Trendsportarten wie Functional Training, Yoga oder Indoor-Cycling werden immer beliebter. Es ist sicherlich kein Geheimnis, dass sich die damit verbundenen Trainingseinheiten positiv auf Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit der Sportler auswirken. Bei Tauchern gewinnt man manchmal den Eindruck, dass solche Trends auf wenig Resonanz stoßen. Absolut unverständlich, denn ein guter Fitnessgrad trägt nicht nur dazu bei, weniger Luft zu verbrauchen, sondern verringert auch die Wahrscheinlichkeit eines Deko-Unfalls. Fitness kann also unter Umständen auch Leben retten – das eigene und das des Tauchpartners.
Luftverbrauch
Der individuelle Luftverbrauch beim Tauchen hängt von sehr vielen Faktoren ab. Der körperliche Trainingszustand ist dabei sehr wichtig. Die Muskulatur „lernt“ durch den Trainingsreiz und wird harmonischer und effizienter bei der Bewegung. Gleichzeitig verbessert sich die Verstoffwechselung des Sauerstoffs, und die Energie wird effizienter genutzt. Mit dem Training werden Belastungen zunehmend leichter bewältigt. Ein weiterer positiver Effekt für das Kreislaufsystem: Die arbeitende Muskulatur ist besser durchblutet, das Herz schlägt mit zunehmender Fitness ökonomischer und weniger schnell, und auch die Atmung ökonomisiert sich. Kurz: Es braucht erheblich mehr Anstrengung, um einen Trainierten aus der Puste und ins Herzrasen zu bringen, als einen Untrainierten. Der unsportliche Taucher ist in diesem Fall schon erheblich früher im „roten Bereich“.
Führt bereits der normale Flossenschlag beim Tauchen ohne Strömung dazu, dass ein Taucher ins Schnaufen kommt, ist der Luftverbrauch meist deutlich erhöht und die Flasche entsprechend früher leer. Möchte man also diesen Luftdurst verringern, so ist ein Fitnesstraining ein sinnvolles Instrument dafür. Dabei reicht meist ein moderates, aber regelmäßiges Training.
Auch Krafttraining ist unbedingt zu empfehlen, aber: Übertriebene Muskelberge sind nicht nur vollkommen unnötig, sondern erhöhen durch den hohen Grundumsatz der Muskulatur auch den Sauerstoffverbrauch.
Dekoempfindlichkeit
Taucher, die gut ausdauertrainiert sind und damit weniger dekompressionsbedingte Gasblasen produzieren, sind unempfindlicher gegen Dekompressionsstress. In der Tauchmedizin gilt also schon seit Längerem als nachgewiesen, dass Menschen mit einem guten Trainingszustand und regelmäßiger sportlicher Betätigung seltener einen Dekompressionsunfall erleiden als Sport-Abstinenzler. Es konnte in Versuchen mit Probanden gezeigt werden, dass die absolute Zahl an dopplersonografisch nachgewiesenen Gasbläschen nach identischen Tauchgängen in einem direkten Zusammenhang mit dem Trainingszustand des Probanden steht. Dazu wurde bei den Versuchspersonen die maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit (abgekürzt: VO2max) bestimmt, die als ein sehr guter und objektiver Parameter für den Trainingszustand und die Leistungsfähigkeit eines Menschen gilt (siehe Grafik).
Natürlich gibt es hier auch plausible Erklärungen: Wer größere Reserven bei Kraftanstrengungen hat, wird einen geringeren Anstieg des Blutdrucks, der Herzfrequenz sowie der Atmung haben. Somit nimmt ein Sportler vergleichsweise weniger Stickstoff auf. Durch die bessere Durchblutung des Gewebes beim Trainierten kommt es seltener zu einer kritischen Übersättigung dieses Inertgases. Inzwischen gibt es weitere Erklärungsansätze für diesen Effekt auf das Dekompressionsrisiko. Ganz offenbar spielen biochemische, physiologische und molekularbiologische Prozesse eine Rolle, die komplex sind, aber durch Training und Belastung ausgelöst werden und die Blasenbildung beeinträchtigen.
Muskelkater & Flüssigkeitsverlust
Ambitionierte Athleten müssen allerdings aufpassen: Es gibt auch sportbedingte Risikofaktoren im Hinblick auf die Dekompression! Muskelkater und Tauchen vertragen sich wegen des erhöhten Dekompressionsrisikos nicht. Damit sollte am besten gar nicht, oder wenn dann sehr konservativ (Tauchgang flach und kurz, keine Wiederholungstauchgänge) getaucht werden. Dokumentierte Tauchunfälle, in denen Ausdauersport vor dem Tauchen, der eigentlich als „schützend“ gilt, zum Unfall geführt hat, sind ein klarer Beweis dafür. Ein weiteres Problem von sportlichen Aktivitäten vorm Tauchgang: Durch die Ausdauerbelastung und die damit verbundene vermehrte Schweißproduktion kommt es zu größeren Flüssigkeitsverlusten. Wird dieses Defizit vor dem Tauchen nicht vollständig ausgeglichen, gibt es Probleme. Daher ist nach intensivem Ausdauersport vor dem Tauchen auf einen ausreichenden Flüssigkeitsausgleich zu achten!
Damit nicht genug: Auch nach einem Tauchgang kann es durch körperliche Anstrengung ein Problem mit dem Stickstoff geben. Um eine solche Gefährdung zu vermeiden, sollte daher nach derzeitigem Kenntnisstand in den ersten Stunden nach dem Tauchen intensive körperliche Belastung vermieden werden. Natürlich ist es nicht immer möglich, diesen Ratschlag zu befolgen, da es Tauchplätze gibt, die nach dem Tauchgang mit anstrengenden Strapazen verbunden sind. In solchen Fällen sollte vorher konservativer getaucht werden.
Dichte der Atemgase macht Lufthunger
Woher kommt überhaupt der Lufthunger? Mit steigender Tauchtiefe nimmt die Dichte der Gase zu. Dadurch erhöht sich die Atemarbeit und die Atmung läuft weniger effektiv. Dabei kommt es zwangsläufig zu einem Anstieg von Kohlendioxid im Blut, das nicht adäquat abgeatmet werden kann. Die Folge ist Lufthunger und eine damit verbundene mögliche Panik. Dieser Prozess wird durch körperliche Anstrengung und die dadurch gesteigerte Atmung verstärkt. Erneut verhält es sich so, dass der Trainierte diese Effekte erst deutlich später als anstrengend empfindet. Außerdem arbeitet beim Sportler die Atemmuskulatur effektiver, sodass der oben beschriebene Effekt erst später oder in deutlich größeren Tiefen auftritt.
Strömung
Strömungen kommen manchmal unerwartet und können zu starkem Stress führen: Wenn aus einem gemächlichen Dahingleiten plötzlich ein Kampf gegen das Wasser wird, gibt es häufig kritische Situationen. Hier hat es leider vermeidbare Todesfälle gegeben, die mit einem halbwegs guten Trainingszustand nicht zur Katastrophe geführt hätten. Dazu kann es auch kommen, wenn man den Tauchgang falsch plant und deutlich zu spät an den Rückweg denkt. Auch in diesem Fall trägt ein gewisser Grad an körperlicher Fitness dazu bei, das Ufer oder das Tauchboot wohlbehalten zu erreichen. Und schließlich ist Tauchen ja nicht ohne Grund ein Partnersport, denn im Falle des Falles soll einem verunfallten Tauchpartner Hilfe geleistet werden. Die Rettung des Buddys aus der Tiefe an die Oberfläche sowie der schwimmende Transport zum Ufer oder zum Boot ist mit einer erheblichen körperlichen Anstrengung verbunden.
Wie misst man Fitness?
Neben einfachen Methoden wie dem Belastungs-EKG gibt es verschiedene Methoden, mit denen äußerst genau der optimale Trainingsbereich für die einzelnen Sportler ermittelt werden kann. Mit der Messung der maximalen Leistungsfähigkeit kann das Training gezielter gestaltet und die Leistungssteigerung im Verlauf kontrolliert werden. Hierzu ist es notwendig, auf standardisierte Tests zurückzugreifen, die meist auf einem Laufband- oder Fahrradergometer gecheckt werden. Allerdings gibt es auch Spezialergometer, die für den Schwimmsport an einzelnen Wettkampfstützpunkten vorhanden sind und die die Leistungsfähigkeit der sportartspezifisch belasteten Muskulatur testen können. Mittels Analyse der Aus-atemluft bei unterschiedlicher Belastung (Spiroergometrie) kann die Atemfrequenz, das Atemminutenvolumen und auch die Kohlendioxidabgabe gemessen werden. Zudem wird die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) bestimmt, die angibt, wie viel Milliliter Sauerstoff der Körper während einer höchstmöglichen Belastung maximal pro Minute verwerten kann. Mit Hilfe dieser Parameter wird dann das Training optimal gestaltet.
Durch kleine Blutentnahmen im Ohrläppchen wird während der Ergometrie zusätzlich der Laktat-Wert bestimmt. Dieser ist erhöht, wenn eine Belastung für den Körper zu hoch ist und der notwendige Sauerstoffbedarf durch die maximal mögliche Sauerstoffaufnahme nicht mehr gedeckt werden kann. In der Sportmedizin wird dieser Wert als individuelle anaerobe Schwelle bezeichnet. Im weiteren Trainingsverlauf kann dann mit kleinen Messgeräten (ähnlich den Blutzuckermessgeräten) der Laktat-Wert jederzeit kontrolliert und der Belastung angepasst werden.
Das richtige Training
Wie bereits erwähnt, profitiert grundsätzlich jeder Mensch von regelmäßiger, der individuellen Leistungsfähigkeit und Gesundheit angepasster sportlicher Betätigung. Und da ein gewisser Trainingszustand sicher keinem Taucher schadet, stellt sich die Frage nach dem geeigneten Training. Hier kommen alle Ausdauersportarten in Frage, gerne gepaart mit moderaten Kraftübungen im Fitness-Studio. Für eine sinnvolle Grundfitness darf natürlich gerne auch gejoggt, geradelt, geskatet werden – oder was auch immer individuell bevorzugt wird. Denn all das hat auch über das Tauchen hinaus positive Effekte auf den Körper.
Das Schwimmen ist ein idealer Ausdauersport, der die Gelenke schont und viele Muskelgruppen des Körpers fit hält. Speziell für das Tauchen ist ein regelmäßiges Training mit Flossen ideal. Im Gegensatz zu den Ausdauersportarten an Land wird außerdem besonders die Atemmuskulatur trainiert: Dadurch dass der Schwimmer teilweise ins Wasser eintaucht, werden die Effekte der Immersion, also der Atemarbeit, erhöht. Durch regelmäßiges Flossenschwimmen wird außerdem der für das Tauchen wichtige spezifische Bewegungsablauf geübt und die Muskulatur gezielt und speziell trainiert. Optimal sind daher für Taucher längere regelmäßige Trainingseinheiten mit Flossen, Schnorchel und Maske.
Falls sich ein interessierter Taucher fragt, wo man regelmäßig trainieren kann, sollte man beim örtlichen Tauchclub, der DLRG oder Wasserwacht nachfragen. In Österreich ist die Anlaufstelle der ÖWR. Schweizer Taucher können bei der SLRG nachfragen oder auch bei gewerblichen Tauchausbildern, wenn diese über regelmäßige Schwimmbadzeiten verfügen.
Fazit: No Sports? Fitnessmuffel sollten ihre Passivität überdenken, denn Taucher müssen aus Sicherheitsgründen mehr als andere Sportler auf ihre Kondition achten. Im Notfall müssen Taucher fit genug sein, nicht nur sich, sondern auch dem Buddy in einer Notsituation zu helfen.
UNSERE EXPERTEN
Prof. Dr. Claus-Martin Muth
Muth ist Facharzt für Anästhesiologie und Notfallmedizin, er arbeitet in Ulm.
PD Dr. Tim Piepho
ist Chefarzt für Anästhesiologie am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier.