Er ist gelernter Schauspieler, Gelegenheitsautor, Dokumentarfilmer und noch viel wichtiger: einer, der die Dinge beim Namen nennt. Hannes Jaenicke ist in Deutschland einer der wenigen Prominenten, der seine Popularität für den Umweltschutz einsetzt. Dafür erntet er nicht immer nur Lob, seine Kritiker nennen ihn gern den „Indianer Jones der Mülltrenner“, Gut-Mensch oder „Vielflieger gegen den Klimawandel“. Manche beschreiben seinen Umweltaktivismus als reine PR oder sprechen ihm eine Profilneurose zu. Ja, er haut beim Thema Umwelt gerne drauf, nimmt kein Blatt vor den Mund und stößt einigen Menschen vor den Kopf. Das ist aber keine Masche, Hannes Jaenicke ist emotional, voller Energie und mutig.
TAUCHEN: Woher kommt deine Liebe zum Meer?
Hannes Jaenicke: Die Natur, vor allem das Meer, gibt mir einfach sehr viel Kraft. Wasser ist unser Urelement, wir kommen aus dem Meer, daher vielleicht auch die Sehnsucht des Menschen nach dem Ozean, See oder Fluss. Und ohne das Element Wasser gäbe es keinerlei Leben auf unserem Planeten.
Was für Wassersportarten betreibst du?
Hannes Jaenicke: Ich habe in den 80er-Jahren mit dem Wellenreiten angefangen. Mittlerweile kite und segle ich noch. Aber das Wellenreiten ist meine große Leidenschaft, da es meiner Meinung nach etwas sehr Philosophisches hat und so unglaublich reduziert ist. Man braucht nur das Bord und eine Welle. Die meiste Zeit wartet man auf die Welle und blickt aufs Meer – Meditation in unserer hektischen Welt.
Wie interpretierst du das Thema Nachhaltigkeit in deinem Alltag?
Hannes Jaenicke: Ehrlich gesagt, bin ich ein absoluter Kaffee-Junkie. Ich schaffe auch locker so 20 Espressos am Tag. Aber ich habe immer meinen eigenen Becher dabei. Schon seit Jahren benutze ich keine To-Go-Becher mehr. Es ist unglaublich: Nur in Deutschland verballern wir pro Stunde 380 000 von diesen unnötigen Dingern! Ich habe auch fast immer einen Stoffbeutel dabei, auch wenn es heißt, sie haben eine schlechte CO₂-Bilanz. Der Trick ist: Man muss sie einfach nur viel länger benutzen. Wann immer es geht, wähle ich das Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel. Leider lässt es sich durch meine Filme und Dokumentationen nicht vermeiden, dass ich relativ viel fliege. Meine persönliche CO₂-Bilanz könnte man deshalb auch als Katastrophe bezeichnen – das gebe ich auch ehrlich zu. Aber die Alternative wäre, die Dokumentationen nicht mehr zu drehen. Weil wir damit aber selbst im altmodischen Fernsehen noch ein Millionenpublikum erreichen und etwas in den Köpfen der Zuschauer bewegen können, kann ich nicht darauf verzichten. Ein Beispiel: Ich habe eine Doku über das Aussterben der Haie gemacht, daraufhin haben Rewe und das KaDeWe, alle Hai-Produkte wie Schillerlocken aus dem Programm genommen!
Hannes, was läuft schief auf unserer Erde?
Hannes Jaenicke: Was mich wirklich ärgert, ist, dass wir unseren Wohlstand auf dem Rücken der Dritte-Welt- und Schwellenländer erwirtschaften. Und dass Umsatz und Profit die Wirtschaft antreibt. Man muss kein Intellektueller sein, um zu verstehen, dass T-Shirts für 2,99 Euro nicht sauber produziert sein können. Neben den sozialen Ungerechtigkeiten gibt es dann noch die Umweltprobleme, hier läuft sowieso alles schief! Der Industrie ist es eigentlich völlig egal, was mit der Umwelt passiert, und der Politik auch. Ich meine, wir kriegen ja noch nicht einmal ein Tempolimit hin in Deutschland. Warum gibt es noch keine Plastik- und CO₂-Steuer? Eigentlich ist das Konzept doch ganz einfach: Wer die Umwelt versaut, muss dafür bezahlen. Wer sie schont, wird belohnt! Aber das größte Problem ist der Lobbyismus.
Warum der Lobbyismus?
Hannes Jaenicke: Weil die Auto-, Banken-, Pharma-, Agrar- und Chemie-Lobby die Welt regieren. Ein Herr Scheuer, Dobrindt oder Ramsauer sind eigentlich nur noch Attrappen – Marionetten der Auto-Lobby.
Haben wir mit der Politik und der Lobby die Schuldigen gefunden?
Hannes Jaenicke: Nein, da gibt es noch uns, die Verbraucher, die auch ganz viel falsch machen. Warum sitzen immer noch so viele Leute jeden Tag im Stau, statt sich aufs Fahrrad zu setzen oder mit der Bahn zu fahren? Warum sind über ein Fünftel der Neuzulassungen SUVs? Wer in Berlin, Hamburg oder München braucht wirklich einen Geländewagen, um im Stau zu stehen? Und immer noch kauft kaum einer ein Elektro-Auto. Ich fahre seit fünf Jahren ein Elektro-Auto. Wir Elektro-Fahrer winken uns auf der Straße noch zu – so sieht die Realität in Deutschland aus! Wir kaufen Plastik ohne Ende. Die Deutschen sind mittlerweile Europameister in der Produktion von Verpackungsmüll. Es gibt immer noch viel zu viele Menschen, die Wasser in Plastikflaschen kaufen, und dass obwohl 96 Prozent des deutschen Leitungswassers sauberer sind als gekauftes Mineralwasser. Sobald das Wasser in PET-Flaschen abgefüllt wird, ist es mit Hormonen und Weichmachern belastet. Ärzte empfehlen Müttern nicht ohne Grund, Babynahrung mit Leitungswasser anzumischen. Es ist das am besten überwachte Lebensmittel in Deutschland. Trotzdem verballern wir in Deutschland circa zehn Milliarden PET-Flaschen pro Jahr! Das kann einfach nicht sein! Also, es machen alle was falsch, die Politik macht nichts oder lässt sich von der Industrie kaufen und der Verbraucher ist einfach zu bequem. Insofern, es gibt genug Baustellen.
Glaubst du wirklich, wir können diese Probleme lösen?
Hannes Jaenicke: Aufgeben wäre ja die einfachste und bequemste Lösung. Ich komme eigentlich aus Köln und durfte als Kind weder meinen Finger noch meinen Zeh in den Rhein halten. Der Fluss war eine Gift-Brühe. Jetzt kann man wieder im Rhein baden! Es gibt so viele positive Beispiele, deshalb lohnt es sich auch zu kämpfen. Und außerdem, es macht auch richtig Spaß, sich zu engagieren! Wir Verbraucher müssen einfach endlich kapieren, unseren Geldbeutel als Sabotage- und Druckmittel einzusetzen. Wenn ich es scheiße finde, wie H&M seine Klamotten produziert, dann kaufe ich sie woanders. Wir haben alle eine große Macht und die einzusetzen, macht Spaß!
Ein nachhaltiges Leben führen klingt auch etwas anstrengend, oder?
Hannes Jaenicke: Nö, ist es nicht, es ist ganz einfach. Laut einer Studie von Boston Consulting kann jeder Bürger in der industrialisierten Welt 150 umweltrelevante Entscheidungen täglich treffen. Du kannst nur bei dir selber anfangen. Das wichtigste ist: bleib wach und neugierig, und geh mit gutem Beispiel voran.
Das Interview führte Chefredakteurin Jasmin Jaerisch.
Zur Person
Hannes Jaenicke hat bereits drei Bücher geschrieben. In seinem neuesten „Aufschrei der Meere“ geht es um die Bedrohung der Ozeane und wie wir sie schützen können. Auch im Dokumentarfilmbereich ist für 2020 einiges geplant: Hannes berichtet über das Geschäft der Lachsfarmen und wie sehr die Pinguine vom Schmelzen der Antarktis bedroht sind.