Aus Fehlern lernen Praxis

Mehr Glück als Verstand – Notaufstieg aus 40 Meter Tiefe

Notaufstiege sollten immer mal wieder unter gesicherten Bedingungen trainiert werden. Warum? Die Ereignisse sprechen für sich.

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TEXT: Christian F. (Nachname ist der Redaktion bekannt)

Vor einigen Jahren begaben sich meine Frau, mein guter Freund Sascha und ich uns auf meinen 1000. Tauchgang. Es ging in den schönen Vierwaldstättersee in der Schweiz. Der Tag versprach strahlenden Sonnenschein, und wir freuten uns darauf, die faszinierende Unterwasserwelt des Sees zu erkunden.

Unser erster Tauchgang war eine Augenweide mit einer Vielzahl von Barschen, die in den sanften Wellen ihre Bahnen zogen. Da es Sommer war, und wir beschlossen hatten, nicht allzu tief zu tauchen, hatte ich lediglich eine erste Stufe samt Oktopus und Atemregler an meiner 12-Liter-Flasche angebracht.

Fehler 1: Wenn man vorab die Verhältnisse im See nicht kennt, sollte man immer (!) im Sinn der Risikominimierung mit vollständiger Redundanz der Luftversorgung, also einer separat absperrbaren 1. Stufe mit eigener 2. Stufe, tauchen. Neben den Sichtweiten ist es vor allem die Sprungschicht, die einen entscheidenden Faktor im See spielt. Unterhalb dieser wird es, meist rasch, mehrere Grad kälter.

Der Tauchgang verlief reibungslos, und während meine Frau sich im Sonnenschein aalte, planten mein Freund und ich bereits unseren zweiten Tauchgang.

Der zweite Tauchgang

Für den zweiten Tauchgang wählten wir einen anderen, uns bis dato unbekannten Tauchplatz in der Nähe. Mein Freund konnte auf etwa 80 Tauchgänge zurückblicken und war Deepdiving-zertifiziert. Als erfahrener Tauchlehrer hatte ich gerade meinen 1000. Tauchgang absolviert. In der Vergangenheit hatten wir bereits rund 50 Tauchgänge gemeinsam unternommen und kannten uns unter Wasser bestens.

Unser Abstieg begann in einem flachen, sandigen Bereich des Sees, während wir entlang des langsam abfallenden Seebodens schwebten. Die Sichtweite betrug anfangs nur etwa ein bis zwei Meter, was uns dazu veranlasste, etwas tiefer zu tauchen. Ab einer Tiefe von 15 Metern stießen wir auf eine beeindruckende Steilwand und beschlossen, noch weiter hinabzutauchen, in der Hoffnung, dass die Sicht dort besser wäre.

Wir folgten der Steilwand weiter hinab bis auf 30 Meter Tiefe, wo sich die Sicht plötzlich schlagartig verbesserte. Die Klarheit des Wassers war enorm, und wir staunten über die schöne Unterwasserszenerie dort unten. Mit Muße erkundeten wir die Steilwand.

Fehler 2: Im Hinblick auf das Dekompressions-Unfallrisiko sollte der zweite Tauchgang nicht tiefer als der erste erfolgen. Wie bereits angesprochen, wurde an dieser Stelle wohl vergessen oder ignoriert, dass man nur mit einem nicht-kaltwassertauglichem Atemregler unterwegs ist.

Als passionierter Unterwasserfotograf hatte ich meine DSLR-Kamera mit einem Makroobjektiv dabei und war auf der Suche nach interessanten Motiven. Im Schein meiner Taucherlampe entdeckte ich in etwas größerer Tiefe eine Grundel, die sich gerade an der Steilwand niederließ. Ihre schöne Färbung und perfekte Positionierung fesselten mich sofort, und ich beschloss, behutsam näher zu schwimmen, um einige Aufnahmen von ihr festzuhalten.

Plötzlich nahm ich ein unheilvolles Geräusch wahr! Mein Atemregler begann, Luft abzublasen. Aufgrund der nur einen ersten Stufe war es mir unmöglich, den Luftfluss zu stoppen. Rasch schwamm ich zu meinem Buddy Sascha hinüber, um ihn um Hilfe zu bitten. Die Zeit schien zu verschmelzen, während wir uns inmitten eines turbulenten Luftblasenmeers befanden.

Unsere Sicht war stark eingeschränkt, und die Ereignisse überschlugen sich. Kurz darauf befanden wir uns an der Wasseroberfläche. Doch wie genau wir diesen unkontrollierten Aufstieg bewerkstelligt hatten, ist uns bis heute ein absolutes Rätsel. Unsere Tauchcomputer offenbarten uns später, dass wir in nur etwa drei Minuten von einer Tiefe von 40 Metern an die Oberfläche gestiegen waren.

Dort angekommen, füllten wir hastig unsere Jackets mit Luft, und ich verspürte ein seltsames Gefühl in meinem Magen. Mein besorgter Freund begann damit, mich vorsichtig zum Ufer zu transportieren, während ich mich unwohl fühlte.

Letztendlich stellte sich heraus, dass alles, was ich gebraucht hatte, ein kräftiger Rülpser war, um das unangenehme Gefühl zu vertreiben. Offenbar hatte ich während des Vorfalls unter Wasser versehentlich kräftig Luft geschluckt, was zu meinem Unbehagen geführt hatte.

Glücklicherweise erholte ich mich sofort nach diesem befreienden Aufstoßen. Einige andere Taucher, die sich am Ufer aufhielten, hatten unsere missliche Lage bemerkt und boten sofort ihre Hilfe an. Doch zu unserem Glück war sie nicht mehr nötig.

Fehler 3: Minimalversorgung mit Sauerstoff wäre hier sinnvoll gewesen, um auf Nummer sicher zu gehen.

In den folgenden Tagen beobachteten wir aufmerksam, ob Anzeichen einer Dekompressionskrankheit auftreten würden. Wir hatten das Glück, dass keinerlei Deko-Symptome auftraten. Da dieser Vorfall noch relativ am Anfang des zweiten Tauchgangs auftrat, wurde, so glaube ich rückblickend, Schlimmeres verhindert.

Dennoch gibt es einige rote Flaggen, die ich als erfahrener Tauchlehrer eigentlich hätte erkennen müssen. Alles in allem war es ein im wortwörtlichen Sinne atemberaubendes, aber auch lehrreiches Erlebnis, das uns die Wichtigkeit von Sicherheit und Vorsicht unter Wasser verdeutlichte.

Unsere Leidenschaft für das Tauchen hat dadurch keinerlei Einbußen erlitten. Doch wir sind uns nun noch stärker der potenziellen Gefahren bewusst und werden zukünftig wieder sorgfältiger unsere Tauchgänge planen und durchführen.

Anmerkung der Redaktion: In diesem Fall kann man wirklich nur von reinem Glück sprechen, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Insbesondere als Tauchlehrer sollte man mit solchen Situationen umgehen können. Daher hier zwei Tipps: Schleunigst Notaufstiegs-Szenarien trainieren. Und im See immer »redundant« tauchen, wenn es tiefer gehen soll.

Die Situation hätte entschärft werden können, wäre der verunfallte Taucher an den Oktopuss seines Partner gegangen. Dieser hätte dann das Flaschenventil schließen lassen sollen, um den »free flow« zu stoppen. Die beiden hätten dann sicher in flacherer Tiefen aufsteigen können. Dort kann man sogar vorsichtig testen, ob die Eisbildung in der ersten Stufe, die vermutlich für dieses »Ablasen« verantwortlich war, bereits verschwunden ist. Dann hätten die Taucher beide wieder aus ihren Geräten atmen können und den Tauchgang sicher beenden können.

TRAINING von NOTAUFSTIEGEN

1. Theorie: In der Theorie sollten Gründe für einen Notaufstieg erörtert werden. Es muss auf Alternativen hingewiesen werden. Physiologische Aspekte, wie die Gefahr eines Überdruckbarotraumas der Lunge (Lungenriss) und das extrem erhöhte Dekompressionsrisiko durch einen Notaufstieg (abhängig vom Zeitpunkt des Notfalls während des Tauchgangs) sind wichtig für das Verständnis. Gängige Verfahren nach einem Notaufstieg müssen besprochen werden, z.B. Sauerstoffgabe oder fernmedizinischer Rat.

2. Planung und Briefing: Ein solches Training sollte nur mit einem erfahrenen Tauchausbilder durchgeführt werden. Der Tauchplatz sollte über gute Bedingungen verfügen, wie gute Sicht und geringe Tiefe. Ein Schwimmbad mit fünf Meter Tiefe ist optimal, die maximale Tiefe sollte zehn Meter nicht überschreiten. Gut ist ein Seil, dass an einer Boje befestigt ist und als Orientierung dienen kann. Ein Notfallplan sowie Sauerstoff sollten vorhanden sein. Es sollte keine Stickstoff-Vorsättigung bestehen. Die Übung gehört an den Anfang eines Tauchtages.

3. Praktische Durchführung: Direkt nach dem Abstieg auf die Zieltiefe sollte die Übung starten. Nach entsprechendem Handzeichen startet der kontrollierte schwimmende Notaufstieg. Normal eingeatmet wird senkrecht Richtung Oberfläche geschwommen. Eine Hand schützt den Kopf, die andere kontrolliert den Inflator. Die Flossen schlagen langsam und gleichmäßig. Die Aufstiegsgeschwindigkeit sollte zehn Meter pro Minute betragen (grober Richtwert). Die Atemwege müssen die gesamte Zeit während des Aufstiegs geöffnet bleiben, es müssen sichtbare Luftblasen entweichen. nur so ist sichergestellt, dass es nicht zu einem Überdruckbarotrauma der Lunge kommen kann. An der Oberfläche wird dann Auftrieb mit dem Jacket hergestellt. Handhaltung, Schwimmgeschwindigkeit und Atmung kann vorher in der Horizontalen geübt werden. Der Tauchausbilder taucht mit auf um die Übung abzusichern. Maximal zwei Aufstiege pro Taucher sind empfehlenswert.

4. Nachbesprechung und Auswertung: Wie bei allen Übungen sollte auch hier ein Feeback und ein Erfahrungsaustausch statt finden.

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