Wissen

TYPENfrage

Schnorchler, Wettkämpfer oder die Relaxten: Was sie vereint, und wie man das Optimum aus sich selbst herausholt, verrät Ihnen unser Apnoe-Profi.

Phil Simha; Karsten Mohr; Kohei Ueno;
Florian Fischer/Behind the mask (Titelbild)

TEXT: Nik Linder

Die Liebhaber

Zuerst sind da die Taucher, die beim Freediving das Naturerlebnis suchen. Das können Tierfreunde sein. Sie möchten Walen, Haien und Delfinen mit einem Atemzug näher kommen. Durch den angehaltenen Atem fühlen sich die Tiere weniger gestört als durch die Geräusche eines Atemreglers. Doch auch Wasserfreunde, die beim Schnorcheln länger im flachen Bereich das Riff erkunden möchten, gehören in die Kategorie der »Naturliebhaber«.

Die Entspannten

Die zweite Gruppe sucht die entspannte Art, unter Wasser zu sein. Hier wird großer Wert beim Apnoetauchen darauf gelegt, Körper und Geist zu entspannen. Unter Berücksichtigung von Meditations- und Atemtechniken ist der Ausflug unter Wasser kürzer als mit Tauchgerät, aber meist erheblich entspannter. Auch Gerätetaucher, die im Wasser ruhiger bleiben möchten und durch einen Apnoekurs ihren Luftverbrauch verringern wollen, gehören zur Gruppe der »Entspannungssuchenden«. 

© Phil Simha – In Apnoe- und Relaqua-Kursen suchen die meisten Teilnehmer neben den ersten Apnoe-Eindrücken vor allem die Entspannung – und weniger die Herausforderung nach Höchstleistungen.

Die Kämpfer

Die letzte Gruppe, die einen Apnoetauchkurs besucht, sucht die Herausforderung und möchte sich sportlich betätigen. »Wie tief kann ich mit einem Atemzug tauchen? Wie lange kann ich ohne Luft sein? Und wie weit komme ich mit einem Atemzug?«

Die Leistungen der Athleten sind unglaublich: Mit einem Atemzug schaffen es die Besten, 130 Meter tief aus eigener Kraft zu tauchen. Zu ihnen zählen Alenka Artnik, Alessia Zecchini und für uns in Deutschland besonders erfreulich: Jennifer Wendland, die bei allen relevanten Wettbewerben um die Spitzenplätze kämpft. Vermutlich sind die Rekorde zum Zeitpunkt des Erscheinungstermins dieses Beitrags schon wieder veraltet, denn derzeit finden wieder jede Menge Wettbewerbe statt.

Schaut man sich die drei Personengruppen an, die sich für das Apnoetauchen interessieren, so sind deren Merkmale im ersten Moment nicht miteinander vereinbar. Wie kann ich entspannt sein, wenn ich mich dem Leistungsdruck eines Wettkampfs aussetze? Was habe ich für ein Naturerlebnis, wenn ich in erster Linie die Herausforderung, möglichst tief, weit oder lang zu tauchen, suche? Auf den zweiten Blick passen die Bereiche aber doch gut zusammen. Die Leistung muss entspannt erbracht werden.

Im Leistungssport gilt die Formel »Leistung=Potential-Störung«. Damit ist gemeint, dass wir noch so viel Potential durch Training, Willenskraft, Ausdauer und vieles mehr schaffen können, doch wenn wir uns zu leicht »stören« lassen, können wir unsere Leistung nicht abrufen. Entspannt Leistung zu bringen, beherrschen erfolgreiche Apnoetaucher besonders gut. Und das Naturerlebnis? Lassen Sie es mich so sagen: Wer lernt, lange, tief oder weit zu tauchen, schafft zugleich die Grundlage, in dieser Zeit länger unter Wasser zu bleiben, um beispielsweise mit Schildkröten, Haien oder Walen zu interagieren. So kann er das Naturerlebnis entsprechend lang auskosten. 

© Kohei Ueno – Jennifer Wendland, Meisterin der Entspannung. Nur wer unter den schwierigen Bedingungen eines Wettbewerbs einen kühlen Kopf bewahrt, kann Leistung abrufen.

Warum man sich manchmal selbst herausfordern sollte

Wer sich ein erreichbares Ziel setzt, startet eine persönliche Herausforderung. Man bildet sich weiter und trainiert, um seine Fähigkeiten zu verbessern und um das Ziel zu erreichen. Bessere Fertigkeiten im Wasser vergrößern den Spielraum. So kann man lernen, statt nur 30 Sekunden künftig ein bis zwei Minuten zu tauchen. Wer beim Schnorcheln bislang nur fünf Meter tief getaucht ist, könnte lernen, zehn Meter tief zu tauchen. So wird der persönliche Wohlfühlbereich stetig erweitert. Der Spielraum kann genutzt werden, um länger die Unterwasserwelt zu genießen oder einfach sicherer zu tauchen. Mit den Fähigkeiten wächst das Selbstbewusstsein, wodurch sich Angst und Unwohlsein verringern. 

Wie kann ich mich steigern? 

Ein Kurs oder Training unter fachlicher Anleitung bringt den größten Nutzen. Neue Impulse und Tipps helfen, das eigene Ziel schneller zu erreichen. Manch einer ist sogar ganz überrascht, welche unentdeckten Potentiale in ihm stecken. So ist das Feedback nach einem Apnoekurs meistens, dass man sich seine eigene Leistung vorher nicht zugetraut hätte.

Nach dem Kurs oder der professionellen Einweisung durch einen Trainer ergibt es Sinn, an den neuen Fertigkeiten weiterzuarbeiten, indem man trainiert. Hierbei wird nicht nur die Technik verbessert, sondern auch die eigene Fitness. Bitte nicht vergessen: Bei allem, was unter der Wasseroberfläche geschieht, gilt: »Tauche nie allein!« Es sollte also unbedingt jemand dabei sein, der einen sichert. Trainingserfolge stellen sich sehr schnell ein. Aber natürlich gilt auch im Apnoesport: Mehr Training bringt nachweislich den größeren und schnelleren Erfolg.

© Phil Simha – Training und Ausbildung helfen, das eigene Ziel zu erreichen.

Störungen vermeiden – den inneren Schweinehund zur Ruhe bringen

Die Formel lautet »Leistung=Potential-Störung«. Die Leistungen in den Apnoekursen sind auch deshalb groß, weil der Instruktor versucht, die mentale Entspannung dadurch zu erreichen, dass er/sie den Leistungsgedanken beiseite schiebt. Es gibt zwar »Störungen« von außen. Meist sind es aber innere Faktoren, die den größten Stress verursachen: Zweifel, Ängste und Aufregung. Doch wie bekommt man diese in den Griff? Die folgenden Tipps können Ihnen dabei helfen: 

1. Sprechen Sie freundlich mit sich und beruhigen Sie sich: »Du bist gut vorbereitet. Bleib ruhig, du bist entspannt.«  

2. Setzen Sie einen Konzentrationspunkt: Man kann seinem Gehirn nicht befehlen, nicht zu denken. Hingegen gilt der Spruch: »Denken musst Du sowieso, dann denk halt an etwas Positives.« Automatische und meist negative Gedanken verschwinden, wenn man sich auf seine Atmung oder einen Bodyscan konzentriert.

3. Konzentrieren Sie sich auf die saubere Ausführung der Technik. Auch das wird wenig Raum für negative Gedanken lassen.

Mit Zuversicht nach vorne schauen und aus Rückschlägen lernen

Wer sich in einem Wettbewerb stellt, stellt sich auch der Möglichkeit des Scheiterns. Das gilt für Wettkampfsportler, aber auch für meinen ganz persönlichen Wettkampf. Je weiter man kommt, desto wahrscheinlicher ist auch ein Misserfolg. Auch Jennifer Wendland musste bis zu ihrem Weltrekord Rückschläge verkraften. Entscheidend ist, dass man aus dieser Erfahrung etwas für die Zukunft lernen kann. Noch wichtiger ist, dass einen ein Misserfolg nicht aus der Bahn wirft, sondern man positiv nach vorne schaut und weiterhin an sich glaubt. >

Tipp von Karsten Mohr 

Erfolgreiche Apnoetaucher sind Meister der Entspannung. Jeder Sportler nutzt dabei seine eigene Technik. 

Der WM-Teilnehmer Karsten Mohr
empfiehlt Folgendes: 

Meine »3 Quick Fixes«

– Spüre Deine Bauchatmung.

– Spüre den Atem durch Deine Nase.

– Spüre Deine Hände und Füße.

»Klingt banal und simpel, dieses Grundkonzept. Wer dran bleibt, profitiert und wird immer mehr über sich selbst und weitere Techniken lernen. Gute Lehrer auf dem Weg, inneren Frieden zu kultivieren, sind unabdingbar. Aus der QuickBox oder einem Buch heraus kann man sich inspirieren. Aber unbewusste Automatismen werden einen immer wieder in den alten Trott zurückholen wollen.«

@ Karsten Mohr – Der ehemalige Wirtschaftsingenieur Karsten Mohr betreibt eine Freediving-Schule auf der Kanareninsel El Hierro.

Was Gerätetaucher von Apnoetauchern lernen können!