In mehreren Beiträgen beleuchten unsere Tauchmediziner
die verschiedenen Einflüsse und deren Auswirkungen.
Text: Prof. Dr. Claus Martin Muth & Prof. Dr. Tim Piepho
Den meisten Taucherinnen und Tauchern ist bekannt, dass die erreichte Tauchtiefe und die Tauchzeit wesentliche Faktoren sind, die das persönliche Dekompressionsrisiko bestimmen. Also die Wahrscheinlichkeit, einen Tauchunfall zu erleiden – oder eben nicht. Das leuchtet auch unmittelbar ein, weil eben die Tauchtiefe und der entsprechend erhöhte Umgebungsdruck sowie die Zeit, die in diesen erhöhten Druckverhältnissen verbracht wird, ganz wesentlich die Aufsättigung der verschiedenen Gewebe des Körpers mit Stickstoff beeinflussen.
Weniger bekannt ist hingegen, dass es eine sehr viel größere Zahl an Faktoren beim Tauchen gibt, die dies ebenfalls tun. Einige wurden bereits in TAUCHEN vorgestellt. In diesem Beitrag wird nun auf weitere, wenig bekannte eingegangen. Dies gilt zum Beispiel auch für den Luftverbrauch. Wobei es eigentlich relativ leicht nachvollziehbar ist, dass ein erhöhter Luftverbrauch und damit ein vermehrtes Einatmen von Stickstoff auch zu einer rascheren Aufsättigung mit Stickstoff in den Körpergeweben führen muss.
Da dies tatsächlich auch der Fall ist, beeinflusst der jeweilige persönliche Luftverbrauch auch das jeweilige persönliche Dekompressionsrisiko. Das bedeutet: je höher der Luftverbrauch, desto höher die Aufsättigung, desto größer das Dekompressionsrisiko, was entsprechend bei der Tauchgangsplanung berücksichtigt werden muss, um das tatsächliche Risiko wieder zu minimieren.
Dabei gibt es verschiedene Gründe für einen erhöhten Luftverbrauch. Ganz vorne mit dabei ist eine tatsächlich existierende oder auch subjektiv empfundene körperliche Belastung unter Wasser. Vermehrte Muskeltätigkeit, beispielsweise durch kräftigen Flossenschlag beim Anschwimmen gegen die Strömung, führt zu einem erhöhten Sauerstoffverbrauch im Körper, zu einer vermehrten CO2-Produktion und damit zu einem verstärkten Atemreiz mit in der Folge deutlich erhöhtem Luftverbrauch. Weil gleichzeitig auch die Muskulatur verstärkt durchblutet wird, kommt es zu einer deutlich rascheren Aufsättigung der Gewebe – das Risiko steigt. Aber auch ein erhöhter Luftdurchsatz ohne Anstrengung, zum Beispiel durch Aufregung, Angst, Lufthunger ohne besonderen Anlass, führt zu einer deutlich erhöhten Aufsättigung. Wenn auch nicht ganz so intensiv wie in Kombination mit tatsächlicher oder empfundener körperlicher Anstrengung. Wichtig auch: Vor allem bei Tauchanfängern wird nahezu regelhaft eine vergleichsweise unökonomische Atmung beobachtet, wobei hier das persönliche Dekompressionsrisiko schon dadurch reduziert sein sollte, weil die erreichten Tauchtiefen in der Regel noch relativ moderat bleiben.
Gefahr erkannt = Gefahr gebannt:
Was also ist zu tun?
Im Hinblick auf die körperliche Anstrengung ist es sehr sinnvoll, sich einen guten Trainingszustand zu erarbeiten und vor allem auch Schwimmtraining, besonders Flossenschwimmen, ins regelmäßige Ausdauertraining einzubauen. Mit gutem Trainingszustand wird eine gegebene Belastung anders empfunden, und man kommt nicht gleich bei geringer Belastung »ins Schnaufen«. Bei einer höheren Belastung bzw. immer dann, wenn das »ins Schnaufen geraten« unumgänglich ist, muss entsprechend die Tauchzeit bzw. die Zeit auf Tiefe verkürzt werden, um genügend Zeit für die kontrollierte Dekompression zu haben. In diesem Zusammenhang ist es zwar keine zwingende Voraussetzung, aber doch ganz nützlich, einen luftintegrierten Dekompressionscomputer zu benutzen, weil dieser den Luftverbrauch mit einberechnet und so indirekt auch das erhöhte Dekompressionsrisiko zu berücksichtigen versucht. Mitdenken müssen Taucher und Taucherinnen zwar immer und absolut auch hier, wenn auch etwas mehr durch den Rechner unterstützt.
Bei einem grundsätzlich erhöhten Luftverbrauch auch ohne Anstregung hilft es, am Luftverbrauch zu arbeiten. Allerdings nicht (!), wie oft fälschlicherweise (!) empfohlen, durch »einfach weniger atmen«. Denn das führt zu einer Vielzahl anderer Probleme, die hier mühelos einen weiteren Beitrag füllen würden. Sondern durch Übung – und Routine beim Tauchen. In gleicher Weise, wie die Routine beim Tauchen kommt, verschwinden die vielen kleinen überflüssigen Bewegungen der Arme und die Aufregung, eventuell sogar leichte, anfangs bestehende Ängste. Der Flossenschlag wird effektiver und die Atmung ökonomischer.
Zusammengefasst ist es also wichtig zu wissen, dass ein erhöhter Luftverbrauch zu einer vermehrten Stickstoffaufsättigung führt, was beim Auftauchen und insgesamt bei der Tauchgangsplanung und -durchführung zu berücksichtigen ist. Werden Tauchtiefe, Tauchzeit und Auftauchphase entsprechend angepasst, beispielsweise durch »sanftes« Ausklingen lassen des Tauchgangs in geringer Tiefe – selbst dann, wenn laut Dekocomputer keine Dekopausen notwendig sind – lässt sich auch dieses Risiko wieder minimieren.