Aus Fehlern lernen Wissen

Eiskalt erwischt

Im Sommer hochaktuell: Gerade noch mal gut gegangen ist der Kaltwasser-Tauchgang unserer Leserin, die mit zu dünnem Anzug in der Tiefe war.

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Eine halbwegs erfahrene Taucherin (Master Diver mit 300+ geloggten Tauchgängen) sollte in der Lage sein, Gefahren zu erkennen und eigenes Fehlverhalten zu vermeiden. Leider nicht immer! Als bekennende Warmwasser-Taucherin bevorzuge ich tropische Gewässer. Nur auf Vereinsfahrten tauche ich gelegentlich in heimischen Seen und Steinbrüchen. Die Corona-Pandemie hat uns allen Zugeständnisse abverlangt. Daher bin ich in den letzten beiden Jahren doch öfter mal im Kaltwasser gelandet.

Der Tauchgang

Im vergangenen Sommer habe ich mit einigen Freunden einen lokalen Steinbruch zum Tauchen besucht. Es war seit längerem warm, und ich hielt meinen alten Fünf-Millimeter-Nassanzug für ausreichend (Fehler 1). Sollte mir kalt werden, könnte ich ja jederzeit auftauchen. Auf der dortigen Basis angekommen, hätte mich sofort stutzig machen müssen, dass ausschließlich Trockis hingen. Mein Buddy (übrigens auch im Trocki) und ich hatten uns vorgenommen, bis 25 Meter Tiefe zu tauchen (Fehler 2).

Unterhalb der Sprungschicht wurde mir dann schnell kalt. Der alte Anzug passte doch nicht mehr so gut und ließ viel Platz für Wasser. Ich gab meinem Buddy dennoch öfter das »OK«, tiefer zu tauchen. Schließlich wollte ich kein Weichei sein und glaubte, alles unter Kontrolle zu haben (Fehler 3). Zuerst starben mir Hände und Füße ab. Etwas später begann ich stark zu zittern.

Aber egal! Wieder gab ich mein »OK«. Irgendwann hörte das Zittern auf. »Na bitte, geht doch«, dachte ich und fühlte mich seltsam körperlos. Als kurz darauf mein Vortrieb zu wünschen ließ, kontrollierte ich tatsächlich, ob sich meine Unterschenkel noch an Ort und Stelle befänden. Ich erinnere mich nicht mehr, was den Auslöser zum Aufstieg gegeben hat.  

Die Fehlerkette

Auf fünf Meter Tiefe angekommen, holte sich mein Buddy wieder ein »OK« ein und verschwand wieder in der Tiefe. Meinen Sicherheitsstopp habe ich allein gemacht, bin langsam aufgetaucht und zum Ausstieg geschwommen (Fehler 4). Alles schien in bester Ordnung zu sein. Dort angekommen, wollte ich mich auf der untersten Stufe der Metall-Ausstiegstreppe aufrichten.

Doch meine noch immer völlig gefühllosen Beine versagten, und ich fiel in voller Montur auf den Rücken. Dabei hat sich irgendwie die Flasche zwischen den Treppenstufen verklemmt, und ich war festgeklemmt. Blöd nur, dass ich meinen Atemregler schon herausgenommen hatte, der nun in trauter Zweisamkeit mit Oktopus zwischen Flasche und Treppe eingeklemmt war. Einen von beiden hätte ich aber dringend benötigt, denn das Wasser stand auf Lippenhöhe, und ich hatte wahnsinnige Angst, zu ertrinken (Fehler 5).

Ein sich am Ufer sonnendes Tauchpäarchen rief mir zu, ich möge Ruhe bewahren und die Schnallen des Jackets lösen. Hätte ich auch gern getan! Leider aber waren meine Finger und Hände ebenfalls taub und steif, sodass ich mich nicht allein aus meinem Jacket befreien konnte.

Glück gehabt

Glücklicherweise tauchte dann ein weiteres Buddyteam direkt vor mir auf, erkannte die Situation und befreite mich aus meiner misslichen Lage. Noch immer nahezu bewegungsunfähig, schleppte man mich die Treppe hoch, zog mich aus und schaffte mich unter eine lauwarme Dusche. Ich habe noch den ganzen Tag vor Kälte gezittert, hatte weiße Finger, blaue Handrücken und -innenflächen.

Dennoch war das alles gerade noch mal gut gegangen! Leicht hätte die Situation für mich auch sehr schlimm ausgehen können. Mein Buddy hätte mich niemals allein lassen dürfen! Auch wenn er meinen Zustand der Hypothermie nicht erkannte oder hätte erkennen können. Er ist übrigens bestens gelaunt nach weiteren 20 Minuten aufgetaucht. Und war sich keines Fehlers bewusst.

Ich weiß, dass mein Urteilsvermögen bei diesem Tauchgang bereits stark beeinträchtigt war, und ich nicht mehr logisch denken konnte. Der Punkt, an dem man die Kontrolle verliert, kommt nicht etwa schleichend, sondern ganz plötzlich. Wenn man ihn überschritten hat, ist man sich dessen nicht mehr bewusst! Ich habe meine Lektion gelernt: Unterkühlung ist nicht zu unterschätzen.

Meine nächste Anschaffung war ein Sieben-Millimeter-Halbtrockenanzug, plus Eisweste, mit dem ich auch im Winter in Ägypten tauche. Für heimische Gewässer wäre ein Trocki besser geeignet, auch wenn man nur wenige Tauchgänge damit macht. Die ganze Aktion hat übrigens nur 30 Minuten gedauert, die tiefste Stelle war 26 Meter bei einer Temperatur von 7 Grad.

Fehleranalyse

Was ist hier passiert? Kommt es nach dem starken Zittern zu weiterem Wärmeverlust, »schaltet der Körper ab«. Das Bewusstsein wird zuerst eingetrübt und geht dann verloren. Kurz vor dem Bewusstseinsverlust scheint unsere Leserin instinktiv den Aufstieg eingeleitet zu haben. 

Fehler 1:Ein alter Anzug, der mal passte, ist eine gefährliche Falle. Gerade in solchen Fällen sollte man an Backup denken oder sich vielleicht einen Anzug auf der Tauchbasis leihen. Vorherige Anprobe zuhause vor der Abfahrt ist auf alle Fälle nie verkehrt.

Fehler 2: Zielabsprachen sind wichtig. Allerdings bergen sie auch die Gefahr des »Schaffen müssens«. Hier wäre es schlauer gewesen, neben der Maximaltiefe auch »Ausstiegsszenarien« zu verabreden. Vor allen, wenn man nicht weiß, wo beispielsweise die Sprungschicht liegt, und mit welchen Temperaturen man zu rechnen hat.

Fehler 3: Ein Merksatz, den sich jeder Taucher einbläuen muss: Ein kleines Unwohlsein führt bei Unterdrückung fast immer zu einem größeren Unwohlsein. Bleiben Sie immer in Ihrer Komfortzone, auch wenn das Einschränkungen für andere bedeutet. Man darf nicht vergessen: Jeder Tauchgang ist ein Ausflug in eine für uns lebensfeindliche Materie.

Fehler 4: Ein Buddy-Team bleibt zusammen und trennt sich nicht.

Fehler 5: Der Atemregler verlässt erst den Mund, wenn man sicher an Land steht.

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