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Tipps zum sicheren Strömungstauchen

Driftdives oder Strömungstauchen ist für viele Taucher das Nonplusultra. Für Anfänger und ängstliche Gemüter ist der Kontrollverlust ein Alptraum. Wir zeigen Ihnen, worauf Sie achten müssen.

„Wow, das ging aber ab!“ Das hört man oft nach Tauchgängen in der Strömung. Ist das gut oder schlecht? Das ist nicht immer offensichtlich, denn beim Thema Strömung liegt beides oft nahe beieinander. Denn zum einen gleitet man mit Tempo und ohne Anstrengung durch die Unterwasserlandschaft, zum anderen kann sich diese Leichtigkeit schnell ins Gegenteil verwandeln, wenn man sich nicht mehr treiben lässt, sondern versucht, gegen die Strömung anzuschwimmen. Und wer wie ein Fähnchen im Wind an der Ankerleine hängt und weiß, dass er mächtig Ärger hat, wenn er loslässt, dessen „Wow, das geht aber ab!“ wird dann schnell verstummen. 


UW-Zeichen für Strömung: Faust oder Fingerspitzen gegen die Handfläche halten (Foto: Wolfgang Pölzer).

 

Was macht den Reiz aus

Beide Aspekte machen aber den Reiz des Strömungstauchens aus, denn in jedem Fall handelt es sich um das unmittelbare, körperlich fühlbare Erlebnis der Naturgewalt. Es ist die Lust an der Geschwindigkeit und am Schweben. Aber zugleich ist da dieser unterschwellige Aspekt des kontrollierten Risikos, verbunden mit dem Überwinden einer potenziellen Gefahr. Das ist ein wenig so wie Achterbahnfahren – aber eben mitten im Meer. Aber es gibt wohl noch eine weitere Erklärung für den Kick, den Strömungstauchgänge ermöglichen. Und der liegt in unserem Körper. Bei Tauchgängen in flacheren Bereichen – der Tiefenrausch droht ja erst ab etwa 30 Metern Tiefe – ist die Folge des Schwebezustands oft ein diffuses Wohlbefinden. Das kann einfach Ausdruck der Entspannung sein. Einige Wissenschaftler vermuten, dass der Schwebezustand eine Ausschüttung von körpereigenen Opiaten (Endorphine) bewirkt. Ein Effekt, der wahrscheinlich beim „Flug“ durch die Unterwasserwelt noch weiter verstärkt wird. 



Sich einfach treiben lassen?


Bei leichter Strömung schwimmt man gegen sie an und dreht bei der Hälfte der Luftmenge wieder um. Auf dem Rückweg zum Ankerplatz des Bootes taucht man mit der Strömung und wird weniger verbrauchen und hat also eine Sicherheitsreserve. Bei schwierigeren Tauchgängen kann man auch umkehren, wenn erst ein Drittel der mitgeführten Luft verbraucht ist. Das vergrößert die Reserve und kann hilfreich sein, falls man in einen Gegenströmung gerät. All das hängt von den Verhältnissen vor Ort ab. Meist muss man sich da auf das Wissen der Bootscrew verlassen. Und auch für die sind Strömungen nicht immer vorhersagbar. 


Die zweite Möglichkeit ist der klassische Driftdive, bei dem die Tauchgruppe vom Boot so abgesetzt wird und mit der Strömung treibt, bis die Luftreserve erreicht ist oder man am Spot vorbeigetrieben ist. Das bietet sich vor allem dort an, wo starke Strömungen herrschen, gegen die das Anschwimmen schwer oder unmöglich ist. Das Boot folgt hier der Tauchgruppe. 




Was bedeutet Essoufflement?

Gut zu wissen: Das ist das UW-Zeichen für „Außer Atem“.

Direkt übersetzt bedeutet Essoufflement „Außer Atem“. Wenn man unter Wasser gegen die Strömung ankämpft, kann es zum Essoufflement kommen: Die Sauerstoffaufnahme wird reduziert und gleichzeitig steigt die CO2-Konzentration (Hyperkapnie) im Blut an. Der pH-Wert des Blutes sinkt ab. Es kommt zu Vergiftungserscheinungen: Lufthunger, Schwindel, Übelkeit und Bewusstseinstrübungen. Die Situation kann nur erkannt werden, wenn beide Tauchpartner aufeinander achten. Rechtzeitig das Tauchzeichen „Außer Atem“ geben. Der dann entstehende Lufthunger und das Entgleisen der Atmung (da fühlt sich auch ein Hochleistungsautomat an, als würde man durch einen Strohhalm atmen) wird den Taucher meist zum Aufstieg zwingen. Gegenmaßnahmen: Buddy beruhigen. Tief ausatmen und das Tempo reduzieren. Langsam höhertauchen. Wird es nicht besser, den Tauchgang kontrolliert beenden.


So setzt man eine Boje


Bei Strömungstauchgängen muss jeder eine Boje dabei haben (Foto: Wolfgang Pölzer).

Die Strömungsboje, auch „Wurst“ genannt, ist das wichtigste Utensil bei Strömungstauchgängen. Wer damit umgehen kann, schickt sie schon während des Sicherheitsstopps zur Oberfläche. Spätestens dort muss man sie aber aufblasen, um seine Position für das Boot zu markieren. Es gibt noch eine andere Form der Anwendung. Bei dieser wird die Boje von einem Taucher der Gruppe an der Oberfläche hinter sich hergezogen und zeigt dem Boot ständig an, wo die Gruppe ist. Man schickt seine Boje mithilfe eines Reels nach oben. Durch dessen Leine hat man jetzt neben der Anzeige des Tauchcomputers eine Tiefenorientierung, die im Freiwasser sehr hilfreich ist. Die Strömungsboje gibt dem Boot auf diese Weise schon während die Taucher aufsteigen eine Orientierung. Wer diese Technik nicht beherrscht, bleibt nahe beim Guide, der das dann für die Gruppe macht. Auf sich allein gestellt, bläst man die Boje spätestens beim Erreichen der Oberfläche auf. Und die Boje selbst? Wichtigstes Konstruktionsmerkmal ist ein Einwegventil für den Lufteinlass. Das ist nötig, weil die Boje dann nicht durch ungeschickte Handhabung beim Aufstieg oder an der Oberfläche umkippen und einen Großteil der Luft verlieren kann. Aber auch ein automatisches Ablassventil – wie in einem Jacket – das aber auch manuell bedient werden kann – findet sich in geeigneten Bojen, damit beim Aufstieg die sich rasch ausdehnende Luft entweichen kann.


 

In manchen Regionen geht es nicht ohne Strömungshaken. Er hilft dabei an einer Stelle zu verweilen und ist auch beim Fotografieren sehr hilfreich (Foto: Wolfgang Pölzer).

Wie bremst man?


Um als Gruppe zusammenzubleiben, ist erhöhte Aufmerksamkeit nötig. Ist man zu schnell, hilft es oft, sich gegenüber der Strömung möglichst kleinzumachen. Warum ist das so? Meeresströmungen sind die Winde der Unterwasserwelt und deren Vortrieb ist geringer, wenn die Segelfläche entsprechend verkleinert wird. Ist man zu langsam, sollte man der Strömung mehr Fläche bieten, also eine eher senkrechte Position einnehmen.



TAUCHEN-Tipp

Bei Strömungstauchgängen an Riffen oder Steilwänden lohnt sich oft ein gelegentlicher Blick ins Blauwasser. Dort kreuzen häufig Schwärme und Großfische.


Kleine Strömungskunde


An den Riffwänden ist die Strömung meist schwächer, denn dort bricht sie sich an Überhängen, Vorsprüngen und am Bewuchs. Insofern ist es sinnvoll, sich möglichst nah am Riff zu halten. 


Aber Vorsicht! Auf dem Kamm des Riffes ist die Strömung oft stärker oder man muss mit einer heftigen Dünung rechnen. Hier hält man besser Abstand. Außerdem nehmen die Boote die Taucher nur in einigem Abstand zum Riff wieder auf, weil bei dieser Aktion der Motor zumindest ausgekoppelt sein muss und das Boot dann kurzzeitig manövrierunfähig ist und auf das Riff auflaufen könnte.
Oft werden die Strömungen auch mit zunehmender Tiefe schwächer. Das liegt daran, dass es tiefer meistens Hindernisse gibt, die die Strömungen ablenken. Verlassen kann man sich darauf aber nicht. An Riffen mit tiefen Steilabfällen kann die Tiefenströmung nicht nur stärker sein als im Flachwasser, sie kann auch in die entge-gengesetzte Richtung verlaufen. Hier kann man sich nur auf den Guide verlassen. Der Weg aus der Strömung heraus in die Tiefe ist ohnehin keine gute Idee, weil man bei Strömungstauchgängen die Nullzeiten so lange wie möglich halten sollte. Das ermöglicht im Notfall schnellere Aufstiege. Und je näher man bei dem Tauchboot auftaucht, desto größer ist die Chance, schnell bemerkt zu werden. Noch ein Tipp: Strömungen sind fast immer lokal begrenzt. Wenn man seitlich aus ihr herausschwimmt, kommt man oft in ruhigeres Wasser. Dass Strömungen nicht überall gleich sind, kann aber auch negative Auswirkungen haben, wenn es die Gruppe auseinanderzieht. 




TAUCHEN-Tipp

Bei Strömungstauchgängen ist die Bootscrew extrem gefordert. Taucher, die sich nicht an Absprachen und Zeitpläne halten, gefährden sich und andere Taucher.


Strömungsleinen halten die Gruppe zusammen (Foto: Wolfgang Pölzer).

Es herrscht Gruppendisziplin


Oft sind Teilnehmer an Strömungstauchgängen Gelegenheitstaucher, die dabei schnell an ihre Grenzen kommen. Das ist für die Guides oft ein ziemlicher Stress. Vor allem, wenn erfahrene Taucher ungeduldig werden und sich selbstständig machen. Das kann zu gefährlichen Situationen führen. Eine Trennung von der Gruppe wird darum in den meisten Situationen als Regelverstoß betrachtet. Das liegt auch daran, dass das Tauchboot in vielen Fällen den Blasen der Gruppe folgt, um während des Drifts einzelne Taucher aufzunehmen oder um das ganze Team am Ende der Strecke wieder sicher an Bord zu bringen.


Die Blasen einzelner Taucher oder kleinerer Gruppen werden entweder nur schwer gesehen oder sie verwirren die Crew der Boote. Letztendlich muss sich der einzelne Taucher dem Bedürfnis der Gruppe oder der Situation unterordnen.



Hilfreich beim Abtauchen in der Strömung: das Festhalten an der Ankerleine (Foto: Wolfgang Pölzer).

Deshalb oft der Rudelsprung


Man muss seine Ausrüstung kennen und beherrschen. Nicht nur unter Wasser, sondern schon vorher. Oft gibt es nämlich einen Rudelsprung ins Wasser. Der Grund dafür: Das Boot kann nicht ankern und die Schraube darf nur kurz ausgekoppelt bleiben, damit das Boot nicht zum Spielball des Meeres wird. Das Besondere: Es wird sofort abgetaucht, ohne dass sich Buddyteams oder die Gruppe erst an der Oberfläche sammelt. Denn dann könnten die Taucher vom Tauchspot abgetrieben werden. 


Der Rudelsprung bedeutet: Es muss ein kleines Zeitfenster genutzt werden. Wer da beim Fertigmachen der Ausrüstung Probleme hat, gerät schnell ins Hintertreffen. Jetzt sollte man noch mehr als sonst darauf achten, dass die Ventile offen und der Inflatorschlauch eingestöpselt ist. Funktion von Automaten und Inflator vorher lieber zweimal prüfen und noch einmal checken, ob das Jacket leer ist.
Warum so gründlich? Ganz einfach: Ist man runter vom Boot, dann ist man zumindest einige Sekunden lang auf sich allein gestellt, denn der Buddy ist unter Umständen mit sich selbst beschäftigt und beim ersten Atemzug ist man vielleicht schon, drei, vier Meter unter der Oberfläche. 
Und der Abstieg? Wie kommt man beim Tauchen mit negativer Tarierung schnell nach unten? Mit leerem Jacket geht es direkt unter Wasser. Dabei atmen wir kräftig aus und halten die Luft für einen Moment an. Da das Jacket keinen Auftrieg hat kann man auf Flossenschläge verzichten. Auf keinen Fall sollte man überbleit abtauchen. Das ist bei der richtigen Abtauchtechnik auch gar nicht nötig und verdirbt den Rest des Tauchgangs. Stattdessen mit leerem Jacket reinspringen, ausatmen und sich absinken lassen. In vier bis fünf Metern Tiefe atmen wir wieder ein. Darum ist der Check so wichtig: Taucher, die ihren Regler und Inflator nicht an Bord gründlich überprüft haben, könnten bei Fehlfunktionen ernsthafte Probleme bekommen!




TAUCHEN-Tipp

Je weniger Flossenarbeit, desto besser! Wer gegen eine starke Strömung ankämpft, verliert! Zudem ist erhöhte Anstrengung auch im Hinblick auf die Inertgassättigung nicht sinnvoll.


Stromlinienform beachten


Optimieren Sie den Wasserwiderstand Ihrer Ausrüstung. Auch das Blei, denn jedes Kilo Blei, das Sie nicht wirklich brauchen, bedeutet mehr Luft im Jacket und damit größeren Wasserwiderstand – Stichwort: Streamline! Verwenden Sie eine kleinvolumige Maske und befestigen Sie den Schnorchel unter dem Messserband am Bein oder in einer Jackettasche. Faustregel: Je weniger Angriffspunkte Sie der Strömung bieten, desto schneller kommen Sie an Ihr Ziel.
Riffhaken


Nicht immer wollen Taucher in der Strömung treiben. Manchmal beobachten sie lieber Großfische, die sich zum Fressen oder Geputztwerden in der Strömung tummeln. Aber wie bleibt man in solch einer Situation an einem Ort? Ganz einfach: Man nimmt einen Riffhaken, den man an Steinen oder toten Korallenblöcken einhängt. Das gilt als umwelttechnisch unproblematisch.



TAUCHEN-Tipp

Möglichst weit innerhalb der Nullzeit bleiben! Auf jeden Fall aber Dekozeiten vermeiden. Je schneller Sie auftauchen können, desto größer ist Ihr Sicherheitsfaktor, wenn Sie einmal zu weit treiben oder die Orientierung verlieren.


Eine Flosse als Notsignal ist besser als nichts, aber nicht optimal, denn der Arm wird schnell müde (Foto: Wolfgang Pölzer).

So geht der Aufstieg


Ende gut, alles gut? Nicht ganz, jetzt kommt noch der Aufstieg. Strömungstauchgänge sind problematisch bei Bootsverkehr – auch das eigene Boot kann häufig nicht ankern und ist eine potenzielle Gefahr beim Auftauchen. Darum ist die Boje wichtig, die entweder hinter der Gruppe hergezogen wird oder zum Ende des Tauchgangs gesetzt wird. Das vermeidet Kollisionen der Taucher mit der Bootsschraube. Ein Garant ist es nicht, also taucht man an der Boje auf, und bereitet einen Abstieg vor, falls sich ein Boot nähert, das die Boje nicht beachtet. Solch ein „Notabstieg“ wird vorbereitet, indem man den Inflator in der Hand und sich bereit hält, Luft aus dem Jacket abzulassen und gleichzeitig tief auszuatmen.


Wenn Sie das alles beachten, sind Sie schon einmal ziemlich gut vorbereitet. Zusätzlich können Sie mit dem Guide besprechen, wie Sie sich verhalten sollen, wenn Sie von der Gruppe getrennt werden oder früher auftauchen müssen. Und was ist zu tun, wenn Sie große Bedenken haben, dass Sie richtig weit abgetrieben werden? Mehr diesem Thema finden Sie im TAUCHEN-Artikel „Lost at Sea“ (10/2016).


Tipp: einen Kurs besuchen


Absolvieren Sie am Besten ein Strömungs-Specialty bei Ihrer Tauchschule. Auch wenn Sie bei organisierten Ausfahrten rundherum betreut werden, ist das eine gute Idee. Alle Ausbildungsorganisationen bieten Kurse an, die meist an einem Tag absolviert werden können. 


Diese Verbände bieten Strömungstauchkurse an:

Die Preise variieren. Beispiel: Bei Tauchen Hamburg kostet ein Strömungs-Specialty mit zwei Tauchgängen bei Verwendung eigener Ausrüstung 150 Euro.

Infos und Texte von unserem Technik-Redakteur Walter Comper