TEXT: Klaus Elsner
Es war im Frühjahr 2019. Noch herrschte kühles Wetter und kaltes Wasser. Die Trockizeit war also noch nicht um. An der Ruhr in Duisburg stand das jährliche Frühjahrsreinigungs-Tauchen an. Mein Buddy hatte schon ein paar Mal daran teilgenommen.
Er sah es als tolle Abwechslung. Wann hat man schon mal die Gelegenheit, in der Ruhr zu tauchen? Als der Termin gekommen war, hatte sich mein Buddy stark erkältet, beim Druckausgleich ging nichts mehr. Trotzdem fuhren wir zusammen zu der Veranstaltung.
Da ich jetzt keinen Buddy hatte, wurde ich zwei anderen Tauchern zugeordnet. Gemeinsam fuhren wir zu der uns zugewiesenen Strecke. Sehr ruhig fließendes Wasser. Darüber eine Fußgängerbrücke, unter der wir viel Unrat vermuteten.
Also schnell umgezogen und ab ins Wasser. Mein Anzug war ein Sechs-Millimeter-Neoprentrocki, dazu ein Jackte der Firma Buddy. Schon beim Abtauchen stellte sich die Sicht als sehr schlecht heraus, sie betrug nicht mehr als einen halben Meter. Bei etwa vier Metern Tiefe erreichten wir den Grund.
Dicht an dicht schwebten wir darüber. Er war sauber, keine Spur von Müll. Nach wenigen Minuten hatte ich meine Tauchpartner aus den Augen verloren. Bevor ich auftauchte, beschloss ich, Richtung Ufer zu tauchen und dort auszusteigen (Fehler 1).
Nach ein paar Metern fand ich ein Stück Eisenbahnschiene, etwa 20 bis 30 Zentimeter lang. Also doch noch etwas zum Mitbringen. Da das Eisenstück sehr schwer war, füllte ich mein Jacket, um mit dem zusätzlichen Gewicht Auftrieb zu bekommen. Das reichte aber nicht. Also gab ich noch Luft in den Anzug (Fehler 2).
Jetzt ging es langsam hoch. Etwa einen Meter vor Erreichen der Wasseroberfläche konnte ich das Fundstück, das ich in einer Hand hatte, nicht mehr halten und ließ es schweren Herzens los. Dann überschlugen sich die Ereignisse!
Erlöst von dem Gewicht ploppte ich den letzten Meter hoch und nahm das Geräusch von stark ausströmender Luft wahr. Im ersten Moment vermutete ich ein Abblasen des Zweitautomaten. Bevor ich mich orientieren konnte, merkte ich, dass sich mein Anzug rasch aufblies.
Er hat kein Automatikventil, und im Nu war ich so stramm aufgeblasen, dass ich mich kaum bewegen konnte und nicht an das Ablassventil kam. Die Halsmanschette wurde immer enger. Dann kam der Moment, in dem für mich kein Atmen mehr möglich war. Sekunden darauf hörte das Blasen auf, und ich bekam wieder Luft.
Zwar nur schwer, aber ich konnte atmen. An Rufen war jedoch nicht zu denken. Da ich auf dem Rücken lag konnte ich den Himmel sehen. Und da ich langsam trieb, wartete ich zur Orientierung auf die Brücke, an der wir oberhalb eingestiegen waren. Auch gelang es mir, mit den Flossen zu paddeln.
Ich hatte das Gefühl, mich in Richtung Ufer zu bewegen, wo ein paar nicht tauchende Kollegen standen. Als ich dicht am Ufer war, wurde ein Seil über mich geworfen. Ich konnte es so einklemmen, dass man mich ans Ufer ziehen konnte. Einer der Helfer sprang ins flache Wasser und betätigte mein Ablassventil. Ich hatte es geschafft.
Was war passiert? Indem ich erst mein Jacket und dann den Anzug als Hebesack missbraucht hatte, waren beide gut gefüllt. Durch das Aufschießen im letzten Meter unter der Wasseroberfläche dehnte sich die Luft nochmal aus.
Nicht viel, doch es reichte, um einen verhängnisvollen Zufall auszulösen: Der Brustgurt meines Jackets geht dummerweise genau über das Einlassventil. Die Ausdehnung im letzten Meter bewirkte, dass der Gurt das Ventil betätigte. Das Aufblasen ging so schnell, dass ich nicht mehr reagieren konnte, zumal ich es mir anfangs nicht erklären konnte.
Als mein Hals so zugedrückt war, dass ich nicht mehr atmen konnte, rettete mich ein anderer Zufall. Durch den hohen Druck des Anzugs brach die Schnalle am Brustgurt, die Luftzufuhr wurde gestoppt, der Anzug konnte sich hier weiter ausdehnen, und der Druck auf der Halsmanschette ließ etwas nach. Atmen ging wieder.
Dass keiner der Kollegen zu Hilfe kam, lag wohl auch daran, dass keiner die Situation und die Gefahr erkannte, und alle erst glaubten, ich würde scherzen. Der Druck hatte selbst die Flossenbänder von meinen Füßen geschoben, und die Nähte am Anzug haben auch gelitten. Aus Gesprächen mit Tauchkollegen wurde mir bewusst, dass ich nicht der einzige bin, bei dem der Brustgurt über dem Einlassventil liegt (Fehlerkette).
Fehleranalyse
Fehler 1: Wie beim Tauchen üblich, sollte man gerade bei schlechter Sicht den Kontakt zum Buddy nicht verlieren bzw. vernachlässigen. Hier hätte ein kurzes Auftauchen zur Wasseroberfläche und das Ausschauen nach Luftblasen geholfen, um die Tauchpartner wiederzufinden.
Fehler 2: Bei Bergungsaktionen schwerer Gegenstände sollte ein Hebesack oder eine entsprechend dimensionierte Boje zum Einsatz kommen. Der Einsatz von Hebesäcken muss geübt werden und sollte im Buddyteam stattfinden.
Fehlerkette: Wenn machbar, sollte, wie in diesem Fall, darauf geachtet werden, dass der Brustgurt entweder offen gelassen oder weg vom Einlassventil positioniert wird. Zudem sollte der Trockentauchanzug immer mit einem automatischen Auslassventil versehen sein, das bei Überdruck im Anzug die Luft entweichen lässt. Ist das nicht der Fall oder tritt ein Defekt auf, sollte versucht werden, die Luft im Anzug über die Hals- oder Armmanschetten loszuwerden.
Ist Dir auch ein kleines, mittleres oder größeres Malheure beim Tauchen geschehen? Schreib und an [email protected]