Daher stammt der Begriff Nasennebenhöhle
Zu den NNH gehören die Kiefer-, Stirn-, und Keilbeinhöhlen sowie die Siebbeinzellen, die eine Vielzahl kleiner miteinander in Verbindung stehender Hohlräumchen darstellen. Alle diese Bereiche stehen über Verbindungsgänge mit der Nasenhöhle in Verbindung und sind mit Schleimhaut ausgekleidet. Der Begriff Nasenhöhle mag überraschen, aber an die Nasenlöcher schließen sich auf beiden Seiten große Kammern an, die mit „Luftleitblechen“, den Nasenmuscheln, ausgestattet sind, und in denen die Einatemluft erwärmt, angefeuchtet und gereinigt werden soll. Ein Prozess, der in der Luftröhre und den Bronchien fortgeführt wird.
Vorsicht bei Erkältungen
Da die Schleimhaut der Nase bei einer Erkältung oder Reizung anschwillt, können Taucher Probleme bekommen: Es kommt zum Verschluss der kleinen Verbindungsgänge zwischen den betroffenen NNH und der Nasenhaupthöhle, was dazu führt, dass das Sekret nicht abfließen kann. Dieser Sekretstau sorgt für ein Druckgefühl. Durch Keimbesiedelung sind eitrige Entzündungen möglich, die zur Nebenhöhlenentzündung, also zu einer Sinusitis, führen. Neben einer akuten Sinusitis, die meist in Folge einer Erkältung auftritt, gibt es die chronische Form. Hier sind nicht selten Schleimhautwucherungen in der betroffenen Nebenhöhle, sogenannte Schleimhautpolypen, ursächlich mitbeteiligt. Diese Polypen können, sind auch bei sonstiger Symptomfreiheit beim Tauchen Problemen machen.
Gesetz von Boyle und Mariotte
All diese Symptome, die durch die NNH beim Tauchen auftreten können sind auf das physikalische Gesetz von Boyle und Mariotte zurückzuführen: Je kleiner das Volumen der eingeschlossenen Luft ist, desto größer ist der Druck. Dabei handelt es sich um Barotraumen. Beim Tauchen kommt es bekanntlich mit zunehmender Tiefe zu einer Erhöhung des Umgebungsdrucks. Da die Zellen der Körpergewebe mit Flüssigkeit gefüllt sind und nicht wesentlich kompressibel sind, machen sich Änderungen des Umgebungsdrucks nur in mit Gas gefüllten Hohlräumen bemerkbar. Durch Kompression oder Dekompression der Gase können Druckdifferenzen entstehen. Dabei unterscheidet man zwischen Unter- und Überdruckbarotraumen.
Probleme der Nasennebenhöhlen sind auf das Gesetz von Boyle und Mariotte zurückzuführen: Je kleiner das Volumen der eingeschlossenen Luft, desto größer ist der Druck.
Unterdruck-Barotrauma
Bei einem Barotrauma, das durch einen relativen Unterdruck verursacht wird, kommt es zu einem Sog auf die Wände des luftgefüllten Bereichs. Kann die Verringerung des Volumens nicht durch Zuführung von Gas ausgeglichen, werden, hat der entstandene Unterdruck eine Schröpfkopfwirkung. Hierdurch kann es zu mehr oder weniger schwerwiegenden Schädigungen kommen. Neben Einblutungen und Ergussbildung können besonders empfindliche Anteile der Höhle einreißen. Diese Art des Barotraumas tritt während der Kompressionsphase auf. Vom Entstehungsmechanismus her betrachtet, kann es übrigens mit einem typischen Knutschfleck verglichen werden, bei dem es ebenfalls durch Unterdruck (Sog) zu einer Schröpfwirkung auf die Haut kommt. Man könnte daher auch von einem „Knutschbarotrauma“ sprechen.
Überdruck-Barotrauma
Besteht für das expandierende Gas keine Möglichkeit zu entweichen, so kommt es im Vergleich zum Umgebungsdruck zu einem Überdruck in dem betroffenen Bereich, der im Extremfall zu einem Zerreißen von Geweben führen kann. Erklärendes Beispiel ist hier der Luftballon, der in größerer Tauchtiefe gut mit Luft gefüllt und fest zugeknotet wird. Während der Auftauchphase dehnt sich die Luft aus, bis der Ballon platzt. Ähnliches passiert auch im Körper: Bei zunehmender Expansion des Gases kann es zu einem Zerreißen der schwächsten Stelle des gasgefüllten Raumes kommen. Am bekanntesten ist wohl das Barotrauma des Mittelohres, wobei hier tatsächlich auch eine Höhle mitbetroffen ist, nämlich die Paukenhöhle, die hinter dem Trommelfell liegt und sowohl als Resonanzraum für das Trommelfell als auch als „Getriebegehäuse“ für die Gehörknöchelchen dient.
Mittelohr ist besonders anfällig
Aufgrund des Aufbaus ist vor allem das Mittelohr für Traumatisierungen durch Druck prädestiniert. Dabei entstehen die meisten Barotraumen während des Abstiegs, wenn der Druckausgleich zu spät oder gar nicht durchgeführt wird. Durch den relativen Unterdruck wird das Trommelfell nach innen gezogen, was in der Regel einen unangenehmen Schmerz hervorruft. Gleichzeitig füllen sich die kleinen Blutgefäße, die das Trommelfell durchziehen, vermehrt mit Blut, sodass diese Membran auch nach dem Tauchen noch deutlich gerötet sein kann. Wird weiter abgetaucht, kommt es zu einem Erguss in die Paukenhöhle, also ins Mittelohr, da von den auskleidenden Zellen der Höhle Flüssigkeit abgesondert wird. Diese Flüssigkeit ist zunächst serös – also hell und nicht besonders trüb. Bei der Untersuchung des Ohres mit einem Otoskop kann eine größere Flüssigkeitsansammlung hinter dem Trommelfell gut erkannt werden. Bei zunehmendem Druck zerplatzen kleine Gefäße, sodass es zu einem weiteren Erguss kommt. Irgendwann ist die Belastbarkeit des Trommelfells überschritten und es reißt ein. Obwohl hiermit meist auch der stärkste Schmerz weicht, ist dies eine sehr gefährliche Situation für den Taucher.Das eindringende Wasser führt zu einer plötzlichen Temperaturänderung im Mittelohr. Das bedingt Schwindel und Orientierungsverlust, weil das in unmittelbarer Nähe liegende Innenohr massiv irritiert wird. Während das Reißen des Trommelfells selten ist, kann man kleinere Schädigungen durch ein Barotrauma bei vielen Tauchern feststellen. Nach Erkenntnissen haben über dreiviertel aller Taucher im Rahmen eines mehrtägigen Tauchurlaubs gerötete Trommelfelle, was fast immer für eine Überdehnung im Sinne eines Barotraumas steht. Zur Vorbeugung eines solchen Barotraumas ist es daher wichtig, den Druckausgleich rechtzeitig durchzuführen. Durch die Verwendung von Nasentropfen kann ein Überdruckbarotrauma während des Aufstiegs auftreten: Durch sdas vorzeitige Abklingen der Wirkung kann es nach einem problemlosen Abstieg zu einer erneuten Schwellung der Schleimhaut kommen. Hierdurch kann die sich ausdehnende Luft nicht mehr entweichen. Dabei wird das Trommelfell gedehnt und kann einreißen.
Innenohr-Barotrauma
Eine schwerwiegende Sonderform ist das Barotrauma des Innenohres. Das passiert zum Glück aber sehr viel seltener als beim Mittelohr. Kommt es allerdings zu einer Schädigung dieses Bereichs, so hat es oftmals gravierende Auswirkungen auf den Taucher. Meist entsteht ein Innenohrbarotrauma im Rahmen eines Mittelohrbarotraumas: Kommt es während des Abtauchens zu Druckausgleichsproblemen, so wölbt sich das Trommelfell nach innen und übt über die Gehörknöchelchenkette Druck auf das ovale Fenster aus.
Druckausgleich nicht erzwingen
Versucht der Taucher jetzt mit aller Gewalt den Druckausgleich zu erzwingen, kann es zu einem Riss der Membran des runden Fensters kommen. Aber auch ein plötzlich erfolgreicher Druckausgleichsversuch kann das Innenohr verletzen: Schlagartig werden die Gehörknöchelchen mit dem Trommelfell nach außen bewegt, sodass es zu einem Riss im Bereich des ovalen Fensters kommt. Dies kann auch während des Auftauchens geschehen, wenn der Überdruck im Mittelohr plötzlich entweichen kann. Durch diese Schädigungen tritt die Flüssigkeit der Gehörschnecke aus: Neben plötzlichen Hörverlust sind Ohrgeräusche (Tinnitus) und Drehschwindel möglich. Bei solch einer Schädigung ist der sofortige Check in einer HNO-Klinik notwendig, da eine gezielte Therapie oder Operation notwendig sein kann.
Nebenhöhlen-Trauma
Die Nasennebenhöhlen sind im Gegensatz zum Mittelohr weniger anfällig für ein Barotrauma. Das liegt daran, dass keine dünne Haut (Trommelfell) als Abdichtung vorhanden ist. Dennoch kommt auch hier während des Tauchens zu Beschwerden. Ähnlich wie für das Mittelohr bestehen auch für die Nasennebenhöhlen Verbindungen in den Rachenraum. Die Belüftung und der Druckausgleich finden automatisch, ohne Zutun des Tauchers statt. Vor allem im Rahmen von Erkältungen, aber auch bei chronischen Entzündungen, kann es zu einem erschwerten Druckausgleich kommen, der je nach betroffener Höhle zu unterschiedlichen Symptomen führt. Typisch sind Schmerzen im Bereich der Wange oder Stirn, die meist als stechend beschrieben werden. Aber auch Beschwerden im Bereich der Augen sind möglich. Dabei kommt es in der Höhle zu einer vermehrten Sekretbildung oder Einblutung. Nach dem Auftauchen kann sich dieses Barotrauma aber auch als Nasenbluten darstellen, wenn der Erguss abfließen kann.
Auch Überdruck-Trauma möglich
In den Nebenhöhlen kann es auch zu einem Überdruckbarotrauma kommen, wenn beim Abtauchen der Druckausgleich zwar funktioniert, aber das ausdehnende Gas nicht entweichen kann. Grund dafür kann ein Pfropf (Schleimhautpolyp) sein, der vor dem Höhlenausgang liegt. Die Folge sind heftige Schmerzen im betroffenen Bereich, wobei in extremen und sehr seltenen Fällen sogar Schädigungen der knöchernen Höhlenwand möglich sind.
Kieferhöhlen-Problem
In diesem Zusammenhang gibt es eine Besonderheit im Bereich der Kieferhöhlen zu beachten, die nach der Extraktion von Backenzähnen relevant werden kann: Im Bereich der Backenzähne des Oberkiefers kann es vorkommen, dass die Zahnwurzeln bis in die Kieferhöhle ragen, was der Zahnarzt in der Regel auf dem Röntgenbild sehen kann. Muss so ein Zahn gezogen werden, kann es sein, dass die Kieferhöhle geöffnet wird, oder dass eine sehr Knochenlamelle oder Schleimhautbrücke die Kieferhöhle verschließt. In solchen Fällen sollte der komplette Verschluss abgewartet werden, bis wieder getaucht wird, weil ein Barotrauma sonst zu Problemen führen kann.
Masken-Barotrauma
Tauchmasken und Schwimmbrillen besitzen ebenfalls luftgefüllte Bereiche, die auf Druckdifferenzen reagieren. In der Maske kann es zu einem Barotrauma der Haut und der Augen kommen. Die Luft in der Tauchmaske folgt den physikalischen Gesetzen und wird während der Abtauchphase komprimiert. Dadurch entsteht ein Unterdruck. Die Folge: Die Maske wird mit zunehmender Tiefe immer fester an das Gesicht gepresst. Aufgrund der damit verbundenen Sogwirkung kann es zu ausgeprägten Blutergüssen der Gesichtshaut, an den Bindehäuten des Auges sowie der Augenlider kommen. Auch Blutungen der Nase kommen vor. Obwohl es nach derzeitigem Kenntnisstand am Auge nicht zu ernsten Schädigungen kommt, kann eine Vorstellung beim Augenarzt empfehlenswert sein.
Maske zur Vorbeugung verwenden
Zur Vorbeugung sollte mit zunehmender Tauchtiefe über die Nase regelmäßig Atemluft in den Maskenraum abgeben, um einen Druckausgleich herbeizuführen. Schwimmbrillen, die die Nase nicht mit einschließen, sind zum Tauchen nicht zu empfehlen. Im Rahmen einer kleinen Studie konnten bei Verwendung von Schwimmbrillen bis zu zwei Metern Tauchtiefe keine Schäden im Sinne eines Barotraumas beobachtet werden. Für normale Tauchgänge oder im Apnoe-Bereich sind diese Brillen aber vollkommen ungeeignet und sollten nicht verwendet werden.
Unsere TAUCHEN-Medizinexperten: TAUCHEN-Medizinerteam
Prof. Dr. Claus-Martin Muth
Muth ist Facharzt für Anästhesiologie und Notfallmedizin, er arbeitet in Ulm.
PD Dr. Tim Piepho
Der Facharzt für Anästhesiologie und Notfallmedizin ist an der Uniklinik in Mainz tätig.