TEXT: Prof. Dr. med. Claus-Martin Muth & PD Dr. med. Tim Piepho
Tiefenrausch
Der »Tiefenrausch« (Fachausdruck »Inertgas-Narkose«) hängt vor allem vom Teildruck des eingeatmeten Stickstoffs ab. Bei Luft als Atemgas ist ab einer Tauchtiefe von zirka 30 Meter mit dem Auftreten von Symptomen zu rechnen, die mit größerer Tiefe weiter zunehmen.
Bei etwa 60 Meter Tiefe sind in der Regel deutliche Symptome vorhanden. Die Symptomatik ähnelt einem Lachgasrausch und beginnt mit Aufmerksamkeits- und Erinnerungsdefiziten sowie zunehmenden Verhaltensänderungen und geht bis zum Verlust der Kritikfähigkeit oder Panikreaktion mit akuter Gefährdung des Tauchers.
Bei sehr großer Tiefe kommt es schließlich zur Bewusstlosigkeit und zum Tod durch Ertrinken. Weitere Faktoren beeinflussen vor allem die Psyche: Bei Angst, in einem sehr trüben, dunklen und kalten Gewässer oder bei Verlust von Orientierungspunkten (»Blauwasser«) ist wesentlich früher mit dem Eintreten von Symptomen zu rechnen als in einem sehr klaren Tauchgewässer.
Bemerkt man Symptome einer Inertgas-Narkose bei sich selbst oder beim Tauchpartner, sollte kontrolliert mit dem Aufstieg begonnen werden. Mit dem Aufsuchen geringer Tauchtiefen verschwinden die Anzeichen wieder.
Sauerstoffvergiftung
Die Sauerstoffvergiftung betrifft in ihrer akuten Form ebenfalls das Gehirn. Hier kann Sauerstoff bei höheren Teildrücken einen epileptischen Anfall mit generalisierten Krämpfen auslösen. Relevant ist vor allem die Kombination aus Einwirkzeit und Sauerstoffteildruck.
Die Gefahr eines sauerstoffbedingten Krampfanfalls steigt ab zirka 1,6 bar Sauerstoffpartialdruck drastisch an. Bei einem Sauerstoffteildruck über 3,0 bar krampfen die meisten Menschen.
Der als kritisch angesehene Sauerstoffteildruck liegt daher bei Werten zwischen 1,4 und 1,6 bar. Während beim Tauchen mit Luft ein Sauerstoffteildruck von 1,6 bar erst bei einer Tauchtiefe von über 66 Meter erreicht wird, ist dieser Grenzwert bei Verwendung zum Beispiel eines Nitrox-Gemischs mit 40 Prozent Sauerstoffanteil schon bei 30 Meter erreicht.
Aufgrund der variablen Sauerstoffanteile in den Gemischen beim Nitrox-Tauchen muss daher vor jedem Tauchgang die jeweilige Maximaltiefe für das verwendete Gasgemisch berechnet werden. Es handelt sich dabei um eine absolute Grenze, die nicht überschritten werden darf!
Hirnschäden
Seit zirka 30 Jahren werden auch Hirnschäden durch das Tauchen diskutiert, da zu dieser Zeit bei Tauchern deutlich mehr bestimmte Veränderungen des Gehirns gefunden wurden als bei Nicht-Tauchern. Eine bis dahin unbekannte Erkenntnis.
Die Befunde zeigten sich bei dem damals noch sehr neuen Verfahren »MRT« (Magnetresonanztomografie) durch weiße Flecken in Hirnschnittbildern, die sich mit den bisherigen Untersuchungsverfahren (Röntgen, »CT« Computertomografie, Ultraschall) nicht darstellen ließen.
Rasch wurde der Verdacht geäußert, dass es sich hier um Gefäßverschlüsse durch kleinste Gasbläschen handeln könnte: zu klein, um eine Symptomatik wie bei einer Gasembolie zu verursachen, aber groß genug, um diese Veränderungen hervorzurufen.
Im Verlauf zeigte sich, dass bei jenen Tauchern, die viele weiße Flecke aufwiesen, auch ein größeres »PFO« (Persistierendes Foramen Ovale) nachweisbar war, also eine Öffnung in der Scheidewand der Herzvorhöfe, die unter bestimmten Umständen, etwa beim Pressen, Husten und vielem mehr kleinste Gasbläschen in die arterielle Strombahn übertreten lässt.
Bis heute ist nicht endgültig geklärt, ob diese weißen Flecken einen Krankheitswert haben oder auf Dauer symptomlos bleiben.
Gasembolien
Einer der schlimmsten denkbaren Zwischenfälle beim Tauchen, der das Gehirn betrifft, ist die zerebrale arterielle Gasembolie (»CAGE«). Die typische Ursache ist eine Überblähung der Lunge mit Einreißen von Lungengewebe durch sich ausdehnendes, nicht abgeatmetes Atemgas beim Auftauchen.
Dabei kann Gas direkt in arterielle Gefäße eindringen, was zu Gasembolien in die Organe (AGE = arterielle Gasembolie) führt, wo Gasbläschen die kleinsten Gefäße verstopfen und die Versorgung der Gewebe behindern oder sogar völlig verhindern.
Grundsätzlich kann jedes Organ betroffen sein. Gasbläschen in den Hirngefäßen sind aber besonders kritisch, da sie wie bei einem Schlaganfall zu Nervenausfällen unterschiedlichster Ausprägung führen.
Die Symptome können von relativ mild (zum Beispiel hängender Mundwinkel, verminderte Kraft in einer Hand) bis zur völligen Lähmung einer Körperhälfte reichen, oder zur Bewusstlosigkeit bis hin zum Herz-Kreislauf-Stillstand führen.
Die wichtigste Erste-Hilfe-Maßnahme bei Verdacht auf eine AGE ist neben der raschen Rettung aus dem Wasser die Gabe von Sauerstoff (möglichst 100 Prozent) und die schnellstmögliche Behandlung in einer Therapiedruckkammer als einzig sinnvolle Maßnahme.