Aus Fehlern lernen Wissen

So besser nicht im Kaltwasser ausbilden

Dass es auch Tauch-Ausbilder nicht immer richtig machen, musste unsere Leserin schmerzhaft selbst erfahren.

- Wolfgang Pölzer
(Der beschriebene Tauchgang wurde mit sicherheitsrelevanter Ausrüstung nachgestellt.)

TEXT: Barbara Poelter –

Kürzlich waren wir im See tauchen. Das Buddyteam bestand aus dem Tauchlehrer mit mehr als 2000 Tauchgängen und mir, der Taucherin. Ich bin Divemaster und habe knapp 250 Tauchgänge. Der Plan war, einen Tauchgang auf 40 Meter Tiefe ohne Überschreiten der Nullzeit durchzuführen (Anm. d. Redaktion: in einer früheren Version war von der Grundzeit die Rede, wir haben diesen Fehler korrigiert). Also schnell runter und langsam wieder rauf. Grund dafür war der Tauchkurs »Deep«.

Tauchlehrer und Taucherin geben sich das OK-Zeichen im Flachwasser.

Das Briefing und der Buddycheck vor dem Tauchgang wurden ordnungsgemäß durchgeführt, danach stiegen wir ins Wasser. Das Abtauchen verlief problemlos. Die Zieltiefe von 40 Meter wurde erreicht. Plötzlich begann mein Lungenautomat unkontrolliert abzublasen. Dies begann recht langsam, wurde dann aber immer stärker.

Der Atemregler der Taucherin beginnt abzublasen.

Ich signalisierte meinem Buddy das Problem und bekam sofort seinen Oktopus. Während mein Tauchlehrer versuchte, das Abblasen des Atemreglers zu stoppen, atmete ich ruhig aus seinem Regler und hielt mich an seinem Jacket fest. Ich selbst hatte mein Jacket auf Tiefe recht stark aufgeblasen, da der Abtrieb in der Tiefe so groß war. Mein dicker Neoprenanzug und das nötige Blei machten das notwendig.

Die Taucherin atmet aus dem Oktopus des Tauchlehrers, während dieser deren abblasenden Atemregler in der Hand hält und versucht, ihn zu stoppen (in hohle Hand schlagend).

Vertieft in die Problemlösung bemerkten wir nicht, wie wir noch oben stiegen. Plötzlich wurde unser Aufstieg immer schneller. Mein Tauchlehrer, an dessen Oktopus ich hing, versuchte noch, mein Jacket zu entlüften, bekam aber währenddessen selbst Auftrieb. Da das alles innerhalb von wenigen Sekunden passierte, und wir bereits am Anfang der Problemsituation aufstiegen, erreichten wir innerhalb kürzester Zeit die Wasseroberfläche.

Beide kommen im Blasenschwall zu schnell nach oben, während die Taucherin noch immer am Zweitregler des Tauchlehrers »hängt«.

An der Wasseroberfläche angekommen, mussten wir uns beide erst mal ausruhen und schwammen dann langsam zum Einstieg zurück. Beim Abrödeln schmerzten plötzlich meine Gelenke, und meine Hände schwollen an. Das veranlasste meinen Tauchlehrer dann, die Rettungskette zu aktivieren. Innerhalb von 45 Minuten war ich im Krankenhaus.

Die Taucherin krümmt sich an Land vor Schmerz und deutet auf Gelenkschmerzen im Ellenbogen.

Auf dem Weg dorthin und im Krankenhaus wurde mir Sauerstoff gegeben, was bereits zu einer schnellen Schmerzlinderung und Abschwellung führte. Nach weiteren Untersuchungen konnte ich dann am Abend das Krankenhaus wieder verlassen. Bei meinem Tauchlehrer traten keine Symptome auf. Er wurde aber vom medizinischen Dienst darauf hingewiesen, dass er bei allfälligem Unwohlsein sofort einen Arzt aufsuchen sollte.

Fehleranalyse

Leider wird aus der Schilderung nicht ganz klar, mit welcher Ausrüstungskonfiguration hier getaucht wurde. Die Darstellung lässt vermuten, dass der Tieftauchkurs im See mit einem Mono-Ventil durchgeführt wurde. War dem so, ist dem Tauchlehrer grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. See und Tiefe bedeuten automatisch tauchen mit Doppelventil samt Kaltwasser-Atemregler-Set: also zwei getrennte erste Stufen mit jeweils einer zweiten Stufe. Die Handhabung dieses Setups sollte vorher in der gesicherten Umgebung eines Pools oder mindestens im Flachwasser erfolgen. So vorbereitet, wäre es ein Leichtes, auf einen abblasenden Automaten zu reagieren: Wechsel auf Redundanz, selbstständiges (oder mit Buddyhilfe) Schließen des betroffenen Flaschenventils, Tauchgang unter allen relevanten Sicherheitsparametern beenden.

Im geschilderten Fall wäre die richtige Reihenfolge der Vorgehensweise gewesen, dass man sich zuerst der gemeinsamen Tarierung widmet, dann das Flaschenventil des defekten Automaten schließt und den gemeinsamen kontrollierten Aufstieg einleitet. Rechte Hand am rechten Jacket-Gurt des Buddys. Linke Hand am eigenen Inflator.
Für den Tauchlehrer: Nachhilfe!

Ausserdem ist es fraglich, warum eine Divemasterin mit 250 Tauchgänge noch keinen »Deep Dive«-Kurs absolviert hat. Eventuell wurde der Tieftauchkurs bereits im warmen Wasser gemacht und sollte nun erstmalig im kalten Wasser (neue Umgebung) unternommen werden werden.

Das sagt der Experte aus tauchmedizinischer Sicht zu der Symptomatik:

Prof. Dr. Claus-Martin Muth ist Facharzt für Anästhesio­logie und Notfallmedizin. Er arbeitet am Universitäts­klinikum in Ulm und ist seit vielen Jahren Autor von anerkannter Fachliteratur.

Im hier geschilderten Fall handelt es sich um die ganz klassische Symptomatik eines Dekompressionszwischenfalls, welcher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf einer dekompressionsbedingten Bildung von Gasbläschen beruht. Die vermeintlichen Gelenkschmerzen sind dabei eher Schmerzen in den das jeweilige Gelenk umspannenden Muskeln, in denen die Bläschen eine Schwellung und eine Entzündungsreaktion verursachen.

Das Anschwellen einzelner Körperpartien (hier wohl der Hände) ist die Folge eines Blutstaus und Lymphstaus durch Gasbläschen in den betroffenen kleinen Venen und Lymphgefäßen. Durch die schnelle Gabe von Sauerstoff in möglichst hoher Konzentration (möglichst 100 %) kommt es zur raschen Auflösung der Gasbläschen und auch zu einer Unterdrückung der entzündlichen Reaktionen auf die Gasbläschen, was häufig zu einem raschen Rückgang der Symptomatik führt.

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