tauchgänge gemacht hatte, war sein Körper stark mit Stickstoff aufgesättigt. Uwe wollte nach seinem letzten Tauchgang zeitig zurück zur Unterkunft, die auf 960 Meter Höhe lag.

Daher machte er sich 30 Minuten nach dem Tauchgang auf den Rückweg. Doch diese Zeit war nicht ausreichend, um den Stickstoff ausreichend loszuwerden. Die Aufsättigung und der zusätzliche Druckunterschied, der mit einer Höhendifferenz von 960 Metern einherging, führten dann bei Uwe zu der Symptomatik, die als »DCS Typ I« bezeichnet wird.

Der MHW-Taucharzt empfahl Uwe, sofort zur Tauchbasis auf Meereshöhe zurückzukehren und dort 100-prozentigen Sauerstoff zu atmen. Hierbei ist darauf zu achten, dass zusätzlich mindestens doppelt so lange Sauerstoff verabreicht wird, wie die Symptome anhalten. Wenn die Tauchflöhe nach zehn Minuten verschwunden sind, sollte insgesamt für mindestens 30 Minuten Sauerstoff verabreicht werden, da es sonst zu einem Wiederauftreten der Beschwerden kommen kann.

Langjährige Erfahrungswerte der MHW zeigen, dass diese Therapie bei einer leichten Symptomatik angewendet werden kann, sofern keine Druckkammer in der Umgebung verfügbar ist. Druckkammern sind leider nicht überall, wo getaucht wird, verfügbar oder einsatzbereit, und die Gabe von reinem Sauerstoff für längere Zeit kann bei einer leichten Dekompressionserkrankung sehr gut helfen.

Auch in Uwes Fall gingen die Symptome unter Sauerstoffgabe zurück. Der MHW-Taucharzt hielt zudem regelmäßig Kontakt zu Uwe, bis er sicher sein konnte, dass er vollkommen beschwerdefrei war. Im Hintergrund wurden dennoch Vorbereitungen getroffen, falls sich Uwes Zustand verschlechtern sollte und eine Druckkammerbehandlung nötig sein sollte.

In diesem Fall wäre dann eine direkte Therapieänderung in die Wege geleitet worden. Durch den schnellen Kontakt zur MHW und die engmaschige Betreuung konnte via Telemedizin die Behandlung erfolgreich durchgeführt werden. Uwe hatte zu jeder Zeit einen ärztlichen Ansprechpartner und konnte nach einer Tauchpause die Unterwasserwelt wieder genießen.

Leider laufen nicht alle Notfälle, die bei der MHW eingehen, so komplikationslos wie bei Uwe ab. Doch auch bei schwerwiegenderen Fällen steht die MHW den Kundinnen und Kunden immer zur Seite, vermittelt eine geeignete Behandlung vor Ort und koordiniert in Absprache mit den lokalen Ärzten die weitere Therapie.

Wenn eine ausreichende Behandlung vor Ort nicht gegeben ist, wird von den Assistance-Fachkräften der MHW auch die Rückholung ins Heimatland organisiert. Hier ist das Prozedere immer vom individuellen Einzelfall abhängig und wird in enger Absprache mit dem Patienten, den lokalen Ärzten und den MHW-Ärzten entschieden. Grundsätzlich muss eine medizinische Transportfähigkeit gegeben sein. Die Art des Rücktransports ist dann abhängig von der Schwere der Erkrankung oder Verletzung. 

Mehr Infos: aqua-med.eu

Grundlagenwissen

Bekannt ist, dass der Druck pro Meter Wassertiefe um 0,1 bar steigt. In zehn Meter Tiefe ergibt das 1 bar Wasserdruck. Allerdings beträgt der Gesamtdruck 2 bar, da die gesamte Atmosphäre (also die Luft über unserem Kopf) auf Meereshöhe ebenfalls 1 bar Druck auf uns ausübt.

Je höher wir aufsteigen, umso niedriger wird der Umgebungsdruck, bis wir bei etwa 5400 Metern eine Halbierung des Luftdrucks auf 0,5 bar erfahren. Wenn wir also in einer Unterkunft auf 1000 Meter Seehöhe übernachten, beträgt der Druck dort 0,9 bar, da dieser in der Luft pro 1000 Meter Höhenunterschied um 0,1 bar abnimmt.

Ob 1 bar am Meer oder 0,9 bar in der Unterkunft, scheint im ersten Moment vernachlässigbar zu sein – im Vergleich zu den hohen Druckverhältnissen, die beim Tauchen herrschen. Dies ist allerdings nicht der Fall. Immerhin ist der Luftdruck auf 1000 Meter Seehöhe 10 Prozent niedriger als auf Meereshöhe.

Wenn man sich länger auf Meeresniveau aufhält, ist zudem davon auszugehen, dass alle Gewebe vollständig bzw. annähernd vollständig mit Stickstoff aufgesättigt sind. Ein problemloser Schnellaufstieg (ohne vorherigen Tauchgang) ist ohne Anpassung nur bis zur Hälfte des Ausgangsdrucks möglich.

In der Tauchmedizin sind die relativen Druckunterschiede wichtiger als der absolute Druck. So kann der Körper eine Abnahme um die Hälfte des Ausgangsdrucks tolerieren, ohne Dekompressionssymptome zu entwickeln.

Der absolute Druck ist dabei unerheblich. Aus 1000 Meter Tiefe könnte man theoretisch schnell auf 500 Meter auftauchen, ohne Symptome zu entwickeln. Gleiches gilt aber auch bei 1 bar Umgebungsdruck. Symptomfrei ist ein Schnellaufstieg eines gesättigten Gewebes hier nur bis zirka 0,5 bar möglich.

Gesamt gesehen sind also die 10 Prozent Druckunterschied zwischen Meereshöhe und Unterkunft auf 1000 Metern nicht unerheblich und können bei einer hohen Stickstoffsättigung schnell zu einem Problem werden.

UNFALL PASSIERT?

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