TEXT – Prof. Dr. med. Claus-Martin Muth & Prof. PD Dr. med. Tim Piepho
Die meisten Tauchurlaube beginnen und enden mit einer Flugreise, und tatsächlich ist es so, dass über das Fliegen nach dem Tauchen schon häufiger geschrieben wurde. Weniger bekannt ist, dass auch das Fliegen vor dem Tauchen tauchmedizinisch relevant ist.
So weisen mehrere Statistiken darauf hin, dass es schon zu Beginn des Tauchurlaubs bereits gehäuft zu Tauchunfällen kommt. Eine schlechte Idee ist es, sich, wenn es zeitlich möglich ist, noch am Ankunftstag voll ins Tauchgetümmel zu stürzen.
Bei Fernreisen kann es im Gegenteil sehr empfehlenswert sein, am ersten Tag zunächst vor Ort anzukommen, es ruhig angehen zu lassen, sich zu akklimatisieren, in aller Ruhe einzuchecken, die Ausrüstung zu leihen und allenfalls einen Check-Tauchgang zu machen.
Problemstellung
Bei Flugreisen kommen zwei grundsätzliche Probleme zusammen: der Aufenthalt im Flugzeug und fast immer der Übertritt in eine andere Zeit- und Klimazone.
Im Flugzeug ist vor allem von Bedeutung, dass die Luft im Flieger sehr trocken ist. Bei einer mehrstündigen Flugreise verliert der Körper daher eine durchaus relevante Menge an Flüssigkeit, er dehydriert in gewissem Maße.
Zusätzlich trocknen die Schleimhäute aus, was in der Folge zu einer Schleimhautreizung und -schwellung führen kann. Hiervon sind vor allem die Schleimhäute im Bereich der Nase betroffen, aber auch die Bronchien.
Durch das beengte Sitzen kommt es zudem zu einem Anschwellen der Beine, auch fühlt man sich steif. Bei grundsätzlich gesunden Menschen ist das alles wenig problematisch. Bei einigen Menschen kann es zu einer Thrombose kommen. Aber das ist ein anderes Thema.
Allerdings dauert es nach dem Aussteigen aus dem Flugzeug eine Weile, bis der Flüssigkeitshaushalt des Körpers wieder ausgeglichen ist, und die Schleimhäute sich beruhigt haben. Wer hier zu ungeduldig ist, kann sich beim Tauchen Probleme einhandeln, und zwar in Form von Druckausgleichsstörungen. Aber auch im Hinblick auf die erhöhte Gefahr, einen Tauchunfall zu erleiden.
Als zusätzlicher Faktor kommt noch das Problem mit den unterschiedlichen Zeit- und Klimazonen hinzu. Gerade bei größeren Zeitverschiebungen, wie sie bei Flügen in Ost-West-Richtung und umgekehrt auftreten, befindet sich der Körper kurz nach der Ankunft in einem völlig anderen Rhythmus, als vor Ort vorgegeben.
So kann es sein, dass Taucher sich gerade dann in einem Leistungstief befinden, wenn sie eigentlich fit sein sollten. Bei diesem als »Jetlag« bekannten Zustand muss sich der Körper erst neu synchronisieren, was einige Zeit dauert.
Vor der Rückreise beachten!
Im Hinblick auf die Rückreise sollte allgemein bekannt sein, dass ein zu kurzer Abstand zwischen dem letzten Tauchgang und dem Rückflug ganz massiv zu Problemen führen kann. Am Ende des Tauchgangs ist immer noch eine erhöhte Restmenge Stickstoff im Körper gelöst.
Bei vorschriftsmäßigen Tauchgängen ist diese Menge aber unkritisch, wenn nichts unternommen wird, dieses Gas plötzlich freizusetzen. Eine solche Maßnahme, die zu einer plötzlichen Gasfreisetzung führt, ist ein weiterer rascher Abfall des Umgebungsdrucks. Und genau das geschieht beim Fliegen: Während das Flugzeug nach dem Start steil in den Himmel steigt, sinkt der Druck in der Kabine auf etwa 0,8 bar, und es kann hier noch zu einem Dekompressionsproblem kommen.
Zusammengefasst gilt aus Medizinersicht also die dringende Empfehlung, je nach Tauchverhalten und Reiseziel sowohl vor, als auch nach dem Tauchen etwas Zeit zwischen der Reise und dem Tauchen verstreichen zu lassen. Um sich hier nicht zu ärgern, wird angeraten, diese Empfehlungen bereits bei der Reiseplanung und der Buchung der Tauchgänge entsprechend mitzuberücksichtigen.
Empfehlung für Pausen nach dem Fliegen vor dem Tauchen:
– Flugzeit maximal 5 Stunden, nicht mehr als 2 Stunden Zeitverschiebung: Nicht am Ankunftstag tauchen!
– Flugzeit bis zirka 10 Stunden, bis 6 Stunden Zeitverschiebung: Einen Tag lang pausieren!
- Flugzeit über 10 Stunden, mehr als 6 Stunden Zeitverschiebung: Besser zwei Tage pausieren!
Empfehlung für Pausen vor dem Fliegen nach dem Tauchen:
– Ein Tauchgang pro Tag, Nullzeit-Tauchgang: mindestens 12 Stunden
– Wiederholungstauchgänge, Deko-Tauchgänge: mindestens 24 Stunden.
- Sehr intensives Tauchen mit mehr als 2 Tauchgängen am Tag über mehrere Tage, dabei Deko-Tauchgänge: mehr als 24 Stunden
Empfehlung für das Fliegen nach einem Tauchunfall:
Hat es sich bei dem Tauchunfall um eine milde Form gehandelt, liegt der Tauchunfall mehr als 24 Stunden zurück, und ist eine Druckkammerbehandlung durchgeführt worden, bei der die Symptomatik komplett rückläufig war, spricht grundsätzlich nichts gegen einen Flug in einer normalen Verkehrsmaschine.
In allen anderen Fällen muss von einem erfahrenen Taucherarzt vor Ort eine individuelle, der jeweiligen Situation entsprechende Entscheidung getroffen werden. Das beinhaltet auch die Wahl des besten Transportmittels