TEXT: Frank Schneider –
Auf die Größe kommt es an? Könnten Walhai und Borstenschwanzgarnele sprechen, könnte die Relativität der Antwort schell eingeschätzt werden. Für viele Unterwasser-Fotografen steht fest: Nacktschnecken haben ihren Reiz ebenso wie Großfische. Auch wenn, und das steht ohne Zweifel fest, die kleinen Tiere oft einfacher abzulichten sind. Natürlich bekommen wir Taucher von den »Kleinen« rein zahlenmäßig insgesamt viel mehr zu sehen, als uns große Brocken vor die Maske schwimmen.
Andererseits ist die Vielfalt des »Kleinviehs« ein Riesenvorteil, denn das garantiert Abwechslung. Besonders lebendig und ansprechend wirken dabei Bilder von Putzer-Symbiosen. Abgesehen davon haben Putzerstationen noch einen ganz anderen Vorteil: Dort verharren selbst sonst scheue und räuberische Gesellen eine Zeitlang still und fast regungslos. Das können sich Unterwasser-Fotografen auch für Tierporträts zunutze machen.
Womit?
Die erste Voraussetzung für Fotos von Putzer-Action kostet nichts: Es ist die eigene Geduld. Die zweite Nachricht: Ohne sie wird es in der Tat schwierig. Dagegen stellen sich die technischen Voraussetzungen recht einfach dar, denn für solche Bilder sind nicht zwingend teure Spezial-Optiken nötig. Wichtiger ist eher eine hohe Megapixelzahl der Kamera. Das gilt selbst beim Einsatz ausgewiesener Makro-Objektive.
Alle Tiere haben eine Fluchtdistanz. Wird diese von einer vermeintlichen Gefahr (Räuber, Taucher, Kamera o.ä.) unterschritten, setzt der Fluchtreflex eines Tieres ein – und weg ist das Motiv. Je mehr Megapixel, umso größer die Abmessungen des fertigen Bildes. Dadurch kann auch mit größerem Abstand zu einem Fotomotiv bei der Bildbearbeitung noch reichlich unwichtiger Rand beschnitten werden.
Übrigens sind klassische Makro-Objektive nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss, nur weil sie den Abbildungs-Maßstab 1:1 (auf dem unbeschnittenen Foto genauso groß wie im richtigen Leben) liefern. Brennweitenabhängig müssen nämlich auch solche Linsen bis auf wenige Zentimeter ans Motiv heran. Kurzfassung: prima für Nacktschnecken, die nicht wegschwimmen, aber nicht automatisch gut für die Putzerstation.
Ausnahmen gibt es natürlich auch: Wie Zackenbarsche, Muränen und Kofferfische haben selbst Haie und Mantas Stellen im Riff, wo sie meist eine ganze Horde Putzer an sich heranlassen. In solchen Fällen sind Putzerfotos sogar mit leichten Weitwinkel-Objektiven möglich. Bei Abständen von zwei, drei Metern müssen unter Wasser aber schon recht gute Sichtverhältnisse herrschen.
Wer?
Jeder mit einer Kamera, Interesse an den Details vom Leben im Riff und der besagten Geduld kann solche Fotos realisieren. Hilfreich ist ein Tauchpartner mit denselben Interessen, denn so manche Putzerstation will erst einmal entdeckt werden. Ist sie einmal gefunden, können wir ziemlich sicher sein, dass sie auch in den folgenden Tagen genutzt wird.
Nicht schlecht ist zudem, wenn der Tauchpartner eine (nicht zu grell leuchtende) Lampe dabei hat. Mögen Putzerfotos auch mit kleinen Kameras realisierbar sein, so haben die nicht immer ein Dauerlicht für den Fokus. Der Lichtkegel sollte dabei langsam auf das Zielobjekt bewegt werden.
Wie?
An Putzerstationen gibt es immer Symbiosen, also Partnerschaften auf Zeit zwischen sehr unterschiedlichen Tierarten. Im Mittelmeer existieren sie ebenso wie in den tropischen Gewässern. Die vermutlich häufigsten Kandidaten sind alle Arten von Zackenbarschen, Muränen, aber auch Kofferfische und bunte Rifffische wie Imperator-Arten und Süßlippen.
Es gibt jedoch auch Putzerstationen für Rochen, Haie und Mantas. Stets gilt es zunächst langsam und aufmerksam durchs Riff zu schwimmen und Tiere zu beobachten. Ungewöhnliches Verhalten ist immer ein Indiz. Wer schon von weitem im Wasser dicht über dem Riff auf der Stelle stehend oder auf dem Grund liegend mit offenem Maul und/oder Kiemen zu sehen ist, kann immer ein möglicher Kandidat für ein Putzerfoto sein.
Auch verdächtig: Wenn kleinere Arten, die normalerweise nicht in engeren Spalten zu vermuten sind, scheinbar grundlos immer wieder dort verschwinden. Enorm wichtig ist es, sich Zeit zum Beobachten zu nehmen. Fühlen sich die Tiere sicher, entstehen die besten Bilder auf Augenhöhe.
Muränen haben oft die Angewohnheit, den Kopf Richtung Höhlenausgang zu strecken, sodass die Kamera im Optimalfall sogar ins offene Maul hinein fotografieren kann. Sind größere Tiere ganz im Bild, etwa scheue Zackenbarsche, kann das Tier in Gänze abgebildet werden. In jedem Fall müssen aber ein oder mehrere Putzer zu erkennen sein.
Was geht gar nicht?
Für alle Situationen gilt: langsam ans Motiv annähern. Und die Kameraeinstellungen in sicherer Entfernung vornehmen. Wer in einem Meter Abstand zum Motiv noch groß rumhantieren muss, hat schon verloren. Es muss bedacht werden, dass die Tiere, die sich vom Symbiosepartner putzen lassen wollen, in dem Moment ihr natürliches, normales – in vielen Fällen ist das ein räuberisches Verhalten – ablegen.
Wenn ein Raubfisch angegriffen und verletzt wird, hat er ebenso ein Problem wie ein verletzter friedlicher Riffbewohner. Er wird zur potentiellen Beute. An der Putzerstation macht sich der gefräßige Zackenbarsch (sie haben im Verhältnis zum Körper das größte Maul im Unterwasser-Tierreich) ebenso »nackig« wie Muräne und Hai oder die friedliche Süßlippe.
Alle halten still und sind einem Nichtangriffspakt unterworfen. Welche Garnele oder welcher Lippfisch würde sich sonst zwischen die Reihen spitzer, scharfer Zähne von welchem Tier auch immer begeben oder durch weit gespreizte Kiemen in dessen Maul schwimmen? Also: keine hastigen Bewegungen.
Was hilft?
Keine Scheu vor Fragen! Tauchguides wissen in der Regel am besten, wer wo am Riff zu finden ist. Weil das Briefing in vielen Fällen eher der Orientierung dient und das Offensichtliche behandelt, kann es nicht verkehrt sein, an der Tauchbasis schon vorher gezielt nach Putzerstationen zu fragen. Ein Vorteil sind tropische Hausriffe, denn an jedem gibt es sicher mehr als eine Putzerstation.
Einmal entdeckt, dürfen sie dann ruhig so oft besucht werden, bis ein paar gute Bilder im Kasten sind. Denn auch das hilft: zu wissen, dass ein Fehlschlag oder ein Foto-Tauchgang an der Puzterstation ohne gute Ergebnisse kein Grund zur Resignation ist.
Glauben Sie an sich selbst und keinem Profi, der Ihnen erzählt, er brächte immer Top-Fotos mit nach oben. Die aber nie sofort nach dem Tauchgang, sondern immer erst zwei Tage später präsentiert werden – wenn die Schwebeteilchen wegretuschiert und die Farben korrigiert sind. Übung macht den Meister. Und Selbstkritik.